LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7654 15.10.2019 Datum des Originals: 10.10.2019/Ausgegeben: 21.10.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3000 vom 20. September 2019 der Abgeordneten Elisabeth Müller-Witt SPD Drucksache 17/7461 Blauer Brief aus Brüssel - Droht Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen wirkungsloser Glücksspielregulierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mehreren Medienberichten zufolge hat die Europäische Kommission kürzlich eine Beschwerde zum 3. Glücksspieländerungsstaatsvertrag, der bereits zur Beratung in den Landtag eingebracht wurde, auf den Weg gebracht. Moniert wird die aus Sicht der Kommission zu kurze Experimentierphase und damit verbundene 18-monatige Lizenzdauer für Sportwetten. Zudem kritisiert die Kommission, die Bundesländer hätten die Suchtgefahren von Internetspielen nicht ausreichend durchleuchtet. Die Europäische Kommission hat sich in einem Brief an die Bundesregierung gewandt und die geplanten Änderungen für Anbieter von Sportwetten kritisiert. Die verkürzte Experimentierphase führe wohlmöglich dazu, dass Anbieter weiter ohne Lizenz Sportwetten anbieten, da sich die Anreize für einen Wechsel vom unregulierten in den regulierten Bereich verringern. Der Ministerpräsident hat die Kleine Anfrage 3000 mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten beantwortet. 1. Droht Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen wirkungsloser Glücksspielregulierung ? Ein drohendes Vertragsverletzungsverfahren wegen einer vermeintlich wirkungslosen Glücksspielregulierung ist für die Landesregierung nicht erkennbar. Der Entwurf des Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrags wurde entsprechend der Richtlinie (EU) 2015/1535 notifiziert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7654 2 Im Notifizierungsverfahren hat die EU-Kommission lediglich nach Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2015/1535 Bemerkungen, welche die Stillhaltefrist nach Artikel 6 der Richtlinie nicht verlängern, und keine ausführliche Stellungnahme im Sinne des Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie vorgebracht. Den zentralen Regelungsgehalt, die Begrenzung der Zahl der Konzessionen ersatzlos zu streichen, hat die EU-Kommission ausdrücklich begrüßt. Die Landesregierung geht deshalb davon aus, dass der Dritte Glücksspieländerungsstaatsvertrag auch nach Auffassung der EU-Kommission nicht gegen die Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit verstößt. 2. Wie bewertet die Landesregierung die vorgetragenen Bedenken der EU Kommission ? Die von der EU-Kommission angemerkten Aspekte wurden bereits im Rahmen der Ausarbeitung des Staatsvertrags berücksichtigt. Dies gilt auch für eine mögliche Verringerung der Anreize für den Wechsel von Anbietern vom unregulierten in den regulierten Bereich aufgrund der Laufzeit der Konzessionen von maximal 18 Monaten. Die Laufzeit ist dem Umstand geschuldet , dass der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag am 30. Juni 2021 ausläuft. Mit dem Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrag sollen die Voraussetzungen für die zeitnahe Erteilung von Konzessionen im Sportwettenbereich für den Übergangszeitraum bis zu einer umfassenden Anschlussregelung geschaffen werden. Der Dritte Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist daher Voraussetzung dafür, dass zeitnah ein regulierter Markt geschaffen werden kann. Daneben dürften zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des notifizierten Entwurfs die Gespräche über eine Anschlussregelung für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2021 weiter fortgeschritten sein. Für die Marktteilnehmer dürfte es daher bei Inkrafttreten des Entwurfs besser abschätzbar sein, welche Regulierungsanforderungen ab dem 1. Juli 2021 Anwendung finden werden, so dass diese bei der Entscheidung über die Antragstellung auf Erteilung einer Konzession berücksichtigt werden können. 