LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7671 18.10.2019 Datum des Originals: 17.10.2019/Ausgegeben: 24.10.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2984 vom 18. September 2019 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/7439 Windenergieausbau stagniert – Windkraftlobby fordert Aufweichung des Artenschutzes Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut Statusbericht von Deutsche WindGuard GmbH fand im ersten Halbjahr 2019 ein Brutto- Zubau von 86 Windenergieanlagen (WEA) an Land statt.1 Hierbei ist zu beachten, dass nur 35 WEA dem Netto-Zubau zuzuordnen sind, da im gleichen Zeitraum 51 WEA abgebaut wurden. Ein Vergleich mit den Zahlen des Netto-Zubaus der beiden Vorjahre (2017 1. Halbjahr 644 WEA2 und 2018 1. Halbjahr 396 WEA3) wirft die Frage auf, was die Ursachen für den rückläufigen Netto-Zubau sind. Laut Berichterstattung der „tagesschau“ seien fehlende Flächen und Klagen gegen Neubauten die Hauptgründe.4 Laut „WELT“ scheitern die meisten Windparkprojekte an Klagen von Wald- und Vogelschützern .5 Dem Bericht folgend, sei das Tötungsverbot gefährdeter Wildtiere aus Branchensicht zu einem „absoluten Planungshindernis“ geworden. Eine Hürde für das Windkraftgeschäft, die beseitigt werden solle. Die Progress-Studie von 2016 für ein norddeutsches Untersuchungsgebiet mit 12.841 WEA zeigte, dass alleine im Projektgebiet pro Jahr schätzungsweise mehrere zehntausend Vögel zu Kollisionsopfern werden.6 1 Vgl. https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oeffentlich/themen /06-zahlen-und-fakten/20190725_Factsheet_Status_des_Windenergieausbaus_an_Land_-_Halbjahr _2019.pdf (abgerufen am 13.09.2019) 2 Vgl. https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oeffentlich/themen /06-zahlen-und-fakten/Factsheet_Status_Windenergieausbau_an_Land_1._Hj._2017.pdf (abgerufen am 13.09.2019) 3 Vgl. https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oeffentlich/themen /06-zahlen-und-fakten/Factsheet_Status_Windenergieausbau_an_Land_1._Halbjahr _2018_20180731.pdf (abgerufen am 13.09.2019) 4 Vgl. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/gipfel-windkraft-101.html (abgerufen am 13.09.2019) 5 Vgl. https://www.welt.de/wirtschaft/article199597222/Energiewende-Windkraftindustrie-will-Naturschutz -aufweichen.html (abgerufen am 13.09.2019) 6 Vgl. https://bioconsult-sh.de/site/assets/files/1561/1561-1.pdf S. 99 (abgerufen am 13.09.2019) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7671 2 Fraglich ist, ob es in der Vergangenheit zu illegalen Handlungen kam, welche WEA-Projekte begünstigen sollten. So berichtete der „Spiegel Online“ von einem „Kettensägen-Massaker im Namen der Energiewende“7. Ein Fall, bei dem Naturschützer vermuten, dass die Täter durch die Zerstörung von Greifvogelhorsten den Bau von WEA vorantreiben wollten.8 Dieses Phänomen sei laut „Spiegel Online“ nicht neu, so haben die Behörden im Landkreis Vorpommern- Greifswald zehn Fälle zerstörter Horste registriert, die sich im Schutz- und Prüfradius eines Windenergieprojekts befanden. Weiter heißt es, der NABU habe deutschlandweit seit 2010 mehr als 60 Fälle gezählt und beobachte eine steigende Tendenz. Ein Problem, auf das auch der Deutsche Jagdverband bereits 2017 hingewiesen hat.9 Der These der Windenergiebranche, dass Windenergie dem Klimaschutz und folglich dem Artenschutz diene, lässt Zweifel entstehen. So schreibt ein Honorarprofessor des Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München: „Klimaschutz hat mit Artenschutz wenig, bei uns in Deutschland so gut wie nichts zu tun. […] Die warmen Sommer der letzten Jahre waren für viele seltene Arten eher günstig.“10 Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucher hat die Kleine Anfrage 2984 mit Schreiben vom 17. Oktober 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. 1. Wie viele illegale Nestzerstörungen und Tötungen von besonders geschützten Tieren wurden in den vergangenen zehn Jahren in NRW innerhalb der Schutz- und Prüfradien von Windenergieprojekten registriert? Bitte nach Kreisen und Städten aufschlüsseln. 2. Welche Kenntnisse über weitere illegale Handlungen, die im Verdacht stehen, für die Zulassung von WEA-Projekten unternommen worden zu sein, liegen der Landesregierung vor? