LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7597 08.10.2019 Datum des Originals: 08.10.2019/Ausgegeben: 14.10.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2973 vom 13. September 2019 der Abgeordneten Sigrid Beer, Josefine Paul und Matthi Bolte-Richter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/7412 Wie setzt die Landesregierung die KMK-Strategie zur Menschenrechtsbildung um? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Schon 1980 hat die Kultusministerkonferenz Empfehlungen zur Menschenrechtserziehung in der Schule beschlossen, die im Jahr 2000 umfassend überarbeitet wurden. Die grundlegende Rolle der Menschenrechte als Voraussetzung, Rahmen und Gegenstand der Bildung schlägt sich auch nieder in den KMK-Beschlüssen zur Demokratiebildung (2009), zur Interkulturellen Bildung (2013), zur Erinnerungskultur (2014) und zur Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt (2015). Schließlich wurde die KMK-Strategie von 2000 erneut überarbeitet und als „Menschenrechtsbildung in der Schule“ am 11. Oktober 2018 beschlossen. Schon die Vereinten Nationen weisen der Bildung eine zentrale Aufgabe für die Achtung der Menschenrechte zu. Nach ihrer Auffassung umfasst Menschenrechtsbildung die Bildung über, durch und für Menschenrechte. Die KMK stellt fest: „Es ist eine Aufgabe der Schule, zu einer menschenrechtssensiblen und -fördernden Haltung zu erziehen, das erforderliche Wissen und geeignete Urteils-, Handlungs- und Gestaltungskompetenzen zu vermitteln sowie zu offenem und aktivem Engagement zu ermutigen.“ Für die KMK ist Menschenrechtsbildung „ein Querschnittsthema für das gesamte Schulleben und daher auch Gegenstand fächerverbindenden und fächerübergreifenden Unterrichts. Schulen sollen nicht nur die praktische Bedeutung der Menschenrechte und der Kinderrechte und ihre universelle Geltung vermitteln, sondern auch Schülerinnen und Schüler stärken und befähigen, sich im persönlichen wie gesellschaftlichen Lebensumfeld für Menschenrechte und damit für ihre und die Rechte anderer einzusetzen. Der KMK-Beschluss weist den Ländern die Aufgabe zu, die Schulen bei der Umsetzung durch Beratung, Begleitung und Gelegenheit zur Fortbildung zu unterstützen. Menschenrechtsbildung muss bei der Ausgestaltung der Lehrpläne Berücksichtigung finden. Die Länder sollen über die Schulaufsicht für ein wirksames Beschwerdesystem sorgen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7597 2 Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 2973 mit Schreiben vom 8. Oktober 2019 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Schulgesetz ist als oberstes Erziehungsziel unter SchulG § 2 (2) festgelegt: „Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung. Die Jugend soll erzogen werden im Geist der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und zur Friedensgesinnung.“ Diese Ziele sind die Richtschnur der Arbeit an den nordrheinwestfälischen Schulen und werden durch verschiedene weitere Regelungen und Empfehlungen ergänzt. So hat im Juni 2017 die KMK beschlossen, die 1. Überarbeitung der Empfehlungen zur Menschenrechterziehung der KMK aus dem Jahr 2000 erneut umfassend zu überarbeiten. Die Federführung für diesen Prozess lag bei Nordrhein-Westfalen. Am 11. Oktober 2018 hat die KMK schließlich die überarbeitete Fassung beschlossen. Seitdem dient sie als Orientierungsrahmen für die Schulen in unserem Land, für das Ministerium für Schule und Bildung, die Qualitäts- und Unterstützungsagentur (QUA-LiS) in Soest, die Bezirksregierungen und alle anderen am schulischen Leben beteiligten Institutionen. Eine Trennung zwischen Menschrechtsbildung (Kleine Anfrage 2973) und Demokratiebildung (Kleine Anfrage 2972) wird in der Umsetzung der Empfehlungen in Nordrhein-Westfalen nicht vorgenommen. Die Antworten auf beide o.g. Kleine Anfragen sind daher teilweise deckungsgleich. 