3. Wo sieht die Landesregierung künftig mögliche europarechtliche Hürden für eine kohärente Glücksspielregulierung? Die unterschiedlichen Regulierungsansätze in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zeigen, dass das Europarecht keine bestimmte Glücksspielregulierung vorgibt. Es ist vielmehr wesentlich, dass die von den Ländern mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Ziele in allen Bereichen des Glücksspielmarktes tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden. Im Rahmen der Anschlussregelung zum Glücksspielstaatsvertrag wird daher weiterhin darauf zu achten sein, dass einzelne Bereiche des Glücksspielmarktes nicht ohne eine hinreichende Begründung, die auf den Regulierungszielen basiert, gegenüber anderen Bereichen bevorzugt oder benachteiligt werden. Im Übrigen haben diverse Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Glücksspielregulierung in verschiedenen Mitgliedsstaaten zwischenzeitlich zur weiteren Klarstellung der sich aus dem Europarecht ergebenden Anforderungen zu einzelnen Detailfragen beigetragen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7654 3 4. Droht Nordrhein-Westfalen anderen Bundesländern zum Zwecke der Zulassung von Online-Glücksspielen, ein eigenes Landesgesetz (analog zum Gesetz in Schleswig- Holstein) auf den Weg zu bringen? Den anderen Bundesländern ist ebenso wie der Landesregierung bekannt, dass aufgrund des Auslaufens des aktuellen Glücksspielstaatsvertrags spätestens am 1. Juli 2021 eine Anschlussregelung in Kraft treten muss, um die mit der Regulierung des Glückspielwesens verfolgten Ziele weiterhin zu sichern. Die Länder streben hierbei weiterhin eine gemeinsame Anschlussregelung für alle Länder an, um einheitliche regulatorische Vorgaben insbesondere für länderübergreifende Glücksspielangebote wie Große Lotterien und Glücksspiele im Internet sicherzustellen. Die Landesregierung ist weiterhin zuversichtlich, dass dies gelingen wird. Sofern eine staatsvertragliche Regelung bis zum 1. Juli 2021 jedoch nicht möglich sein sollte, kommt nur eine Regulierung durch eigenständige Landesgesetze in Betracht. 5. Warum könnte ein Opt out/Opt in Modell bei der noch ungelösten Frage der Regulierung des Online-Glückspiels ein gangbarer Weg für die Landesregierung sein? Die Landesregierung sieht in einem Opt-Out/Opt-In-Modell eine Möglichkeit, um unterschiedlichen Positionen der Länder zur Regulierung von Online-Casinospielen im Kompromissweg Rechnung zu tragen. In einem solchen Modell würden die regulatorischen Vorgaben für Online -Casinospiele im Staatsvertrag für alle Länder einheitlich geregelt und für die Erteilung der Erlaubnis sowie die Überwachung der Anbieter eine zentrale Zuständigkeit bestimmt. Die Länder könnten entscheiden, ob sie das geltende gesetzliche Verbot beibehalten oder Online- Casinospiele für ihr Hoheitsgebiet in dem staatsvertraglich vorgegebenen Rahmen zulassen. Auf diese Weise würden die unterschiedlichen Ansichten der Länder zur Regulierung von Online -Casinospielen einer Einigung auf gemeinsame regulatorische Vorgaben in anderen Bereichen des Glücksspielrechts nicht entgegenstehen. In den Ländern, in denen Online-Casinospiele zulässig sind, würde zudem ein einheitlicher Regulierungsrahmen für Anbieter und Spieler gelten. In den Ländern, die ein Verbot beibehalten, bestünde für Anbieter ein zusätzlicher Anreiz, das gesetzliche Verbot zu beachten, da bei Missachtung des Verbots der Widerruf der Erlaubnis für Online-Casinospiele in den anderen Ländern drohen würde. Solche Überlegungen würden sich erübrigen, wenn es gelänge, alle 16 Länder für ein einheitliches Regulierungssystem zu gewinnen. Das wäre aus Sicht der Landesregierung die beste Lösung.