LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7672 18.10.2019 Datum des Originals: 17.10.2019/Ausgegeben: 24.10.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3013 vom 26. September 2019 der Abgeordneten Sigrid Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/7494 Schulerfolg versus Ideologie! Was wird aus den erfolgreichen Primus-Schulen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit dem Schulkonsens wurde 2011 ein Modellversuch für eine Schule von Klasse 1-10 auf den Weg gebracht. Schule und Schulträgern sollte damit auch mehr Verlässlichkeit gegeben werden - unabhängig von der landespolitischen Großwetterlage. So hatten sich CDU, SPD und Grüne vereinbart. Mit dem Modell der Primus-Schule entwickelte NRW einen Weg, nach dem Vorbild der Versuchsschule des Landes, der Laborschule Bielefeld, deren Erkenntnisse für das Regelschulsystem fruchtbar zu machen. Je Regierungsbezirk sollte jeweils mindestens eine Schule starten , die die Schülerschaft bis zur Klasse 10 gemeinsam unterrichten. Mit der Primus-Schule Minden startete im Jahr 2013 die erste Modellschule, die sich 2019 auch unter den 20 besten Schulen beim Deutschen Schulpreis platzieren konnte. Über die Landesgrenzen hinaus ist auch die Primus-Schule in Münster für ihre inklusive Arbeit bekannt. In der eindrucksvollen preisgekrönten Dokumentation „Berg Fidel - Eine Schule für alle“, wurde deutlich, wie wertvoll es gewesen wäre, wenn die porträtierten Kinder über die Grundschulzeit hinaus weiterhin zusammen in der Schule hätten lernen und leben können. Die zweite Dokumentation "Schule, Schule - die Zeit nach Berg Fidel" zeigt, wie es den Schülerinnen und Schülern nach der Berg Fidel-Zeit auf weiterführenden Schulen ergangen ist. In einer Filmbesprechung wird zusammengefasst: „Der Film ist nicht nur ein Statement für Inklusion . Er zeigt, wie das Potenzial von Kindern in Deutschland verschleudert wird. Weil man sie zu früh trennt, einordnet und es ihnen unnötig schwer macht.“ Mit der Primus-Schule konnte die Grundschule Berg Fidel ihr Konzept zu einer Schule von Klasse 1-10 weiterentwickeln. Auch in Schalksmühle, Tietz und Viersen ist eine engagierte und intensive Schulentwicklungsarbeit zu verzeichnen unter ganz unterschiedlichen Bedingungen . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7672 2 Im Dezember 2018 hat die Schulministerin Gebauer in der Beantwortung der Kleinen Anfrage 17/4102 eingeräumt, dass es zu früh wäre, Schlussfolgerungen aus der Schulentwicklungsarbeit der Primus-Schulen zu ziehen. „Die Vornahme einer abschließenden Gesamtbewertung ist aus Sicht der Landesregierung noch verfrüht. Für die Primus-Schulen gilt die Regelung in § 132b des Schulgesetzes, nach der dieser Schulversuch auf die Dauer von zehn Jahren angelegt ist.“ Anstatt die wertvolle Schulentwicklungsarbeit zu unterstützen und die Erfolge der Schulen zu würdigen, kündigt Schulministerin Gebauer jetzt schon einmal das Aus für die Versuchsschulen an. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung scheinen sie nicht zu interessieren . Die vorschnelle Entscheidung wendet sich gegen die Empfehlungen der wissenschaftlichen Begleitung, die festgestellt hat, dass mit der überwundenen äußeren Trennung die innere Schulentwicklung dynamisiert werden konnte. Mit dem Lernen in jahrgangsgemischten Lerngruppen , stufenübergreifenden Lernkonzeptionen, multiprofessioneller Teamarbeit und alternativen Formen der Leistungsbewertung werden in den Primus-Schulen Prozesse der inklusiven Schul- und Unterrichtsentwicklung und der Professionalisierung der Lehrkräfte erfolgreich entwickelt. Schülerinnen und Schülern gelingt es, ihre Potenziale zu entfalten, getragen von einem positiven Leistungsverständnis. Wissenschaftliche Erkenntnisse spielen bei den Entscheidungen im Schulministerium offenbar keine Rolle. Immer mehr treten ideologische Grundhaltungen im Agieren des Schulministeriums zutage. