LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7887 18.11.2019 Datum des Originals: 18.11.2019/Ausgegeben: 22.11.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3049 vom 15. Oktober 2019 der Abgeordneten Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/7657 Atomtransporte nach Russland: Wie bewertet die Landesregierung, dass mit der Lieferung von Uran nach Russland die Endlagerung in Deutschland umgangen wird? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Für die Stromerzeugung in Atomkraftwerken wird angereichertes Uran benötigt. Bei dessen Herstellung entsteht abgereichertes Uranhexafluorid („Tails”) als Abfallprodukt. Dies kann wiederum angereichert und so wieder verwertbar gemacht werden, je nach Weltmarktpreisen für Uran und den jeweiligen Strompreisen ist dies in Westeuropa jedoch kaum wirtschaftlich. Das so wieder angereicherte Uranhexaflurorid macht auch nur einen kleinen Teil der ursprünglichen Tail-Masse aus, der Großteil der Tails bleibt am Ende Atommüll. Lieferungen von Tails ins Ausland werden jedoch nicht als Atommülltransport angesehen, obwohl die Restabfallstoffe zum Großteil dort verbleiben. Der Betreiber Urenco der Urananreicherungsanlage Gronau hatte bis 2009 einen Vertrag mit der Firma Tenex, bei dem zwischen 1996 und 2009 27.300 Tonnen Uran nach Russland verbracht wurden. Diese Exporte standen massiv in der Kritik, da die Sicherheitsanforderungen für die Lagerung von Atommüll in Russland deutlich niedriger sind als in Deutschland1. Dies führt zu großen Kostenvorteilen bei der Entsorgung, was einen Export gegenüber einer Zwischen- bzw. Endlagerung in Deutschland wirtschaftlich attraktiv macht. Betriebswirtschaftliche Vorteile dürfen aber keine Begründung für die Auslagerung der langfristigen Risiken der Atomenergie an Orte mit niedrigen Sicherheitsanforderungen sein. URENCO hatte 2009 angegeben die Transporte seien im Sommer 2009 vertragsgemäß ausgelaufen.2 Aufmerksame Bürgerinnen und Bürger haben in den vergangenen Monaten Transporte mit Uranhexafluorid aus der Urananreicherungsanlage Gronau beobachtet, die nach Auskunft des NRW Wirtschaftsministeriums an die GAL Gronau nach Russland gegangen sind. 1 https://www.ausgestrahlt.de/blog/2019/10/08/ist-russland-wieder-unsere-atommuellhalde/ 2 http://www.udo-leuschner.de/energie-chronik/091006.htm LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7887 2 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 3049 mit Schreiben vom 18. November 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Aus welchem Grund wurden Uranlieferungen nach Russland wieder aufgenommen, wo doch eine Wiederanreicherung auch in den firmeneigenen Anlagen von URENCO genauso möglich wäre wie die Dekonversion von Uranhexafluorid in das weniger gefährliche U3O8 am Standort Capenhurst? Laut Aussage der Urenco Deutschland GmbH (UD) als Betreiberin der Urananreicherungsanlage Gronau (UAG) gegenüber der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde (Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie; MWIDE) überprüft die Urenco-Gruppe in regelmäßigen Abständen die Ausnutzung ihrer Trennarbeitskapazitäten, um diese den aktuellen Marktgegebenheiten anzupassen. Hierzu dient auch die weitere Ausnutzung des abgereicherten Urans bei der Joint Stock Company TENEX („TENEX") in Russland. Der Verbleib des (weiter) abgereicherten Materials beim Anreicherer ist dabei eine international übliche und gängige Praxis. Eine Dekonversion von Uranhexafluorid in Uranoxid ist derzeit in der Urencoeigenen Dekonversionsanlage am Standort Capenhurst nach Aussage der Urenco Deutschland GmbH noch nicht möglich. 2. Wie viele Urantransporte sind im Zeitraum von 2009 bis heute zwischen der Urananreicherungsanlage Gronau und Orten in Russland verkehrt? (Bitte um Aufschlüsselung der einzelnen Transporte nach Datum, Material, Menge und genauem Ausgangs- und Zielort sowie Route) Die im genannten Zeitraum erfolgten Lieferungen sind in der als Anlage beigefügten Tabelle wiedergegeben. 3. Wie viele Transporte nach Russland sind auf welchen vertraglichen Grundlagen in den nächsten Jahren geplant? Laut Aussage der Urenco Deutschland GmbH gegenüber der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde (MWIDE) hat die Urenco Enrichment Company Ltd. (UEC) mit ihren europäischen Tochterfirmen Urenco UK (UUK), Urenco NL (UNL) und Urenco Deutschland GmbH (UD) einen Anreicherungsvertrag mit TRADEWILL LIMITED in London, UK, (Vertriebstochter von TENEX für den europäischen Markt) geschlossen. Der Vertrag sehe vor, dass in den Jahren 2019 und 2020 von den drei europäischen Standorten der Urenco rund 6.000 t U (+/- 0,5%) in Form von UF6 zur Wiederanreicherung beigestellt wird. Die Aufteilung der Liefermengen von den drei Standorten solle dabei entsprechend logistischer Gesichtspunkte erfolgen. Auf der Grundlage des Euratom-Vertrags überwacht die ESA (Euratom-Versorgungsagentur) auch