LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7777 06.11.2019 Datum des Originals: 06.11.2019/Ausgegeben: 12.11.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3036 vom 9. Oktober 2019 des Abgeordneten Hartmut Ganzke SPD Drucksache 17/7619 Wann setzt die Landesregierung das Bundesemmissionsschutzgesetz und die EG- Richtlinie 2002/49/EG auf der Iserlohner Straße in Unna endlich um? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Iserlohner Straße ist eine Hauptverkehrsstraße innerhalb der Innenstadt von Unna. Sie ist im Straßenabschnitt zwischen der Bundesstraße 1 und dem Innenstadtring durch ebenso erheblichen wie emissionsstarken Straßenverkehr deutlich belastet. Die Straße ist zwar kein Unfallschwerpunkt, trotzdem empfiehlt die örtliche Polizeibehörde die Einrichtung einer dauerhaften Geschwindigkeitsreduzierung. Straßenbaulastträger ist „Straßen NRW“. Auf der Straße gilt zurzeit eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h. Die Kreisstadt hat im Rahmen der Lärmaktionsplanung (LAP) nach Bundesimmissionsschutzgesetz und EG- Richtlinie 2002/49/EG in der 2. Stufe die notwendigen Untersuchungen durchgeführt und unter anderem für die „Iserlohner Straße“ geschwindigkeitsreduzierende Maßnahmen zur Lärmbekämpfung in Form von „Tempo 30“ festgesetzt. Bisher hat die zuständige Behörde (Straßen.NRW) die Geschwindigkeitsreduzierung mit Hinweis auf einen Vorrang für den fließenden Verkehr abgelehnt. Die Kreisstadt Unna hat weiterhin eine Anregung des Ernst-Barlach-Gymnasiums als Anlieger der „Iserlohner Straße“ aufgenommen, zur verbesserten Verkehrssicherheit „Tempo 30“ auf der „Iserlohner Straße“ festzusetzen. Von der Schule wechselt regelmäßig werktäglich eine erhebliche Zahl von Schülern auf die westliche Seite der „Iserlohner Straße.“ Der Rat der Kreisstadt hat dem Antrag von Schule und SPD-Fraktion grundsätzlich zugestimmt und über die Verwaltung eine Prüfung und Abstimmung mit dem Straßenbaulastträger eingeleitet. Mit Vorlage der Drucksache 1444/19/1 wird nunmehr die Ablehnung des Antrages empfohlen. Unter anderem heißt es: „Straßen NRW als Straßenbaulastträger hat aufgrund einer Anhörung mit Schreiben vom 12.03.2019 die Reduzierung auf 30 km/h abgelehnt. Eine Landesstraße hat die gesetzliche Aufgabe, regionale Verkehre leistungsfähig im vorhandenen Straßennetz zu führen; bei Tempo 30 km/h ist dieses nur bedingt möglich. Die Voraussetzungen der Straßenverkehrsordnung zur Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h liegen, wie ausgeführt, nicht vor“. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7777 2 Die Argumentation von „Straßen NRW“ ist nur sehr eingeschränkt nachvollziehbar. Es liegen zwei erhebliche Argumente der Kreisstadt für die Einrichtung von „Tempo 30“ auf der „Iserlohner Straße“ vor: 1. Die LAP ist aufgrund der rechtlich klaren Vorgaben von EU-Richtlinie 2002/49/EG und Bundesimmissionschutzgesetz durchgeführt worden. Demnach sind die Gemeinden gesetzlich verpflichtet, schallschutztechnische Maßnahmen verbindlich festzulegen. Hierzu gehört die Festsetzung von „Tempo 30“ auf den betroffenen Straßenabschnitten. 2. Für die relativ kurze „Iserlohner Straße“ sind keine Beeinträchtigungen des Verkehrsflusses zu befürchten, da sich ein Verkehrsstau in der Regel erst an der Einfahrt zum „Ostring“ einstellt. „Tempo 30“ würde die Verkehrssicherheit erhöhen. Und zwar ohne Nebenwirkungen. Die Ablehnungsgründe von Straßen.NRW sind somit rein vorschriftenorientiert und wurden nicht praxisorientiert untersucht. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 3036 mit Schreiben vom 6. November 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Verkehr beantwortet. Vorbemerkungen der Landesregierung Die Anforderungen an die Lärmminderungsplanung (Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung) sind in den Paragraphen 47 a-f Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) geregelt. Zuständig für die Aufgaben der Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung in Nordrhein- Westfalen sind die Städte und Gemeinden. Die Lärmkarten der 2. Runde wurden entsprechend der Anforderungen der Verordnung über die Lärmkartierung (34. BImSchV) mittels der Vorläufigen Berechnungsvorschriften für den Umgebungslärm berechnet. Basierend auf den Ergebnissen der Lärmkarten sind für Bereiche mit Lärmproblemen und Lärmauswirkungen Lärmaktionspläne zu erstellen. Der gemeinsame Runderlass Lärmaktionsplanung (RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - V-5 - 8820.4.1 v. 7.2.2008) enthält weitere Regelungen, um eine einheitliche Auslegung und Durchführung der Lärmaktionsplanung sicherzustellen. Die Städte legen in den Aktionsplänen Maßnahmen fest und setzen Prioritäten für deren Realisierung. