LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7700 29.10.2019 Datum des Originals: 29.10.2019/Ausgegeben: 05.11.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3026 vom 2. Oktober 2019 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/7588 Was tut die Landesregierung gegen Überlastung und Überforderung bei Bäuerinnen und Bauern? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Zunahme psychischer und körperlicher Erschöpfung durch Dauerstress ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Auch immer mehr Landwirte in Deutschland leiden aufgrund von hoher Arbeitsbelastung, wirtschaftlichem Druck, sinkenden Preisen oder fehlender Wertschätzung unter psychischen Erkrankungen. Der Alltag fordert von Landwirtinnen und Landwirten viel Energie und Verantwortung zur Leitung des eigenen Betriebs. Nicht selten müssen schwerwiegende Entscheidungen über umfangreiche Investitionen getroffen werden, die bei ausbleibenden Erfolgen den psychischen Druck auf Betriebsleiterinnen und -leiter zusätzlich erhöhen. Viele Landwirtinnen und Landwirte kennen keine festen Arbeitszeiten, sie wohnen oftmals direkt am Arbeitsplatz, sind dadurch permanent verfügbar und in Gedanken fast zwangsläufig immer bei ihrem Betrieb. Neben dem seit Jahren wirtschaftlich stärkerem Druck ist die industrielle Landwirtschaft auch immer häufiger Kritik ausgesetzt, was zusätzlich zum Stressempfinden beiträgt. Verstetigt sich dieser Dauerstress, kann dies der Einstieg in eine Burnout-Erkrankung sein. Kommt der- oder denjenigen nicht rechtzeitig Hilfe zu, kann diese bis zum Suizid führen. Zahlen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung SVLFG zeigen, dass der Anteil der Versicherten, die aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Erwerbsminderungsrente beziehen, in den letzten Jahren von 17 % (2013) auf 21 % (2017) angestiegen ist. Als Reaktion auf diverse Berichte über psychische Erkrankungen in der Landwirtschaft, hat das Landwirtschaftsministerium Schleswig-Holsteins bereits 2016 eine Zielvereinbarung mit einem breiten Bündnis von Akteuren geschlossen, um niedrigschwellige Beratungsangebote auszubauen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7700 2 Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 3026 mit Schreiben vom 29. Oktober 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1. Welche Erkenntnisse sind der Landesregierung über die langfristige Entwicklung von an Burnout erkrankten Landwirtinnen und Landwirten in NRW bekannt? Zur langfristigen Entwicklung von Burnout-Erkrankungen liegen lediglich nachfolgende Informationen vor: Die folgende Statistik zeigt die bundesweite Entwicklung von Erwerbsminderungsrenten aufgrund psychischer Belastungen, allerdings für die gesamte SVLFG (Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau). Spezielle Zahlen zu Nordrhein-Westfalen liegen nicht vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7700 3 2. Welche Erkenntnisse sind der Landesregierung hinsichtlich einer Suizidrate aufgrund psychischer Erkrankungen in der Landwirtschaft in NRW bekannt? Der Landesregierung liegen hierzu keine Daten vor. 3. Welche Hilfsangebote werden psychisch erkrankten Landwirtinnen und Landwirten in NRW – beispielsweise über die Landwirtschaftskammer – angeboten? Grundsätzlich stehen psychisch erkrankten Landwirtinnen und Landwirten - so wie allen psychisch erkrankten Menschen - Angebote des Regelsystems zur gesundheitlichen Versorgung bei psychischen Erkrankungen zur Verfügung. Die Landesregierung hat erkannt, dass der zunehmende Druck auf die Landwirtinnen und Landwirte – bedingt durch akute, aber auch langfristige Probleme (Klimaveränderung/Dürre, Afrikanische Schweinepest, Marktrisiken etc.) verstärkt zu physischen und psychischen Belastungen der landwirtschaftlichen Familien führt und daher in 2019 