LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/858 09.10.2017 Datum des Originals: 06.10.2017/Ausgegeben: 12.10.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 277 vom 5. September 2017 des Abgeordneten Frank Sundermann SPD Drucksache 17/568 Gefährdet die Landesregierung die medizinische Schnellversorgung von Schlaganfall- Patienten im Kreis Steinfurt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit 1956 gibt es im heutigen Helios-Klinikum in Lengerich im Kreis Steinfurt eine Neurologische Abteilung. Das Krankenhaus wird seit 2007 von der privaten Helios-Gruppe getragen, während die Neurologie vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) getragen wird. Seit Anfang 2016 will der LWL als Träger die Neurologie der Helios-Klinik Lengerich schließen und hat ein Interesse am Verkauf. Hierfür gibt es bereits mehrere Interessenten, die die Abteilung übernehmen wollen, darunter auch das private Helios-Klinikum in Lengerich und die Matthias-Stiftung, die das Krankenhaus Ibbenbüren betreibt. So bestehen Überlegungen im Falle einer Übernahme durch Letztere, beide neurologische Abteilungen am Standort Ibbenbüren unter einem Dach zu konzentrieren. Die Neurologie am Standort Lengerich würde verschwinden. Im Rahmen des sogenannten Interessenbekundungsverfahrens erfolgte eine Anhörung durch die Verbände der Krankenkassen. Kommt es bei solchen Verfahren zu keinem Einvernehmen, so entscheidet dann die Bezirksregierung Münster bzw. das Landesgesundheitsministerium NRW. Nun haben sich die Verbände der Krankenkassen für eine Übernahme der Neurologie durch die Matthias-Stiftung und eine Konzentration der Neurologien im Kreis Steinfurt in Ibbenbüren ausgesprochen, was erwartungsgemäß von den anderen Bewerbern in Frage gestellt wird. Sollte es so kommen, hat dies nicht nur auf die medizinische Versorgung von Schlaganfall- Patienten Auswirkungen: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/858 2 - Die älter werdende Bevölkerung beinhaltet eine immer größere Anzahl von Schlaganfällen. Gerade im ländlichen Raum mit seinen weiten Wegen kann dies problematisch sein. - Die Versorgung im Falle eines Schlaganfalls muss nach der Devise „time is brain“ geschehen. Eine Konzentration der „Stroke Unit“ auf einem einzigen Standort führt dazu, dass eine Vielzahl von Schlaganfällen nicht schnell und lebenssichernd versorgt werden kann. - Die Schließung der Neurologie in Lengerich bedroht in letzter Konsequenz auch die Existenz des gesamten Helios-Klinikum; dies nicht zuletzt aufgrund bestehender Kooperationen bzw. Abhängigkeiten. - Eine mögliche Schließung des Helios-Klinikum hätte ebenfalls gravierende Konsequenzen auf die gut funktionierenden Rettungsdienste im Kreis Steinfurt. - Rund 40 Arbeitsplätze in der Neurologischen Abteilung sowie 250 Arbeitsplätze im Helios-Klinikum sind damit kurz- bis langfristig gefährdet. Mit dieser Empfehlung der Verbände der Krankenkassen im Rahmen des Interessenbekundungsverfahrens, die neurologischen Abteilungen im Kreis Steinfurt zusammenzulegen, wird die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum für die Bevölkerung erheblich verschlechtert. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 277 mit Schreiben vom 6. Oktober 2017 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen erfolgt auf Grundlage des Krankenhausgestaltungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (KHGG NRW). Alle Änderungen im Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen müssen das gesetzlich vorgeschriebene regionale Planungsverfahren nach § 14 Krankenhausgestaltungsgesetz Nordrhein-Westfalen (KHGG NRW) durchlaufen. Zu Beginn eines regionalen Planungsverfahrens werden Verhandlungen zu möglichen Veränderungen der Abteilungsstrukturen, der Bettenkapazitäten oder der Krankenhausstandorte von den Krankenhaus- und Kostenträgern aufgenommen, ohne dass sich das Land in dieser Phase bereits aktiv einbringt. Nach Abschluss solcher Verhandlungen werden die Planungsunterlagen an die zuständige Bezirksregierung zur Fortführung des Verfahrens übersandt, bevor darüber im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) nach einer Anhörung der Beteiligten nach § 15 KHGG NRW endgültig entschieden wird. Im Rahmen der Prüfung werden insbesondere die bedarfsgerechte Versorgung, Leistungsfähigkeit/Strukturqualität, Wirtschaftlichkeit und Erreichbarkeit bewertet. Dabei fließen die Voten aller am Planungsprozess Beteiligten ein. Für die Planungsregion Steinfurt hatte entsprechend § 14 Abs. 2 KHGG NRW die Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe mit Schreiben vom 24. Mai 2016 