LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7769 06.11.2019 Datum des Originals: 06.11.2019/Ausgegeben: 12.11.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3042 vom 11. Oktober 2019 der Abgeordneten Wolfgang Jörg und Hubertus Kramer SPD Drucksache 17/7636 Schulverweigerer nicht ignorieren Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Dieses Jahr feiert die Schulpflicht in Deutschland 100-jähriges Jubiläum. Die Pflicht bedeutet aber nicht, dass auch jedes Kind die Schule besucht. Schulverweigerung ist noch immer ein zentrales Problem in unserem Bildungsbereich. Es ist die Aufgabe der Politik die schulabsenten Schülerinnen und Schüler wieder in das System zu integrieren. Schulabsentismus muss bekämpft werden. Es müssen mehr Schulsozialarbeiter und Berater eingestellt und Therapieplätze geschaffen werden, damit die Schülerinnen und Schüler schnell aufgefangen werden und professionell betreut werden können. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 3042 mit Schreiben vom 6. November 2019 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Schulabsentismus ist ein ernst zu nehmendes Problem, von dem sowohl Schülerinnen als auch Schüler in gleichem Maße betroffen sein können. Es gibt unterschiedliche Formen von Schulabsentismus. Die Ursachen von Schulpflichtverletzungen liegen häufig im sozialen Umfeld der Schülerin oder des Schülers innerhalb oder außerhalb von Schule. Die Schule soll daher versuchen, durch eine umfassende Beratung den Sinn und Zweck der Schulpflicht verständlich zu machen und so eine Verhaltensänderung herbei zu führen. Die Schule soll in diesen Fällen möglichst frühzeitig das Jugendamt und die Schulpsychologie beteiligen, damit – falls erforderlich – geeignete Angebote der Jugendhilfe und der sozialen Dienste gemacht werden können. Die schulpsychologischen Dienste in den Kreisen und kreisfreien Städten bieten ebenfalls landesweit umfassende Beratung und Unterstützung an. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7769 2 1. Wie viele Schulverweigerer gab es zwischen den Schuljahren 2013/14 und 2018/19 in den Städten Hagen, Dortmund und im Ennepe-Ruhr-Kreis? Bitte die Zahlen nach Schuljahr gelistet. 2. Wann werden Schülerinnen und Schüler als Schulverweigerer registriert? Fragen 1 und 2 werden aufgrund des engen Zusammenhangs zusammen beantwortet. Das nordrhein-westfälische Schulrecht kennt den Begriff „Schulverweigerer“ nicht. Infolge dessen gibt es hierzu keine Statistiken. In der praktischen Umsetzung wäre dies auch kaum möglich, denn Schulabsentismus kann in unterschiedlichsten Formen aufgrund unterschiedlichster Auslöser und Ursachen auftreten, ein gemeinsames Erscheinungsbild mit klar definierbaren Kriterien ist daher kaum zu erfassen. Die Frage wird daher dahingehend verstanden, dass nach der Anzahl der Bußgeldverfahren aufgrund von Schulpflichtverletzungen gefragt wird. Siehe hierzu Anlage 1. Zahlen gibt es ausschließlich in Bezug auf die von den staatlichen Schulämtern (Grundschule, Hauptschule) und der Bezirksregierung (Förderschulen, Realschulen, Sekundarschulen, Gesamtschulen, Gymnasien, Berufskollegs) durchgeführten Bußgeldverfahren. Diese Zahlen bilden die tatsächliche Lage vor Ort allerdings nicht repräsentativ ab. Dies liegt zum einen darin begründet, dass nicht in jedem Fall Bußgelder erhoben werden, weil z.B. anderweitige Interventionen erfolgreich waren. 3. Was plant die Landesregierung, um das Problem des Schulabsentismus zu bekämpfen? Das Ministerium für Schule und Bildung ist sich schon lange der besonderen Dringlichkeit des Phänomens Schulabsentismus bewusst. Allen Schulen in Nordrhein-Westfalen stehen daher schon jetzt in Krisensituationen bewährte Strukturen sowie ein breit aufgestelltes Unterstützungssystem zur Seite, das zu großen Teilen aus der Schulpsychologie heraus aufgebaut wird. So verfügt jede Schule über den „Notfallordner für die Schulen in Nordrhein-Westfalen – Hinsehen und Handeln“. Er enthält konkrete Empfehlungen für potentielle Handlungsschritte und Maßnahmen in unterschiedlichen Krisensituationen in Schulen, darunter z.B. auch Empfehlungen, was Schulen tun sollten, wenn Schülerinnen und Schüler dem Unterricht fernbleiben oder sich mehr und mehr zurückziehen. Die Inhalte des Notfallordners werden jährlich in Lehrerkonferenzen thematisiert, damit Schulen Handlungsmöglichkeiten erhalten. Um diese im Falle von Schulabsentismus noch zu erweitern, gibt es über den Notfallordner hinaus auch von Schulpsychologen explizit für Schulen und Lehrkräfte erstellte Praxisleitfäden und Handlungshilfen, die durch konkrete Informationen und Materialien Schulen sowohl bei der Prävention von Schulabsentismus unterstützen, als auch Lehrkräften Hilfen an die Hand geben, in akuten Fällen sinnvoll agieren zu können. Ein Beispiel dazu findet sich unter: https://www.bezreg-arnsberg.nrw.de/themen/s/schulabsentismus/lehrerkompetenz_schulabsentismus .pdf. Über die Unterstützung durch diese frei zugänglichen Konzepte hinaus sind alle Schulen in NRW durch das Ministerium