LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7767 05.11.2019 Datum des Originals: 05.11.2019/Ausgegeben: 11.11.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3029 vom 8. Oktober 2019 der Abgeordneten Verena Schäffer, Berivan Aymaz, Johannes Remmel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/7592 Vorwürfe gegen FRONTEX zur Duldung von Menschenrechtsverletzungen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) wird nach Recherchen des ARD-Magazins „Report München“, der britischen Zeitung „The Guardian“ und dem Essener Recherchezentrum „Correctiv“, unter Berufung auf interne Dokumente vorgeworfen, in Bulgarien, Griechenland und Ungarn Menschenrechtsverletzungen geduldet zu haben. So sollen sich durch einzelstaatliche Grenzbeamte Misshandlungen von Flüchtlingen, etwa in Form von „Hetzjagden mit Hunden“ und „Attacken mit Pfefferspray“1 zugetragen haben, über die FRONTEX-Personal hinweggesehen haben soll. Darüber hinaus sollen durch FRONTEX-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter selbst unzulässige Abschiebungen unbegleiteter Minderjähriger erfolgt und Migrantinnen und Migranten auf Abschiebungsflügen mit Medikamenten ruhig gestellt worden sein. Auch sogenannte „Push-backs“, die Asylsuchende daran hindern, Asyl zu beantragen, seien von FRONTEX geduldet worden2. Aus einem Bericht des Innenministers Reul auf eine Berichtsanfrage vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Innenausschuss geht hervor, dass aktuell auch Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte aus Nordrhein-Westfalen in den genannten Ländern an Auslandsmissionen teilnehmen (Bericht vom 13. Mai 2019 – Vorlage 17/2062). Indes stritt die in Warschau stationierte EU-Grenzschutzagentur Menschrechtsverletzungen ab, wies jedoch gleichzeitig darauf hin, keine Befugnis zu haben, entsprechende Ermittlungen in EU-Mitgliedstaaten durchzuführen. 1 https://www.faz.net/aktuell/politik/menschenrechtsverletzung-frontex-weist-vorwuerfe-zurueck- 16319656.html (01.10.2019). 2 https://www.tagesschau.de/ausland/frontex-eu-grenzen-101.html (01.10.2019). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7767 2 Unterdessen versprach die EU-Kommission eine rasche Aufklärung der Vorwürfe, da „[j]ede Form von Gewalt an oder Missbrauch von Migranten und Flüchtlingen […] inakzeptabel“ sei3. Auch das Bundesinnenministerium kündigte eine Einzelfallprüfung an (ebd.). Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3029 mit Schreiben vom 5. November 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. 1. Seit wann sind der Landesregierung die Vorwürfe bekannt, wonach Menschenrechtsverletzungen bei Einsätzen von FRONTEX mindestens geduldet wurden? Der Landesregierung, insbesondere dem Ministerium des Innern des Landes Nordrhein- Westfalen (IM NRW) sowie der Fachdienststelle für Auslandsverwendungen beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP NRW) sind bislang keine Menschenrechtsverletzungen oder derartige Duldungen von Beamtinnen und Beamten oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in von FRONTEX koordinierten Einsätzen bekannt geworden. 2. Liegen Hinweise aus den Reihen der entsandten Polizeibeamtinnen und -beamten NRWs bezüglich der vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen vor? Der Landesregierung liegen keine Hinweise dieser Art vor. 3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung in Bezug auf die Entsendung von Polizeibeamtinnen und -beamten zu Grenzschutzeinsätzen von FRONTEX, falls sich die Vorwürfe erhärten? Die Landesregierung wird auch weiterhin nordrhein-westfälische Polizeibeamtinnen und - beamte in von FRONTEX koordinierte Einsätze entsenden. Die dort eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten haben aufgrund der im Vergleich zu anderen Ländern umfassenden Aus- und Fortbildung eine Vorbildfunktion gegenüber den nationalen Grenzschutzbeamtinnen und -beamten und anderen FRONTEX-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Weiterhin sind nordrhein-westfälische Polizeibeamtinnen und -beamte potenzielle Melder von möglichen (Menschenrechts-) Verstößen, sodass sie hiermit auch eine abschreckende Wirkung auf menschenrechtsverletzendes Verhalten erzielen können. 4. Inwieweit trägt die Landesregierung zur Untersuchung und Klärung der Vorwürfe bei? Wie in der Antwort auf Frage 2 dargelegt, liegen der Landesregierung keine Hinweise auf menschenrechtsverletzendes Verhalten im Rahmen der von FRONTEX koordinierten Einsätze vor. Das Thema „Umgang mit Verstößen in Missionen“ wird mit den in Vorbereitung zu einem FRONTEX koordinierten Einsatz befindlichen Polizeibeamtinnen und -beamten thematisiert. 3 https://www.tagesschau.de/ausland/frontex-eu-grenzen-101.html (01.10.2019). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7767 3 Sie werden insbesondere im Hinblick auf menschenrechtsverletzendes Verhalten sensibilisiert. Soweit Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen bekannt werden, wird diesen im Rahmen der rechtlichen Vorgaben nachgegangen. Weiterhin werden diese dem FRONTEX Headquarter in Warschau gemeldet. 5. Gibt es Strukturen, an die sich Polizistinnen und Polizisten in NRW wenden können, wenn sie Menschenrechtsverstöße im Rahmen von FRONTEX-Einsätzen beobachten? Für die in Auslandsmissionen eingesetzten nordrhein-westfälischen Polizeibeamtinnen und - beamten, die mit Menschenrechtsverletzungen in Missionen konfrontiert werden, steht zur Meldung solcher Ereignisse während des Einsatzes die regelmäßige Betreuungskomponente des LAFP NRW jederzeit zur Verfügung. Im Anschluss an jede Auslandsmission ist die verpflichtende Teilnahme an einem Nachbereitungsseminar vorgesehen. Im Rahmen dieser Seminare werden die Erfahrungen der Teilnehmenden aus den Missionsgebieten aufgearbeitet, sodass Hinweise auf menschenrechtswidriges Verhalten erkannt werden würden. Grundsätzlich stehen für Meldungen über menschenrechtswidriges Verhalten sowohl unmittelbare als auch mittelbare Vorgesetzte, bis zu meiner Person, zur Verfügung. Zusätzlich ist der Polizeibeauftragte ein vertrauensvoller Ansprechpartner für derartige Meldungen.