sämtliche in Frage kommenden Krankenhäuser zu Verhandlungen über die Umsetzung des Krankenhausplans NRW 2015 aufgefordert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/858 3 Die Verhandlungen zwischen den Krankenkassen und Krankenhäusern sind inzwischen im Dissens abgeschlossen worden. Mit Schreiben vom 17. Mai 2017 hat die Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Krankenkassen der Bezirksregierung Münster die Ergebnisse der regionalen Konzeptverhandlungen für die Planungs-region Steinfurt vorgelegt. Es sind in der Region verschiedene Krankenhausträger an der Übernahme des Leistungsangebots interessiert; die Anträge wurden im obligatorischen oben dargestellten regionalen Planungsverfahren mitbehandelt. Stand des Verfahrens: Inzwischen liegt dem MAGS ein umfassender Bericht der Bezirksregierung Münster zur Auswertung vor. Danach wird das MAGS nach § 14 Abs. 4 KHGG NRW die Beteiligten nach § 15 KHGG NRW und die betroffenen Krankenhäuser zu dem Konzept anhören. Nach Ablauf der Anhörungsfrist werden alle eingegangenen Stellungnahmen erneut ausgewertet und eine abschließende Entscheidung getroffen, die die Bezirksregierung Münster in entsprechenden Feststellungsbescheiden umsetzen wird. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Entscheidung getroffen wurde. 1. Wie schätzt die Landesregierung die Auswirkungen einer möglichen Schließung der Neurologischen Abteilung in Lengerich auf eine schnelle Versorgung von Schlaganfall-Patienten ein? Da die HELIOS Klinik Lengerich eines der Krankenhäuser ist, die die Übernahme der Neurologie beantragen, ist der Standort Lengerich weiterhin eine Option im laufenden Planungsverfahren. Die Landesregierung wird ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend dafür Sorge tragen, dass eine flächendeckende und gut erreichbare Versorgung auch weiterhin sichergestellt ist. Für die optimale Versorgung der Schlaganfall-Patienten werden in der Bewertung auf jeden Fall notfallmedizinische Fallgestaltungen und Erreichbarkeiten eine wichtige Rolle spielen. Patientinnen und Patienten sollen bei einem Schlaganfall möglichst kurzfristig ihre Behandlung im Krankenhaus erfahren. 2. Welche Pläne hat die Landesregierung, um eine flächen-deckende und schnelle Versorgung von Schlaganfall-Patienten insbesondere im ländlichen Raum des Kreises Steinfurt sicherzu-stellen? Entsprechend dem Grundsatz nach § 1 KHGG NRW ist eine patienten- und bedarfsgerechte gestufte wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung durch Krankenhäuser sicherzustellen. Dieser Aufgabe kommt die Landesregierung nach. 3. Welche Überlegungen bestehen seitens der Landes-regierung, zur finanziellen Absicherung der bislang erfolgreichen Helios-Klinik, wenn der für sie wichtige Pfeiler der Neurologie wegfiele? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/858 4 Die Länder finanzieren gemäß den Vorgaben des Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) zur Sicherstellung der Krankenhausversorgung die notwendigen Investitionskosten. In Nordrhein- Westfalen erfolgt dies z. Zt. im Wege eines pauschalen Vergütungssystems. Die Höhe der Pauschalen für die HELIOS Klinik Lengerich richtet sich dabei, wie bei allen anderen Plankrankenhäusern auch, nach den mit den Krankenkassen vereinbarten Leistungsdaten in den Krankenhausbudgets. Die neurologische Abteilung ist nicht Teil des Versorgungsauftrages der HELIOS-Klinik, sondern Teil der LWL-Klinik Lengerich. Die HELIOS Klinik berechnet keine Entgelte für Leistungen der neurologischen Abteilung. Demnach fließen die Daten auch nicht in das mit den Kostenträgern vereinbarte Budget ein. 4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die rund 40 Arbeitsplätze in der Lengericher Neurologie abzusichern? Bei der beabsichtigen Aufgabe der vom LWL betriebenen Neurologie handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung des Krankenhausträgers, die auch die arbeitsrechtlichen Konsequenzen umfasst. Eine krankenhausplanerische Einflussnahme ist hier nicht möglich. 5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die rund 250 Arbeitsplätze des Helios-Klinikum in Lengerich abzusichern? Es bestehen derzeit nach Kenntnis der Landesregierung und im laufenden Planungsverfahren keine Bestrebungen hinsichtlich einer Schließung der Helios-Klinik Lengerich. Inwieweit ein Wegfall der Neurologie in Lengerich die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Helios-Klinik in Lengerich ungünstig verändern würde, kann von Seiten des Landes nicht beurteilt werden. Grundsätzlich steht es jedem Krankenhaus frei, über seinen Fortbestand zu entscheiden.