LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/828 05.10.2017 Datum des Originals: 02.10.2017/Ausgegeben: 10.10.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 274 vom 7. September 2017 des Abgeordneten Markus Pretzell AfD Drucksache 17/561 Gewalt gegen Staatsdiener, Wachpersonal und Rettungskräfte 2017 Vorbemerkung der Kleinen Anfrage „Gewalt gegen Polizisten und andere Staatsbedienstete nimmt laut Bundesregierung und Gewerkschaften immer mehr zu. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnte am Freitag in Berlin davor, dass Übergriffe gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes verstärkt zum Alltag gehören.“1 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 274 mit Schreiben vom 2. Oktober 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1. Inwiefern hat sich die Gewalt gegen Staatsdiener, Wachpersonal und Rettungskräfte in diesem Jahr, im Vergleich zu den Jahren 2014, 2015 und 2016, in Nordrhein-Westfalen verändert? Als Datenbasis für die Beantwortung der Frage dient die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Die Erfassung von Fällen, Tatverdächtigen und Opfern in der PKS erfolgt nach bundeseinheitlichen, jährlich mit den beteiligten Gremien abgestimmten Richtlinien. In der PKS werden die personen-, berufs- und verhaltensbezogenen Tatmotive in der Opferspezifik erfasst. Die angefragten Opferspezifika Staatsdiener und Wachpersonal werden in dieser Form nicht in der PKS erfasst. Stattdessen werden die Spezifika Lehrkräfte, Polizeivollzugsbeamte (PVB), Zollvollzugsbeamte, JVA-Vollzugbeamte und sonstige 1 https://www.abendblatt.de/politik/article210938489/Gewalt-gegen-Staatsdiener-in-Deutschlandnimmt -zu.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/828 2 Vollzugsbeamte erfasst. Die Rettungskräfte werden in der PKS in Feuerwehr und sonstige Rettungskräfte unterschieden. Nachfolgend sind die Fallzahlen der Jahre 2014 bis 2016 sowie des 1. Halbjahrs 2017 dargestellt, in denen mindestens eine Person der jeweiligen Spezifik Opfer einer Straftat wurde: 2. In wie vielen Fällen konnte als Tatmotiv politisch motivierte Kriminalität festgestellt werden? Von welchem politischen Spektrum ging die Gewalt aus? Die statistische Erfassung Politisch motivierter Kriminalität (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“. Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten; sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben; durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vor-bereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden; gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Gewalt gegen Staatsdiener und Rettungskräfte Anzahl der Fälle Jahr Lehrkräfte Polizeivollzugs - beamte Zoll- Vollzugsbeamte JVA-Vollzugsbeamte sonstige Vollzugsbeamte Feuerwehr sonstige Rettungsdienste 2014 375 7 902 9 58 239 151 116 2015 322 7 840 13 86 241 158 140 2016 381 8 957 11 77 290 178 162 1.Hj 2017 231 4 354 5 55 171 110 91 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/828 3 Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungs-zusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet. Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD- PMK). Mit Jahresbeginn 2017 wurde im statistischen Bereich der PMK ein neuer Phänomenbereich „PMK - religiöse Ideologien“ geschaffen, welcher in der folgenden Tabelle abbildet ist. Der angefragte Personenkreis wird im KPMD-PMK nicht gesondert ausgewiesen. Eine Antwort für den Bereich der Staatsdiener ist nur für die Gruppe der PVB möglich. Die Zahlen der Jahre 2014 bis 2016 sowie des 1. Halbjahrs 2017 stellen sich wie folgt dar: Politisch motivierte Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte Anzahl der Fälle Jahr PMK-Gesamt davon: PMK-links PMK-rechts PMK-Ausländer PMK-religiös sonstige 2014 359 94 193 65 * 7 2015 300 229 53 7 * 11 2016 371 142 126 96 * 7 1. Hj 2017 74 53 14 3 1 3 3. Mit welchem Konzept möchte die Landesregierung der steigenden Gewalt begegnen? Die Respektlosigkeit gegenüber und der Autoritätsverlust von Amtsträgern im Allgemeinen und der Polizei, Feuerwehr und Einsatzkräften im Rettungsdienst im Besonderen ist ein gesellschaftliches Problem, welches die Landesregierung nicht allein und die betroffenen Bereiche nur begrenzt lösen können. Ursachen und Bedingungen zu erkennen und positiv zu ändern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nur in einem langfristigen Prozess nachhaltig erreichbar. Ein respektvoller Umgang miteinander ist die Voraussetzung für den sozialen Zusammenhalt einer Gemeinschaft. Weder z. B. polizeiliche Maßnahmen noch das Strafrecht können die Ursachen für kriminelles (soziale und individuelle Defizite) oder aggressives und respektloses Verhalten beheben. Dennoch tut die Landesregierung weiterhin alles dafür, um diese Gewalt und die zunehmende Respektlosigkeit gegen Amtsträger zu verhindern. Angriffe auf diejenigen, die uns schützen und dienen, sind völlig inakzeptabel. So existieren u. a. landesweite Fortbildungsangebote zum Konfliktmanagement, arbeitsschutzrechtliche Schutz- und Präventionsmaßnahmen, Gefährdungsbeurteilungen von Arbeitsplätzen, der Schutz des Arbeitsplatzes durch Zugangskontrollen und baulichen Vorkehrungen etc. Darüber hinaus existieren in einzelnen Bereichen Konzepte, die entsprechend der erkannten Bedarfe ständig weiterentwickelt werden. Die Polizei Nordrhein-Westfalen verfolgt seit vielen Jahren einen ganzheitlichen Ansatz bei der Bewältigung von gewalttätigen Einsatzlagen. Gezielte Kommunikation und Deeskalation auf der einen Seite sowie konsequentes Einschreiten gegen Straftäterinnen und Straftäter auf der anderen Seite sind wesentliche Bausteine dieses Konzeptes. In der Polizei Nordrhein- Westfalen ist im Umgang mit Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte bereits LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/828 4 ein guter Standard in den Bereichen Aus- und Fortbildung, Betreuung, Nachbereitung und Ausstattung erreicht, der - falls erforderlich - der jeweiligen Gefahren- bzw. Gewaltlage angepasst wird. Die Träger des Rettungsdienstes sehen zur Vorbereitung auf Konfliktsituationen Deeskalationtrainings, Konfliktmanagement und Selbstverteidigung - auch auf verbaler Art - für die Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor. Zur Fortentwicklung und Anpassung der bisher getroffenen Maßnahmen zur Begegnung von Aggressionen oder Gewalt, hat die Landesregierung bereits 2016 zusammen mit der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen und der komba Gewerkschaft die Ruhr-Universität Bochum mit einer Forschungsstudie beauftragt. Diese bezieht in die Betrachtung den Rettungsdienst, erstmals aber auch die Feuerwehren - gerade auch die vielen ehrenamtlichen Einsatzkräfte - ein. Adressaten der Studie waren mehr als 4.000 Einsatzkräfte. Eine Arbeitsgruppe wird die bis Ende des Jahres vorliegenden Ergebnisse bewerten. Auf Basis dieser Ergebnisse und Bewertung wird die Landesregierung dann mit allen Akteuren gezielt weitere Maßnahmen zur Reduzierung bzw. Vermeidung von Gewalt gegen Einsatzkräfte vereinbaren. Auf Landesebene wurde mit § 82 a LBG zur Erfüllungsübernahme von Schmerzensgeldansprüchen durch den Dienstherrn eine neue Entschädigungsregelung geschaffen, um der Fürsorgeverpflichtung des Landes über die Unfallfürsorge hinaus in hohem Maße Rechnung zu tragen.