erstmals Haushaltsmittel für das Projekt „Familienpolitische und telefonische Beratung als Folge des Strukturwandels in der Landwirtschaft“ (Sorgentelefon) bereitgestellt. Diese Mittel werden auf drei Institutionen aufgeteilt; das Landfrauentelefon NRW e.V., die Ländliche Familienberatung Hardehausen im Erzbistum Paderborn e.V. sowie die Ländliche Familienberatung im Bistum Münster e.V.. Deren Aufgabe ist es, landesweit hilfesuchende Familien zu unterstützen und zu begleiten, damit diese mit ihren Sorgen nicht alleine gelassen werden. Durch die Arbeit des Sorgentelefons eröffnen sich für die Familien neue Perspektiven. Dabei arbeiten die drei Einrichtungen eng zusammen. Die landwirtschaftlichen Familienberatungen Münster und Paderborn besuchen und arbeiten mit den landwirtschaftlichen Familien vor Ort, das Landfrauentelefon NRW begleitet einzelne Personen am Telefon. Die hohe Qualität und die Spezialisierung auf die Beratung landwirtschaftlicher Familien zeichnen das Angebot aus. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, Kurse gemäß der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zu berufsbezogenen Informations- und Weiterbildungsmaßnahmen in der Landwirtschaft zu besuchen. Beispielsweise wurden in den letzten beiden Jahren vom Kuratorium für Betriebshilfsdienste und Maschinenringe in Westfalen-Lippe e.V. (BDH-MR) die Kurse „Supervision für Landfrauenvertreterinnen/Burnout-Prophylaxe“ und „Kommunikation und Stressbewältigung“ sowie von der Landwirtschaftskammer die Schulung „Stresssituationen meistern – Resilienz“ angeboten. Die Landwirtschaftskammer (LWK) hält keine speziellen Hilfsangebote für psychisch erkrankte Landwirtinnen und Landwirte vor. Im Rahmen der Beratung bietet sie den Landwirtinnen und Landwirten vielfältige Unterstützung an, auch mit dem Ziel, die Belastung in den Betrieben arbeitswirtschaftlich, finanziell oder auch familiär zu begrenzen bzw. zu bewältigen. Dieses Angebot wird ebenfalls durch das Land finanziell gefördert. Zu erwähnen ist bei der Landwirtschaftskammer die Landesinitiative 90-20-07 „Erhaltung existenzgefährdeter Betriebe“, die in folgenden Bereichen berät: 1) Beratung von Unternehmen ohne ausreichendes Einkommen, 2) Beratung von Unternehmen mit finanziellen Problemen, 3) Beratung von Unternehmen ohne Hofnachfolger und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7700 4 4) Sensibilisierung von Unternehmen. Letztlich bietet die SVLFG im Rahmen ihrer Kampage „Mit uns im Gleichgewicht“ eine Vielzahl von präventiven Angeboten zur seelischen Gesundheit an, von der auch die Versicherungsnehmer in NRW profitieren können. Als Beispiele sind hier ein Stressmanagementseminar, ein Betriebsübergabeseminar, eine Trainings- und Erholungswoche für pflegende Angehörige, eine rund um die Uhr erreichbare Krisenhotline sowie ein Online-Selbsthilfetool unter Begleitung von Psychologen zu nennen. 4. Welche Erfahrungen sind der Landesregierung aus dem in 2016 gestarteten Projekt aus Schleswig-Holstein bekannt? Die nordrhein-westfälische Landesregierung steht mit der Landesregierung in Kiel in ständigem fachlichen Austausch und beobachtet das Projekt „Landwirte in Not“ mit Interesse. Ob sich aus dem Projekt Erkenntnisse für Nordrhein-Westfalen ableiten lassen, muss noch genauer untersucht werden. 5. Gibt es Bestrebungen der Landesregierung, ähnlich wie in Schleswig-Holstein, den Aufbau einer niedrigschwelligen Beratungsstruktur für von Burnout betroffene Landwirtinnen und Landwirte zu fördern? Das Beratungsangebot in Schleswig-Holstein umfasst als wesentliche Punkte die sozioökonomische Beratung der LWK, die einzelbetriebliche Beratung, die Beratung der SVLFG sowie das Sorgentelefon. Genau diese Elemente werden in Nordrhein-Westfalen bereits angeboten. Bezüglich der Details darf ich auf die Antwort zu der Frage 3 verweisen.