für Schule und Bildung dringend aufgerufen, sogenannte „Schulteams für Beratung, Gewaltprävention und Krisenintervention“ einzurichten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7769 3 Die Mitglieder dieser Teams werden durch die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen der regionalen Schulberatungsstellen in mehreren Modulen geschult, um zum einen gezielt präventiv tätig sein zu können. Zum anderen aber auch, um in akuten Situationen gemeinsam mit der Schulleitung planvoll agieren zu können. In fast allen Schulen der Sekundarstufe I und II gibt es mindestens eine speziell ausgebildete Beratungslehrkraft. Sie berät und vermittelt bei Bedarf professionelle Hilfe von außen. Beratungslehrkräfte arbeiten daher mehr als bisher als Lotsinnen und Lotsen. Sie haben eine zentrale Vermittlungsrolle in den Schulen. In der Beratungslehrerausbildung werden der Umgang mit Schulabsentismus in Schule, die Beratung von betroffenen Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie die Wiedereingliederung von ehemals absenten Schülerinnen und Schülern explizit behandelt. Schulen können sich diesbezüglich an die für sie zuständige Schulpsychologische Beratungseinrichtung wenden (www.schulpsychologie.nrw.de). Auch unabhängig von den beschriebenen Kursstrukturen können alle Schulen in NRW bei der für sie zuständigen Schulpsychologischen Beratungsstelle kollegiumsweite Fortbildungen zum Thema „Handlungsfelder bei Schulabsentismus“ erfragen und kostenlos in Anspruch nehmen. Zusätzlich gibt es für akute Situationen immer die Möglichkeit, die lokal zuständige Schulpsychologie direkt hinzu zu ziehen. Die für diese Zwecke speziell geschulten Schulpsychologinnen und Schulpsychologen beraten Schulleitung oder auch einzelne Lehrkräfte kurzfristig über das Telefon oder auch unmittelbar vor Ort und unterstützen bei der Bewältigung von akuten Fällen. Das schulpsychologische Beratungsangebot gilt selbstverständlich auch für selbst betroffene Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern und Bezugspersonen. Jede Kommune in NRW verfügt über eine zentrale schulpsychologische Beratungsstelle, die für Lehrkräfte, Schulpersonal, Eltern und Schüler niedrigschwellige und kostenlose Beratungen anbietet. Um diese bereits bestehenden Strukturen und Angebote zu stärken und ihre Verfügbarkeit noch mehr Schulen und Familien zugänglich zu machen, hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren diverse Schritte eingeleitet. a) Einrichtung der Landessstelle Schulpsychologie und schulpsychologisches Krisenmanagement (LaSP) im Jahre 2017 Eine Hauptaufgabe der LaSP besteht in der Qualitätssicherung und –entwicklung der Schulpsychologie und des schulpsychologischen Krisenmanagements in Nordrhein- Westfalen. So werden z.B. die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen im Land speziell im Bereich Krisenmanagement qualifiziert. Ebenso unterstützt die LaSP auf Wunsch auch die lokalen Schulberatungsstellen bei der Ausbildung der schulischen Teams für Beratung, Gewaltprävention und Krisenintervention. Die Beratungsstellen vor Ort und dies übergreifend agierende Landesstelle arbeiten auf diese Weise Hand in Hand. Basis dieses Unterstützungssystems in Nordrhein-Westfalen ist eine Kooperationsvereinbarung zwischen allen kommunalen Spitzenverbänden, der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen sowie dem Ministerium für Schule und Bildung. b) Stärkung der schulpsychologischen Stellen vor Ort und in den Bezirksregierungen Schulpsychologinnen und Schulpsychologen unterstützen die schulischen Teams vor Ort bei der Auseinandersetzung mit der Thematik. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7769 4 Um diese Form der Unterstützung zu erhöhen, wurden in den Haushalt 2020 50 neue Stellen für den Schulpsychologischen Dienst eingeplant. 50 weitere Stellen sind für den Haushalt 2021 geplant. 4. Wie viele der absenten Schülerinnen und Schüler befinden sich in einer therapeutischen Maßnahme? Dies wird aus den oben genannten Gründen sowie aufgrund von Datenschutzbestimmungen nicht erfasst. 5. Wie viele absente Schülerinnen und Schüler konnten wieder erfolgreich integriert werden? Hierzu existieren aufgrund der oben geschilderten Komplexität der Ursachen und Auftretensformen keine Daten. Anlage 1 zur Kleinen Anfrage 3042 Grund-, Haupt- und Förderschulen (außer Hören und Kommunikation bzw. Sehen): Jahr Bußgeldverfahren des Schulamtes für die Stadt Dortmund (in Schuljahren erfasst) Bußgeldverfahren des Schulamtes für die Stadt Hagen Bußgeldverfahren des Schulamtes für den Ennepe- Ruhr-Kreis 2013 321 60 54 2014 363 80 100 2015 589 89 98 2016 391 172 99 2017 619 310 56 2018 956 (Schuljahr 2018/19) 314 57 2019 266 Gesamt-, Sekundar-, Realschulen, Gymnasien, Berufskollegs, Schulen für Kranke sowie Förderschulen für Hören und Kommunikation bzw. Sehen: Bußgeldverfahren Bezirksregierung Arnsberg Jahr Hagen Dortmund ERK 2013 61 206 119 2014 38 401 119 2015 64 479 92 2016 149 520 132 2017 245 468 152 2018 249 488 176 Bisher 2019 194 324 115