LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7626 10.10.2019 Datum des Originals: 10.10.2019/Ausgegeben: 16.10.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2968 vom 12. September 2019 der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky AfD Drucksache 17/7401 Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern (UMA) im Alter von 18-20 Jahren durch die Jugendämter Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Einem Bericht in der Tageszeitung „WELT“ folgend, ist der Begriff des unbegleitet Minderjährigen oft nicht wörtlich zu nehmen.1 „Denn mittlerweile sind mehr als die Hälfte der als solche betreuten Personen offiziell schon erwachsen, sie werden dann als „junge Volljährige“ in der Jugendhilfe weiterbetreut, wenn ihre Betreuer und die Jugendämter einen besonderen Bedarf feststellen – was meist der Fall ist. Mit 21 Jahren ist aber Schluss.“ Gemäß der „Handreichung zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in NRW“2 erfolgt der Übergang ins normale Asylverfahren erst mit Erreichen der Volljährigkeit bzw. mit Auslaufen der Jugendhilfe. Eine Verlängerung der Jugendhilfe nach Eintritt der Volljährigkeit durch die Jugendämter verlängert unabhängig vom Schutzstatus der Person folglich automatisch den Aufenthalt. Das Bundesverwaltungsamt hat für unbegleitete minderjährige Ausländer einen durchschnittlichen Kostentagessatz von 175 Euro pro Kopf ermittelt, also 5250 Euro monatlich.3 Von einer Verlängerung der Förderung, über die Volljährigkeit hinaus, sollte deshalb nur in begründeten Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. Die Entscheidung darüber obliegt derzeit den Jugendämtern. Durch diese Einstufung genießen junge Volljährige Vorteile wie eine bessere Integrationsstruktur oder einen umfangreichen Schutz vor 1 Vergl. https://www.welt.de/politik/deutschland/article198666765/Migration-Zahl-der-unbegleiteten- Minderjaehrigen-geht-stark-zurueck.html?wtrid=onsite.onsitesearch 2 Vergl. https://www.mkffi.nrw/sites/default/files/asset/document/handreichung_2017.pdf 3 Vergl. https://www.welt.de/politik/deutschland/article162274380/Junge-Migranten-kosten-Deutschland-vier- Milliarden.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7626 2 Abschiebungen. Nachdem bereits das Alter – bei in der Regel fehlenden Ausweisdokumenten – zumeist nur durch sogenannte Inaugenscheinnahmen bei der vorläufigen Inobhutnahmen durch die Jugendämter festgestellt wird, haben die Jugendämter somit auch die Möglichkeit bei jungen Volljährigen, den Betreuungszeitraum zu verlängern. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 2968 mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Unbegleitete minderjährige sowie ehemalige unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer, denen als junge Volljährige weiter Jugendhilfe gewährt wird, unterliegen wie alle anderen Ausländerinnen und Ausländer auch den asyl- und aufenthaltsrechtlichen Maßgaben. Zum Schutz der unbegleiteten Minderjährigen bestehen rechtliche Schranken im Vollzug des regulären Aufenthalts- und Asylrechts, so z.B. die Abschiebungsvoraussetzungen nach § 58 Abs. 1a AufentG. Insoweit ist festzustellen, dass Maßnahmen der Jugendhilfe keinen Schutzraum vor asyl- und aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen darstellen, sondern individuelle Hilfen für die Entwicklung des Kindes, bzw. des jungen Menschen sind. Nach § 41 Abs. 1 S. 1 SGB VII soll einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Diese Regelung findet auf alle jungen Volljährigen Anwendung. 1. Wie viele unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) in Nordrhein-Westfahlen haben seit 2015 die Volljährigkeit erreicht? (Bitte nach Jahr und Anzahl aufschlüsseln) Der nachfolgenden Tabelle kann basierend auf den Meldezahlen der Landesstelle NRW entnommen werden, wie viele unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer seit 2016 im jeweils ausgewiesenen Jahr volljährig geworden sind. Da das Verteilverfahren erst seit dem 1. November 2015 gilt, können zum Jahr 2015 keine Angaben gemacht werden. Die Angaben zum Jahr 2019 umfassen den Zeitraum von Januar bis September. Jahr 2016 2017 2018 2019 Anzahl 1.962 4.229 3.278 2.513 2. In wie vielen dieser Fälle haben die Jugendämter einen „besonderen Bedarf“ festgestellt und die Jugendhilfe über die Volljährigkeit hinaus gewährt? Es liegen keine Daten dazu vor, in wie vielen der in der Antwort auf Frage 1 benannten Fälle die Jugendämter Hilfen gewährt haben. Ursächlich hierfür ist, dass die auf Kostenerstattungsanträgen der Jugendämter beruhenden Daten keine Zuordnung zu der jeweils im Kalenderjahr eintretenden Volljährigkeit zulassen. 3. Für welchen Zeitraum erfolgten die Fristverlängerungen seit 2015? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Anzahl und Verlängerung der Jugendhilfe bis 1 Jahr, bis 2 Jahre oder bis 3 Jahre) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7626 3 Es wird davon ausgegangen, dass mit dem Begriff „Fristverlängerung“ eine Gewährung von Hilfen für junge Volljährige gemeint ist. Die Entscheidung über einen weiteren Hilfebedarf wird von der Behörde vor Ort getroffen, also dem zuständigen Jugendamt. Dabei wird in der Regel eine kurze Verlängerung ausgesprochen und bei deren Ablauf geprüft, ob eine weitere Verlängerung notwendig ist. Die von den Landesjugendämtern erhobenen Falldaten ergeben sich aus bewilligten Kostenerstattungsanträgen. Noch laufende Verfahren können in der gewünschten Darstellungsform daher nicht vollständig abgebildet werden. Da eine Zuordnung der Daten zu der jeweils im Kalenderjahr eingetretenen Volljährigkeit nicht möglich ist, beinhalten die Angaben, im Gegensatz zu denen aus Frage 1, auch Daten zu ehemals unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern, die vor 2016 volljährig geworden sind. Jahr/Dauer < 1 Jahr 1 – 2 Jahre 2 – 3 Jahre 2016 766 653 417 2017 1.328 1.388 164 2018 1.321 164 31 2019 819 8 2 4. Welche zusätzlichen Kosten entstehen durchschnittlich durch diese Fristverlängerungen je Person und Monat? Es wird davon ausgegangen, dass mit dem Begriff „Fristverlängerung“ eine Gewährung von Hilfen für junge Volljährige gemeint ist. Die Kosten hängen maßgeblich von der Art der spezifischen Bedarfe der jungen Menschen und der Dauer der Leistungen ab. Einige benötigen spezielle Therapien oder eine besondere Betreuung, andere lediglich Unterstützung z.B. bei Arztgängen, Integrationsleistungen o.ä.. Aufgrund der erheblichen Spannbreite der Kosten dieser unterschiedlichen Bedarfe sind keine belastbaren durchschnittlichen Kosten zu ermitteln. 5. Mit welchen Maßnahmen kontrolliert die Landesregierung im Einzelfall die Notwendigkeit der Fristverlängerungen? Es wird davon ausgegangen, dass mit dem Begriff „Fristverlängerung“ eine Gewährung von Hilfen für junge Volljährige gemeint ist. Die Landesregierung führt diesbezüglich keine Maßnahmen durch, da die Jugendämter ihre Aufgaben im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung in ausschließlich eigener Verantwortung erfüllen. An Weisungen oder Empfehlungen des Ministeriums sind die Jugendämter daher nicht gebunden.