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des sachlichen Zusammenhangs zusammen beantwortet. Es gibt keine amtlichen Statistiken über illegale Nestzerstörungen und Tötungen von besonders geschützten Tieren innerhalb der Schutz- und Prüfradien von Windenergieprojekten. Vor diesem Hintergrund wurde für die Beantwortung eine kurzfristige Abfrage bei den unteren Naturschutzbehörden durchgeführt. Von den 54 Kreisen und kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen haben 42 mitgeteilt, dass keine der in der Frage angesprochenen illegalen Nestzerstörungen und Tötungen in den letzten zehn Jahren registriert wurden. Darüber hinaus liegen aus sechs Kreisen konkrete Hinweise vor, die einen Verdacht auf das Vorliegen der in der Kleinen Anfrage thematisierten illegalen Handlungen nahelegen. 7 https://www.spiegel.de/spiegel/energiewende-fuer-den-bau-von-windraedern-werden-voegel-getoetet -a-1193051.html (abgerufen am 13.09.2019) 8 Vgl. https://www.spiegel.de/spiegel/energiewende-fuer-den-bau-von-windraedern-werden-voegelgetoetet -a-1193051.html (abgerufen am 13.09.2019) 9 Vgl. https://www.jagdverband.de/content/j%C3%A4ger-und-falkner-fordern-sch%C3%A4rfere-strafverfolgung -f%C3%BCr-nestzerst%C3%B6rung (abgerufen am 13.09.2019) 10 https://www.welt.de/wirtschaft/article199597222/Energiewende-Windkraftindustrie-will-Naturschutzaufweichen .html (abgerufen am 13.09.2019) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7671 3 Coesfeld: drei Fälle bezüglich Tötungen. Euskirchen: ein Fall bezüglich Zerstörung von Neststandorten . Heinsberg: ein Fall bezüglich Zerstörung von Neststandorten. Hochsauerlandkreis: vier Fälle bezüglich Zerstörung von Neststandorten. Lippe: zwei Fälle bezüglich Tötungen. Warendorf: fünf Fälle bezüglich Tötungen. Die Meldung der zuvor genannten Fälle erfolgte allein aufgrund ihrer räumlichen Nähe zu Standorten von bestehenden oder geplanten Windenergieanlagen (WEA). Hieraus kann jedoch kein ursächlicher Zusammenhang von illegalen Handlungen mit Nestzerstörungen bzw. Tötungen und Windenergieprojekten abgeleitet werden. Darüber hinaus berichteten einzelne Kreise über weitere Hinweise auf Vorkommnisse im Umfeld von WEA-Standorten. Die Fallkonstellationen reichen beispielsweise von Baumfällungen, der Auslegung von vergifteten Ködertieren bis hin zu Drohnenflügen über Nistplätzen. Die Angaben hierzu beruhten allerdings lediglich auf Vermutungen bzw. auf nicht ausreichend belastbaren Beweisführungen, sodass keine eindeutigen Hinweise auf illegale Handlungen bestehen. Ein ursächlicher Zusammenhang mit Windenergieprojekten konnte ebenfalls nicht zweifelsfrei belegt werden. 3. Beabsichtigt die Landesregierung, sich für eine Aufweichung des Bundesnaturschutzgesetzes zur Förderung des Windenergieausbaus einzusetzen? Nein. 4. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung bzgl. Kollisionsopferzahlen der nordrhein-westfälischen WEA vor? 5. Falls der Landesregierung keine Erkenntnisse zu Kollisionsopferzahlen vorliegen: Plant die Landesregierung eine Studie zu den Kollisionsopferzahlen der nordrhein -westfälischen WEA in Auftrag zu geben? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des sachlichen Zusammenhangs zusammen beantwortet. Die Kollisionsopferzahlen von Fledermäusen und Vögeln an WEA in Nordrhein-Westfalen sind nicht bekannt. In einer bundesweiten Datensammlung der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg zu Verlusten von Vögeln und Fledermäusen an WEA in Deutschland werden seit dem Jahr 2002 bundesweit verfügbare Daten zu Kollisionen von Vögeln zusammengetragen (Quelle: https://lfu. brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.312579.de). Derartige Datensammlungen sind sehr heterogen, da es sich bei den Fundmeldungen überwiegend um Zufallsfunde und Einzelereignisse handelt, sodass eine zuverlässige Hochrechnung über die Gesamtzahl der Kollisionen bundesweit (und erst recht auf einzelne Bundesländer bezogen) nicht möglich ist. Aufgrund der großen methodischen Unsicherheiten bei der Erhebung und Auswertung von Kollisionsopferzahlen an WEA, hält es die Landesregierung für nicht angebracht, hierzu eine Studie für Nordrhein-Westfalen in Auftrag zu geben.