1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung zur Umsetzung des KMK- Beschlusses zur Menschenrechtsbildung unternommen oder geplant hinsichtlich der Unterstützung der Schulen durch Beratung und Begleitung? Das Ministerium für Schule und Bildung engagiert sich seit vielen Jahren im Bereich der Menschenrechtsbildung und kann daher einerseits auf eine Vielzahl von Programmen und Projekten im diesem Bereich zurückgreifen, andererseits werden diese Programme auch laufend weiterentwickelt und ausgebaut, so z.B. das Konzept „Erinnern für die Zukunft“. Personell stehen neben den Dezernentinnen und Dezernenten in den Schulabteilungen der Bezirksregierungen auch in der QUA-LiS Ansprechpartnerinnen und-partner für Beratung und Unterstützung zur Verfügung. So wurden Ende letzten Jahres nach Beschluss der Empfehlung zusätzlich zur in den Bezirksregierungen vorhandenen Fachaufsicht Ansprechpartnerinnen und -partner für die politische Bildung benannt, die das Thema Menschenrechtsbildung bearbeiten. In diesem Jahr wurden z.B. die personellen Kapazitäten für das „Förderprogramm Demokratisch Handeln“ sowie für das Programm „Schule der Vielfalt – Schule ohne Homophobie“ ausgeweitet. Für ersteres gibt es nun sowohl eine Regionalberatung Rheinland und Westfalen sowie eine deutliche Mittelaufstockung auf jährlich 20.000 EUR, für zweites neben der Landeskoordination auch je eine/n Berater/in in jedem Regierungsbezirk. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7597 3 Ebenfalls seit Mai 2018 werden über die Förderrichtlinie „Zuwendungen für die Durchführung von Schulfahrten zu Gedenkstätten politischer Gewaltherrschaft, insbesondere der nationalsozialistischen, im Inland und im europäischen Ausland“ Mittel zur Durchführung schulischer Gedenkstättenfahrten bereitgestellt. Hierzu ist bei Bildungspartner NRW eine Lehrkraft beratend für die Schulen tätig. Aufgrund der hohen Nachfrage sind die Mittel außerdem jährlich aufgestockt worden, für den Haushalt 2020 schlägt die Landesregierung eine weitere Erhöhung auf eine Million EUR vor. 2. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung zur Umsetzung des KMK- Beschlusses zur Menschenrechtsbildung unternommen oder geplant hinsichtlich der Fortbildung? Landesweit wird das Fortbildungsprogramm „Interkulturelle Schulentwicklung – Demokratie gestalten“ (Anm.: im weiteren Verlauf: IKS-DEG) angeboten. IKS-DeG ist in Anlage 4 des Fortbildungserlasses (BASS 20-22 Nr. 8) als Fortbildungsangebot der Kompetenzteams (Programm III) aufgenommen. Im Rahmen von IKS-DeG werden alle Moderierenden in die Empfehlung eingewiesen und die Einbindung in den bildungspolitischen Begründungsrahmen in allen Modulen vorgenommen. Das Land NRW führt zudem in Kooperation mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) das Projekt „OPENION“ durch, in dessen Zuge insgesamt 17 Projektverbünde [bestehend aus je einer Schule [schulformübergreifend] und einem außerschulischen Partner] gefördert und moderativ begleitet wurden. Das Land NRW stellt für die Umsetzung an den Schulen jeweils zwei Entlastungsstunden pro Woche zur Verfügung. Die Schulen der Projektverbünde werden durch Moderatorinnen und Moderatoren der staatlichen Lehrerfortbildung darin unterstützt, ausgehend von bestehenden Demokratiebildungsprojekten einen nachhaltigen, partizipativen Schulentwicklungsprozess zu gestalten. Die Umsetzungserfahrungen fließen in der Entwicklung eines Fortbildungsmoduls „Demokratiebildung als Schulentwicklungsaufgabe“ bei QUA-LiS ein. Auf Ebene der Bezirksregierungen wird Sorge dafür getragen, dass die schulfachlichen Dezernentinnen und Dezernenten über die demokratiepädagogischen Fortbildungsangebote sowie die Grundlegung durch die KMK-Papiere informiert sind. Neben der Durchführung und Unterstützung von Demokratietagen in NRW finden weitere themenspezifische Fortbildungstage statt. Qualifizierungsangebote für Beratungslehrkräfte haben neben denen für Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter einen festen Platz. Zusätzlich wird mit dem schulpsychologischen Dienst kooperiert und die Professionalisierung multiprofessioneller Teams an Schulen gefördert. In den Kompetenzteams werden neben der schulinternen Prozessbegleitung auch schulexterne Angebote aus den Modulen des Fortbildungsprogramms 3 (= IKS-DEG) angeboten. 