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften (z.B. Lärmschutzrichtlinien-StV) sowie im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. 1. Liegt aus Sicht der Landesregierung ein Rechtsverstoß vor, wenn eine Landesbehörde die Umsetzung des städtischen Lärmaktionsplanes (Beispiel „Iserlohner Straße“ in Unna) mit der Festsetzung von „Tempo 30“ auf Hauptverkehrsstraßen verhindert? Ein Rechtsverstoß liegt vor, wenn die Straßenverkehrsbehörde die in einem rechtmäßig aufgestellten Lärmaktionsplan festgelegten straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen, nicht umsetzt. Zur rechtmäßigen Aufstellung gehört bei straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen, wie zum Beispiel einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30, zwingend eine Beteiligung der Straßenverkehrsbehörde als Träger öffentlicher Belange. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7777 3 Gemäß dem o.g. Runderlass Lärmaktionsplanung aus 2008 sind straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen nur nach Einvernehmen mit den für deren Umsetzung zuständigen Behörden in einen Lärmaktionsplan aufzunehmen. Ein Über-/Unterordnungsverhältnis lässt sich nach Auffassung der Landesregierung aus den bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht ableiten. Soweit einvernehmliche Festlegungen der Verkehrs- und Umweltbehörden nicht erreichbar sind, sind Konflikte durch die jeweilige Fachaufsicht zu lösen. Auf Bundesebene diskutiert aktuell die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) die Bindungswirkung von Maßnahmen aus einem aufgestellten Lärmaktionsplan. 2. Ist eine Übertragung der Zuständigkeit für die „Iserlohner Straße“ zwischen Ostring und Bundesstraße 1 im Rahmen der Straßenverkehrsordnung vom Land NRW auf die Stadt Unna möglich? Als örtlich zuständige Straßenverkehrsbehörde besitzt die Stadt Unna bereits heute die Zuständigkeit für die Anordnung straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen im Zuge der gesamten Iserlohner Straße in ihrem Stadtgebiet. Zudem fungiert die Stadt als zuständiger Straßenbaulastträger für den südlich der B 1 gelegenen Teilabschnitt der Iserlohner Straße (Gemeindestraße). Zuständiger Straßenbaulastträger für den nördlich der B 1 gelegenen Teilabschnitt (Landesstraße) ist der Landesbetrieb Straßenbau NRW. Für diesen Abschnitt ist eine Übertragung der Baulastträgerschaft an die Stadt im Rahmen der Straßenverkehrs- Ordnung (StVO) nicht möglich. 3. Zur Steigerung von Verkehrssicherheit und zur Minderung von Verkehrslärm erproben viele Städte das Konzept „Tempo 30“. Beabsichtigt die Landesregierung künftig eine flexiblere Verfahrensweise ihrer Landesbehörden, beispielsweise über Verkehrsversuche, um mit den Gemeinden einvernehmlich Lösungen für Verkehrsprobleme zu erarbeiten? Die straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen bieten bereits heute umfangreiche Möglichkeiten, auf städtische Verkehrsprobleme angemessen und mit zweckdienlichen Maßnahmen zu reagieren. Hierzu kann auch Tempo 30 gehören, das abseits von Hauptverkehrsstraßen durch die großflächige Anordnung von Tempo 30-Zonen in Wohngebieten bereits die Regel ist. Aber auch im Zuge von Hauptverkehrsstraßen ist die Anordnung von Tempo 30 zulässig, sofern eine besondere Gefahrenlage gemäß § 45 Absatz 9 StVO vorliegt oder wenn die Lärmbeeinträchtigung jenseits dessen liegt, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen werden muss und ein Tempolimit zur dauerhaften Absenkung der Lärmbelastung der Anwohner als geeignete Maßnahme in Betracht kommt. Orientierungshilfe zur Entscheidung über straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz vor Straßenverkehrslärm stellen die „Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm“ (Lärmschutz-Richtlinien-StV) dar. Darüber hinaus ist es möglich, Tempo 30 im Nahbereich sozialer Einrichtungen (Kindertagesstätten, Kindergärten, Schulen, Altenheime, etc.) auch auf Hauptverkehrs- und Vorfahrtstraßen anzuordnen, wenn die jeweilige Einrichtung u. a. über einen direkten Zugang zur betreffenden Straße verfügt. Angesichts dieser Rechtslage sind darüberhinausgehende Maßnahmen nicht erforderlich oder beabsichtigt. 4. Beabsichtigt die Landesregierung künftig eine Vorrangpolitik für Maßnahmen im Rahmen der von Gemeinden beschlossenen Lärmaktionspläne? 5. Wenn ja, wann erfolgen entsprechende Anweisungen an „Straßen.NRW“? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7777 4 Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 4 und 5 gemeinsam beantwortet: Straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen, die in einem rechtmäßig aufgestellten Lärmaktionsplan festgesetzt wurden, sind nach Inkrafttreten des Plans umzusetzen. Hierzu bedarf es keiner Vorrangplanung.