LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/819 04.10.2017 Datum des Originals: 02.10.2017/Ausgegeben: 09.10.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 210 vom 23. August 2017 des Abgeordneten Marcus Pretzell AfD Drucksache 17/397 Gewalt in Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Unterschiedliche Medienberichte haben in der Vergangenheit über Gewalt zwischen Häftlingen und auch von Gewalt gegen Mitarbeiter in Justizvollzugsanstalten berichtet. Vor kurzem soll es beispielweise zu einer Massenschlägerei zwischen Arabern, Nordafrikanern und Albaner laut Welt Artikel vom 14.08.20171 in der Hamburger Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, im Volksmund Santa FU genannt, gekommen sein. Des Weiteren berichtet der Leiter der JVA Stammheim über den respektlosen Umgang von nordafrikanischen Häftlinge in einem Focus Interview vom 07.02.20172. Augenscheinlich verursachen insbesondere Häftlinge aus dem Ausland bzw. Häftlinge mit Migrationshintergrund disziplinarische Probleme in Justizvollzugsanstalten. Das Focus Interview deutet darüber hinaus darauf hin, dass es ein grundsätzliches Problem mit Häftlingen aus dem nordafrikanischen Raum deutschlandweit gibt. Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 210 mit Schreiben vom 2. Oktober 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet. 1 https://www.welt.de/regionales/hamburg/article167661309/JVA-Beamte-konnten-die-wuetende- Menge-kaum-baendigen.html 2 http://www.focus.de/politik/deutschland/selbstverstuemmelungen-und-drohungen-jva-chef-packt-ausnordafrikanische -gefangene-sind-respektlos-syrer-umgaenglicher_id_6605727.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/819 2 Vorbemerkung der Landesregierung Der Begriff „Massenschlägerei“ ist zu relativieren; es handelte sich nach den Berichten der Leiterinnen und Leiter der Justizvollzugseinrichtungen zwar um körperliche Auseinandersetzungen mit mehreren Beteiligten, diese führten aber durchweg nicht zu schwerwiegenden Verletzungen . Lediglich in einem Fall war eine stationäre Aufnahme in einem Krankenhaus erforderlich . 1. Wie viele Massenschlägereien mit mehr als 3 Teilnehmern gab es in NRW Justizvollzugsanstalten in den letzten zwei Jahren? (Bitte nach JVA und Zeitpunkt der Schlägerei aufschlüsseln) 2. Welchen ethnischen Hintergrund und Aufenthaltsstatus hatten die Täter? (Bitte nach JVA, Zeitpunkt der Schlägerei, Anzahl der Täter und Nationalität aufschlüsseln ) Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Nachfolgende Übersicht verhält sich zu Gefangenen, die an einer körperlichen Auseinandersetzung mit mehr als drei Teilnehmern beteiligt waren. JVA Attendorn Tatzeitpunkt Tatbeteiligte Nationalität 15.01.2016 Tatbeteiligter 1 deutsch Tatbeteiligter 2 deutsch Tatbeteiligter 3 deutsch Tatbeteiligter 4 armenisch Tatbeteiligter 5 georgisch Tatbeteiligter 6 türkisch Tatbeteiligter 7 georgisch Tatbeteiligter 8 georgisch JVA Bochum Tatzeitpunkt Tatbeteiligte Nationalität 09.07.2016 Tatbeteiligter 1 georgisch Tatbeteiligter 2 albanisch Tatbeteiligter 3 georgisch Tatbeteiligter 4 kosovarisch Tatbeteiligter 5 georgisch Tatbeteiligter 6 kosovarisch 13.07.2016 Tatbeteiligter 1 georgisch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/819 3 Tatbeteiligter 2 griechisch Tatbeteiligter 3 georgisch Tatbeteiligter 4 georgisch Tatbeteiligter 5 georgisch Tatbeteiligter 6 georgisch JVA Duisburg-Hamborn Tatzeitpunkt Tatbeteiligte Nationalität 14.08.2016 Tatbeteiligter 1 deutsch Tatbeteiligter 2 deutsch Tatbeteiligter 3 deutsch Tatbeteiligter 4 deutsch JVA Geldern Tatzeitpunkt Tatbeteiligte Nationalität 27.12.2016 Tatbeteiligter 1 türkisch Tatbeteiligter 2 polnisch Tatbeteiligter 3 serbisch Tatbeteiligter 4 kroatisch 25.05.2017 Tatbeteiligter 1 albanisch Tatbeteiligter 2 libanesisch Tatbeteiligter 3 deutsch Tatbeteiligter 4 libanesisch 29.06.2017 Tatbeteiligter 1 deutsch Tatbeteiligter 2 libanesisch Tatbeteiligter 3 libanesisch Tatbeteiligter 4 deutsch JVA Köln Tatzeitpunkt Tatbeteiligte Nationalität 04.03.2016 Tatbeteiligter 1 deutsch Tatbeteiligter 2 montenegrinisch Tatbeteiligter 3 türkisch Tatbeteiligter 4 serbisch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/819 4 04.07.2017 Tatbeteiligter 1 deutsch Tatbeteiligter 2 deutsch Tatbeteiligter 3 deutsch Tatbeteiligter 4 deutsch Tatbeteiligter 5 algerisch Tatbeteiligter 6 marokkanisch JVA Münster Tatzeitpunkt Tatbeteiligte Nationalität 17.05.2016 Tatbeteiligter 1 marokkanisch Tatbeteiligter 2 türkisch Tatbeteiligter 3 marokkanisch Tatbeteiligter 4 marokkanisch