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 3013 mit Schreiben vom 17. Oktober 2019 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Berichte über eine Beendigung des Schulversuchs PRIMUS sind nicht zutreffend, sondern es handelt sich hierbei um Falschmeldungen, die hoffentlich keine Verunsicherung und Unruhe an den betroffenen Schulen und Schulgemeinden auslösen. Das liegt nicht im Interesse der Landesregierung. Die Landesregierung hat keine Veränderung der Regelungen zum Schulversuch im Schulgesetz , die die Dauer des Schulversuchs PRIMUS auf zehn Jahre festlegt, getroffen. Die Entscheidungen über eine frühzeitige Verlängerung des Schulversuchs kann die Landesregierung auch gar nicht treffen, sondern nur der Landtag, also der Gesetzgeber durch eine Änderung des Schulgesetzes. Der Schulversuch läuft regulär und planmäßig. 1. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse, empirischen Befunde hat die Landesregierung veranlasst, die Primus-Schulen vorzeitig als Auslaufmodelle zu bezeichnen ? Die Landesregierung hat zu keiner Zeit den Schulversuch PRIMUS als Auslaufmodell bezeichnet . Es wurde lediglich betont, dass aktuell keine Notwendigkeit gesehen wird, an den schulrechtlichen Vorgaben für den Schulversuch PRIMUS Veränderungen vorzunehmen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7672 3 2. Aus welchen Gründen nutzt die Landesregierung nicht das 15. Schulrechtsänderungsgesetz , um die Versuchsschulen zur systematischen und kontinuierlichen Erprobung dauerhaft fortzuführen? 3. Welche Perspektiven haben diese Schulen und die Schulträger nach der Vorstellung der Landesregierung? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Gemäß der Übergangsvorschrift zum Schulversuch PRIMUS in § 132b Schulgesetz NRW umfasst der Versuchszeitraum des Schulversuchs PRIMUS zehn Schuljahre bis einschließlich der Schuljahre 2023/2024 bzw. 2024/2025. Die Arbeit der Schulen wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Das Ministerium für Schule und Bildung berichtet dem Landtag darüber bis zum 31. Juli 2021. Die Landesregierung sieht angesichts der Laufzeit des Schulversuchs und der noch ausstehenden wissenschaftlichen Auswertung gegenwärtig keine Veranlassung, bereits jetzt über Anschlussmaßnahmen zu entscheiden. Gemäß § 25 Schulgesetz NRW dienen Schulversuche dazu, das Schulwesen weiterzuentwickeln . Dies bedeutet, dass die Erprobung mit Perspektive auf eine mögliche Übertragbarkeit auf das gesamte Schulwesen erfolgen muss. Hierbei sind vielfältige Aspekte wie die wissenschaftliche Begleitung oder auch die ressourcenbezogene Übertragbarkeit zu berücksichtigen. Mit dem Schulversuch PRIMUS wird erprobt, ob durch den Zusammenschluss mit einer Grundschule die Chancengerechtigkeit und die Leistungsfähigkeit des Schulwesens erhöht werden und die Schülerinnen und Schüler dadurch zu besseren Abschlüssen geführt werden können. Zur Gewinnung aussagekräftiger Ergebnisse wurde von der damaligen Landesregierung mit zehn Jahren bewusst ein vergleichsweise langer Versuchszeitraum festgelegt. Es stünde im Widerspruch zu dem Sinn und Zweck des Schulversuchs und zu seriösem Regierungshandeln , die Erprobungszeit zu verkürzen. 4. Wie will die Landesregierung dem Vorwurf begegnen, dass die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Begleitung offensichtlich unerwünscht sind, wenn sie der ideologischen Grundhaltung der Regierung widersprechen? Die Landesregierung ist selbstverständlich an den Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitforschung interessiert. Auch hat die Landesregierung dem Landtag am 02. Juli 2018 den Zwischenbericht übersandt. Das Ministerium für Schule und Bildung wird dem Landtag hierzu bis spätestens 31. Juli 2021 abschließend berichten. 5. Welche Eindrücke und Erkenntnisse hat die Schulministerin beim Besuch welcher Primus-Schule gewonnen? Ich habe am 7.2.2019 die PRIMUS Schule in Titz besucht. Hierbei habe ich im Rahmen der vor Ort geführten Gespräche den Eindruck von einer sehr engagiert arbeitenden Schule gewonnen .