Transaktionen im Zusammenhang mit Dienstleistungen im Kernbrennstoffkreislauf (Anreicherung, Umwandlung und Herstellung von Brennelementen). Die Betreiber müssen Mitteilungen mit Einzelheiten zu ihren Verpflichtungen einreichen. Die ESA überprüft und bestätigt diese Benachrichtigungen. Zwischenzeitlich unterrichtete Urenco Deutschland GmbH im August 2019 die atomrechtliche Aufsichtsbehörde (MWIDE), dass bei diesem Vertrag ein Zusatz vereinbart worden ist, der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7887 3 vorsieht, dass weitere rund 6.000 t U (+/- 0,5%) in Form von UF6 zur Wiederanreicherung in den Jahren 2019 bis 2022 von den o.a. drei Standorten bereitgestellt werden sollen. Nach dem Atomgesetz handelt es sich bei dem gelieferten Material um einen sonstigen radioaktiven Stoff und nicht um Kernbrennstoff. Für dessen grenzüberschreitende Verbringung bedarf es nach nationalem Recht keiner Genehmigung; es besteht lediglich eine Anzeigepflicht. Gemäß atomrechtlicher Bestimmungen ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuständige Behörde der Urenco Deutschland GmbH für erforderliche Ausfuhranzeigen (z.B. für sonstige radioaktive Stoffe) und Ausfuhrgenehmigungen (für Kernbrennstoffe). Das BAFA ist dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstellt. Im Falle atomrechtlicher Genehmigungen oder Anzeigen ist das BAFA an die fachlichen Weisungen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gebunden. 4. Wie bewertet die Landesregierung, dass mit der Lieferung von abgereichertem Uranhexafluorid nach Russland deklariert als Wertstoff die Endlagerung für einen Großteil der Mengen in Deutschland umgangen wird? Nach § 9a AtG hat der Betreiber dafür zu sorgen, dass anfallende radioaktive Reststoffe schadlos verwertet oder als radioaktive Abfälle geordnet beseitigt werden. Urenco betrachtet das bei der Urananreicherung entstehende abgereicherte Uran (Tails) als radioaktiven Reststoff (umgangssprachlich Wertstoff). Der Grund liegt daran, dass in Tails noch ein beträchtlicher Anteil des spaltbaren Isotopes U-235 verbleibt, welches abhängig von wirtschaftlichen Faktoren durch eine Weiterabreicherung zur Kernbrennstofferzeugung genutzt werden kann. Auch liegt der Wert des Tails als Uranhexafluorid darin, dass der (sehr aufwändige) Prozess zur Herstellung des Uranhexafluorids aus Urankonzentrat bereits erfolgt ist und das abgereicherte Uranhexafluorid direkt eingespeist werden kann. Ein Umgehen der Endlagerung ist aus Sicht der Landesregierung nicht zu erkennen. 5. Wann wurde die Landesregierung über die Wiederaufnahme der Exporte aus Gronau nach Russland informiert? Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde (MWIDE) wurde Ende Juli 2018 durch die UD hierüber informiert. Anlage 1 zur KA 3049 Drucksache 17/7657 Tabelle '\: Beantwortung der Frage 2 Beschreibung Spalten V: Datum: Vertrag: Beh: Typ: Kat: tU: Von: An: Versender Datum je nach Transportfali Russischer Vertragspartner TENEX Anzahl Behälter Behältertyp Inhalt des Behälters Angabe in t Uranhexafluorid; Abgangsort Empfangsort Anmerkung: Transportroute: Von Gronau nach Amsterdam per Bahn- oder LKW-Transport. Von Amsterdam nach Sankt Petersburg per Schifftransport. Von Sankt Petersburg nach Novouralsk per Bahntransport. Empf./Versender Datum Vertrag Beh Typ Kat tu von an V 27.05.2019 TENEX 48 48"Y Tails 401,69 UD TENEX V 28.05.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,61 UD TENEX V 29.05.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,61 UD TENEX V 17.06.2019 TENEX 48 48"Y Tails 401,26 UD TENEX V 18.06.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,54 UD TENEX V 19.06.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,54 UD TENEX V 08.07.2019 TENEX 48 48"Y Tails 401,62 UD TENEX V 09.07.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,57 UD TENEX V 10.07.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,57 UD TENEX V 29.07.2019 TENEX 48 48"Y Tails 401,51 UD TENEX V 30.07.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,65 UD TENEX V 31.07.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,65 UD TENEX V 19.08.2019 TENEX 48 48"Y Tails 401,15 UD TENEX V 20.08.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,58 UD TENEX V 21.08.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,58 UD TENEX V 09.09.2019 TENEX 48 48"Y Tails 401,94 UD TENEX V 10.09.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,60 UD TENEX V 11.09.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,60 UD TENEX V 07.10.2019 TENEX 48 48"Y Tails 401,64 UD TENEX V 08.10.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,69 UD TENEX V 09.10.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,69 UD TENEX V 28.10.2019 TENEX 48 48"Y Tails 401,25 UD TENEX V 29.10.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,61 UD TENEX V 30.10.2019 TENEX 12 48"Y Tails 98,61 UD TENEX Leere Seite