Tatbeteiligter 5 deutsch JVA Rheinbach Tatzeitpunkt Tatbeteiligte Nationalität 26.06.2016 Tatbeteiligter 1 russisch Tatbeteiligter 2 litauisch Tatbeteiligter 3 deutsch Tatbeteiligter 4 deutsch Tatbeteiligter 5 kirgisisch Tatbeteiligter 6 georgisch Tatbeteiligter 7 deutsch Tatbeteiligter 8 deutsch Tatbeteiligter 9 lettisch Tatbeteiligter 10 bulgarisch Tatbeteiligter 11 deutsch Tatbeteiligter 12 russisch Tatbeteiligter 13 ukrainisch Tatbeteiligter 14 deutsch Tatbeteiligter 15 deutsch Tatbeteiligter 16 deutsch Tatbeteiligter 17 deutsch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/819 5 JVA Willich I Tatzeitpunkt Tatbeteiligte Nationalität 25.11.2015 Tatbeteiligter 1 albanisch Tatbeteiligter 2 kosovarisch Tatbeteiligter 3 albanisch Tatbeteiligter 4 guineisch JVA Wuppertal-Ronsdorf Tatzeitpunkt Tatbeteiligte Nationalität 30.11.2015 Tatbeteiligter 1 deutsch Tatbeteiligter 2 deutsch Tatbeteiligter 3 bulgarisch Tatbeteiligter 4 deutsch 07.02.2016 Tatbeteiligter 1 albanisch Tatbeteiligter 2 albanisch Tatbeteiligter 3 kosovarisch Tatbeteiligter 4 albanisch 30.01.2017 Tatbeteiligter 1 türkisch Tatbeteiligter 2 deutsch Tatbeteiligter 3 marokkanisch Tatbeteiligter 4 deutsch Der Landesregierung liegen zum aktuellen Aufenthaltsstatus der Teilnehmer keine zuverlässigen Erkenntnisse vor. Eine Klärung war in der Kürze der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 3. Welche Sanktionen wurden gegen die Teilnehmer von Massenschlägereien in Gefängnissen verhängt z. B. Disziplinarmaßnahmen durch die Gefängnisleitung oder strafrechtliche Schritte? In allen Fällen wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Insgesamt waren an den körperlichen Auseinandersetzungen 84 Personen beteiligt. Bei sieben der Beteiligten handelte es sich um Tatopfer. Gegen 77 Personen wurden wegen Verdachts einer Straftat Ermittlungen aufgenommen. In 26 Fällen wurde das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt, weil kein hinreichender Tatverdacht bestand oder Verfahrensvoraussetzungen fehlten. In 12 Fällen wurde das Verfahren vorläufig eingestellt, weil die Straferwartung gegenüber anderen, teils langjährigen Haftstrafen nicht beträchtlich ins Gewicht fiel. In 14 Fällen wurde Anklage erhoben. Ein Angeklagter wurde freigesprochen, ein Angeklagter wurde vor dem Prozess abgeschoben, zwei Verfahren wurden wegen Geringfügigkeit eingestellt , nachdem der Geschädigte infolge Abschiebung nicht mehr als Zeuge zur Verfügung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/819 6 stand. In zehn Fällen steht die Verhandlung noch aus. Ein Tatverdächtiger ist unbekannten Aufenthalts. In 24 Fällen dauern die Ermittlungen an. Durch die Leiterinnen und Leiter der Justizvollzugseinrichtungen wurden Disziplinarmaßnahmen vom Verweis bis hin zum Arrest verhängt. 4. Wie viele Teilnehmer von Massenschlägereien wurden durch die Landesregierung nach der Verbüßung ihrer Haftstrafen von der Landesregierung abgeschoben? 5. Wie genau erfolgen diese Abschiebungen z. B. direkt aus dem Gefängnis, erst nach einem gewissen Aufenthalt in Freiheit in Deutschland nach Verbüßung der Haftstrafe oder auf sonstigem Wege? (Bitte nach JVA und Zeitpunkt der Schlägerei aufschlüsseln) Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Straftäterinnen und Straftäter werden in der von der Bundespolizei geführten Statistik im Rahmen von Abschiebungen nicht gesondert erfasst. Angaben können daher nur zu Gefangenen gemacht werden, die unmittelbar aus der Haft heraus abgeschoben worden sind. Entsprechende Abschiebungen erfolgten in sechs Fällen. Lfd. Nr. Justizvollzugsanstalt Tatbeteiligter Tatzeitpunkt 1 Bochum Tatbeteiligter 2 09.07.2016 2 Bochum Tatbeteiligter 3 09.07.2016 3 Bochum Tatbeteiligter 3 13.07.2016 4 Rheinbach Tatbeteiligter 2 26.06.2016 5 Willich I Tatbeteiligter 1 26.11.2015 6 Willich I Tatbeteiligter 3 26.11.2015 Nach § 72 Abs. 4 AufenthG darf ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, grundsätzlich nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Bei verurteilten Straftäterinnen und Straftätern kann die Vollstreckungsbehörde nach § 456a StPO von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung absehen, wenn der Verurteilte aus dem Geltungsbereich der Strafprozessordnung abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wird. Die Abschiebung bedarf damit des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft und kann auch unmittelbar aus der Haft erfolgen. Kehrt der Verurteilte zurück, kann die Vollstreckung unter den Voraussetzungen des § 456a StPO nachgeholt werden.