LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/761 28.09.2017 Datum des Originals: 28.09.2017/Ausgegeben: 04.10.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 255 vom 1. September 2017 der Abgeordneten Berivan Aymaz und Verena Schäffer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/495 Ermöglicht die schwarz-gelbe Landesregierung die Teilnahme geflüchteter Kinder an Ferienfreizeiten im Ausland? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Lokalausgabe der Westfalenpost im Ennepe-Ruhr-Kreis berichtete am 16.08.2017 und 18.08.2017 über vier minderjährige Geflüchtete, die sich als Pfadfinder in Herdecke-Ende engagieren . Den geflüchteten Kindern aus dem Irak wurde von der Ausländerbehörde in Schwelm zunächst mit Blick auf das noch nicht abgeschlossene Asylverfahren die zur Teilnahme an einer Ferienfreizeit mit dem Pfadfinderstamm in einem niederländlichen Camp notwenige Ausreise untersagt. Kurze Zeit später revidierte die Ausländerbehörde ihre Entscheidung und ließ die Kinder doch teilnehmen. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei dem beschriebenen Fall nicht um einen Einzelfall handelt, da eine grundsätzliche Regelung für die Teilnahme von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern an Ferienfreizeiten im Ausland in NRW fehlt. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetzes (AsylG) kann eine kommunale Ausländerbehörde das Verlassen des Geltungsbereichs der Aufenthaltsgestattung für eine Auslandsreise, auch in der Ausgestaltung als Ferienfreizeit, erlauben, es besteht jedoch kein rechtsverbindlicher Anspruch hierauf. Die Ausländerbehörde hat einen entsprechenden Gestaltungsspielraum, der aktuell nicht einheitlich genutzt wird. In Nordrhein-Westfalen besteht laut Erlass vom 30.09.2010 (Erlass zur Residenzpflicht von Asylbewerbern und geduldeten Ausländern in NRW) bei Klassenfahrten und sonstigen Schulveranstaltungen ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Verlassenserlaubnis, sodass geflüchtete Schülerinnen und Schüler an Klassenfahrten teilnehmen können. Für Ferienfreizeiten gilt dieser Erlass jedoch nicht analog. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/761 2 Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 255 mit Schreiben vom 28. September 2017 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie viele Fälle verwehrter Teilnahmen an außerschulischen Ferienfreizeiten durch die Nicht-Erteilung einer Verlassenserlaubnis für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sind der Landesregierung bekannt (bitte nach Jahr und Ausländerbehörde aufschlüsseln)? Entsprechende Daten werden statistisch nicht erfasst. Der Landesregierung liegen daher hierzu keine Zahlen vor. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Teilnahme junger Asylbewerberinnen und Asylbewerber an außerschulisch organisierten Ferienfreizeiten für deren Integrationschancen ? 3. Wie bewertet die Landesregierung die nicht vorhandene Rechtssicherheit in Bezug auf die Gestattung der Teilnahme junger Asylbewerberinnen und Asylbewerber an außerschulisch organisierten Ferienfreizeiten für die betroffenen Kinder und die kommunalen Ausländerbehörden? 4. Wird die Landesregierung die Ungleichbehandlung geflüchteter junger Menschen in Bezug auf die Teilnahme an außerschulischen Ferienfreizeiten beenden und wenn ja, wie? Die Fragen 2, 3 und 4 werden aufgrund des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet : Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist aus Sicht der Landesregierung ein wichtiger Beitrag zur Integration. Dies gilt auch für die Teilnahme an außerschulisch veranstalteten Ferienfreizeiten . Die Ermöglichung einer Teilnahme an solchen - unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen - wird daher grundsätzlich begrüßt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen ergeben sich aus § 58 Abs. 1 AsylG. Danach kann die Ausländerbehörde einem Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Landesaufnahmeeinrichtung zu wohnen, nach pflichtgemäßem Ermessen die Erlaubnis erteilen, ins Ausland zu reisen. Die Teilnahme an einer Ferienfreizeit kann dabei nach Auffassung der Landesregierung als legitimes Interesse am Verlassen des Bundesgebiets angesehen werden. Allerdings ist durch die Ausländerbehörde in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Gründe entgegenstehen . Dies ist z.B. in der Regel der Fall, wenn die Identität ungeklärt ist. Ob die Teilnahme an außerschulisch organisierten Ferienfreizeiten ins Ausland ermöglicht werden kann, hängt im Übrigen in erster Linie davon ab, ob der ausländische Staat dies gestattet . Asylbewerberinnen und Asylbewerber benötigen hierzu in der Regel ein Visum, über dessen Erteilung nicht die Landesregierung, sondern der ausländische Staat entscheidet. Eine Ausnahme besteht insoweit für die Teilnahme an Reisen ins Ausland in einer Schülergruppe in Begleitung einer Lehrkraft einer allgemeinbildenden oder berufsbildenden inländischen Schule. Für diese Reisen besteht auf Basis des Beschlusses des Rates der Europäischen Union vom 30. November 1994 über die vom Rat auf Grund von Art. K.3 Absatz 2 Buchst. b des Vertrages über die Europäische Union beschlossene gemeinsame Maßnahme über Reiseerleichterungen für Schüler von Drittstaaten mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/761 3 eine Sonderregelung, nach der die Staaten der Europäischen Union gegenseitig auf Visa verzichten , soweit die Schüler in eine sogenannte Schülersammelliste eingetragen sind. Ins deutsche Recht wurde dies durch § 22 der Aufenthaltsverordnung umgesetzt. Diese zwischenstaatlich vereinbarte Regelung kann nicht einseitig durch die Landesregierung auf Ferienfreizeiten erweitert werden. Besondere Schwierigkeiten können ferner im Einzelfall entstehen, wenn die Asylbewerberin oder der Asylbewerber nicht über einen Pass verfügt. Im Interesse der betroffenen Person ist vor einer Reise ins Ausland außerdem zu klären, ob ausreichender Krankenversicherungsschutz besteht, da für hilfebedürftige Asylbewerber und Geduldete das Asylbewerberleistungsgesetz auch für Leistungen im Krankheitsfall nur zur Anwendung kommt, wenn der Leistungsempfänger sich im Zeitpunkt des Leistungseintritts auch tatsächlich im Bundesgebiet aufgehalten hat. Diese Voraussetzung ist bei Erkrankungen während eines Auslandsaufenthaltes gerade nicht gegeben. Von daher bedarf die Frage, ob Asylbewerberinnen und Asylbewerbern die Teilnahme an außerschulischen Ferienfreizeiten ermöglicht werden kann, stets der sorgfältigen Einzelfallprüfung und ist einer pauschalen Regelung nicht zugänglich. Zu dem in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage benannten Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 30.09.2010 zur räumlichen Beschränkung für Asylbewerber und vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer wird darauf hingewiesen, dass dieser sich auf die damals geltende, restriktivere Rechtslage bezogen hat und mit dem 31.12.2015 außer Kraft getreten ist.