3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung zur Umsetzung des KMK- Beschlusses zur Menschenrechtsbildung unternommen oder geplant hinsichtlich der Verankerung der Menschrechtsbildung in den Lehrplänen? Der Unterricht in allen Fächern trägt gemäß den gültigen Kernlehrplänen zum Aufbau sozialer Verantwortung und zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft bei. Die Landesregierung hat im Nachgang der KMK-Beschlüsse vom 11.10.18 diesen fachübergreifenden Auftrag ausgeschärft. Beginnend mit den neuen Kernlehrplänen (KLP) für LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7597 4 die Sekundarstufe I des Gymnasiums werden von nun an die in allen Schulformen neu zu entwickelnden Kernlehrpläne die „politische Bildung und Demokratieerziehung“ sowie die „Menschenrechtsbildung“ explizit als verbindlich zu erfüllende Querschnittsaufgaben der Fächer ausweisen. Exemplarisch sei aus den Kernlehrplänen Sekundarstufe I. Gymnasium bzgl. der Verankerung auf inhaltliche Bezüge verwiesen auf: KLP „Sekundarstufe I. Wirtschaft-Politik“ [2019]: Inhaltsfeld 11 „Globalisierte Strukturen und Prozesse in der Politik“ KLP „Sekundarstufe I. Geschichte“ [2019]: Inhaltsfeld 5: „Das „lange“ 19. Jahrhundert – politischer und wirtschaftlicher Wandel in Europa“ 4. Wie sorgt die Landesregierung über die Schulaufsicht für ein wirksames Beschwerdesystem? Sowohl über die Schulaufsicht als auch über andere Strukturen wie den schulpsychologischen Dienst (sowohl vor Ort als auch über die „Landesstelle Schulpsychologie und Schulpsychologisches Krisenmanagement“), die „Landespräventionsstelle gegen Gewalt und Cybergewalt an Schulen“, die Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und die bereits erwähnten Programme (s. Frage 1) ist sichergestellt, dass mögliche Beschwerden auf einer Vielzahl von Wegen die richtige Ansprechperson erreichen und bearbeitet werden können. Aktuell sind 54 zusätzliche Stellen für Maßnahmen gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus, Linksextremismus und Salafismus ausgeschrieben. Damit verbunden ist die Erstellung eines Konzepts des bei den schulpsychologischen Diensten angesiedelten Beratungssystems für Schulen zum Thema Antisemitismus sowie zu anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und den verschiedenen Extremismen geplant. 5. Welche weiteren Maßnahmen hat die Landesregierung zur Umsetzung des KMK- Beschlusses zur Menschenrechtsbildung in den Schulen unternommen oder geplant? Die Landesregierung plant auch weiterhin, bei den anstehenden Überarbeitungen der entsprechenden Lehrpläne das Thema Menschenrechtsbildung zu berücksichtigen. Einen hohen Stellenwert nimmt außerdem die fortdauernde Unterstützung von Bildungspartner NRW ein. Aktuell gibt es 443 Bildungspartnerschaften von Schulen in NRW (Archive 107, Gedenkstätten 75, Museen 261). Im Fortbildungsprogramm 8 (Kooperation mit Bildungspartnern) der Kompetenzteams NRW sind zurzeit 19 Moderatorinnen und Moderatoren aktiv, die in allen Regierungsbezirken Schulen durch Lehrerfortbildungen bei der Zusammenarbeit mit historisch-politischen Lernorten (vor allem Gedenkstätten, Archive, Museen, Kriegsgräberstätten) beraten. Der vorgenannten Moderatorengruppe werden von Bildungspartner NRW als fortlaufendes Qualifizierungsangebot jährlich zwei ganztägige Vertiefungstreffen angeboten, die je einem thematischen Schwerpunkt gewidmet sind. In diesem Jahr: Lernangebote eines Kommunalarchivs (im April 2019) und antisemitismuskritische museale Lernangebote (im Herbst 2019). Gemeinsam mit der Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit, Beratung bei Rassismus und Antisemitismus LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7597 5 (SABRA) der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf wird am 26. November 2019 eine Fachtagung zum Thema „Was tun gegen Antisemitismus?“ für Lehrkräfte in NRW veranstaltet.