LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/863 10.10.2017 Datum des Originals: 10.10.2017/Ausgegeben: 13.10.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 276 vom 7. September 2017 des Abgeordneten Marcus Pretzell FRAKTIONSLOS Drucksache 17/563 Stickoxid-Belastung in Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Unter freiem Himmel gilt: Höchstens 40 Mikrogramm Stickoxid pro Raummeter Luft. Das ist der offizielle EU-Grenzwert, im Jahresmittel. Bei Schweißarbeiten in einer Fabrikhalle dagegen ist bis zu 950 Mikrogramm pro Raummeter Luft erlaubt, also 24 Mal mehr Stickoxid. Erwachsene können sich laut Experten von der hohen Belastung am Arbeitsplatz erholen, während sich insbesondere Kinder, Asthmakranke und ältere Menschen von den Belastungen auf der Straße nicht erholen können. So soll vor allem das Lungenwachstum bei Kindern beeinträchtigt werden. Darüber hinaus sollen Stickoxide tief in die Lunge eindringen und Entzündungsreaktionen hervorrufen. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 276 mit Schreiben vom 10. Oktober 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1. In welchen Städten und Ballungsräumen in Nordrhein-Westfalen wurden Grenzwerte von Luftschadstoffen an Verkehrsstraßen in den letzten 5 Jahren nicht eingehalten und wie haben sich die Höhe und die Anzahl der Überschreitungen entwickelt? In den letzten fünf Jahren wurden in insgesamt 37 Städten in Nordrhein-Westfalen Grenzwerte von Luftschadstoffen überschritten. Dabei wurde der Grenzwert für Stickstoffdioxid (40 µg/m³ im Jahresmittel) im Jahr 2012 in 37 Städten, im Jahr 2013 in 35 Städten, im Jahr 2014 in 33 Städten, im Jahr 2015 in 31 Städten und im Jahr 2016 in 32 Städten überschritten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/863 2 Im Jahr 2016 wurde in den folgenden 32 Städten der Stickstoffdioxid-Jahresgrenzwert überschritten: Aachen Eschweiler Köln Oberhausen Bielefeld Essen Langenfeld Overath Bochum Gelsenkirchen Leverkusen Paderborn Bonn Gladbeck Mettmann Remscheid Dinslaken Hagen Mönchengladbach Schwerte Dortmund Halle Mülheim Siegen Düren Herne Münster Witte Düsseldorf Hürth Neuss Wuppertal Der Feinstaubgrenzwert für PM10 wurde an Straßen der Städte Aachen, Gelsenkirchen, Herne und Oberhausen im Jahr 2012 überschritten. Im Jahr 2013 wurde der PM10- Feinstaubgrenzwert an Straßen der Städte Aachen, Gelsenkirchen und Herne überschritten. Seit dem Jahr 2014 wurde der PM10-Feinstaubgrenzwert in Nordrhein-Westfalen flächendeckend eingehalten. Die Stickstoffdioxid-Jahreswerte haben sich an den drei höchstbelasteten Straßen in Nordrhein-Westfalen wie folgt innerhalb der letzten fünf Jahre entwickelt: NO2-Jahreswert / µg/m³ 2016 2015 2014 2013 2012 Köln-Clevischer Ring 63 66 63 61 63 Düren-Euskirchener Straße 61 61 64 67 68 Düsseldorf-Corneliusstraße 58 59 60 61 64 Weitergehende Daten zur Luftschadstoffbelastung in Nordrhein-Westfalen können auf den Internetseiten des LANUV abgerufen werden unter: www.lanuv.nrw.de/umwelt/luft/immissionen/ berichte-und-trends/jahreskenngroessen-und-jahresberichte/ 2. Gibt es an den Orten der Überschreitungen der Grenzwerte Auffälligkeiten bezüglich Lungenerkrankungen bei Kindern und älteren Menschen? Die gesundheitlichen Wirkungen von erhöhten Stickstoffdioxidkonzentrationen sind hinreichend durch Studien belegt, wie nachfolgend in der Antwort zur Frage 3 dargestellt ist. Darüber hinaus gibt es Modellberechnungen, z.B. im Rahmen einer Studie des Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit Nordrhein-Westfalen (APUG NRW) , die Auffälligkeiten bei Kindern zeigt1. 3. Woran macht die Landesregierung die Zusammenhänge zwischen Lungenerkrankungen und Stickoxiden fest? Gibt es hierzu gesicherte Erkenntnisse? 1 Siehe http://www.umwelt-und-gesundheit.nrw.de/apug-nrw/publikationen/ sowie http://www.umwelt-undgesundheit .nrw.de/fileadmin/redaktion/PDF-Dateien/Risikoberechnung.pdf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/863 3 Stickstoffdioxid schädigt in erster Linie das Atemwegssystem. Der Zusammenhang zwischen Stickstoffdioxidexposition und einem erhöhten Risiko für die Atemwegsgesundheit und weiterer Erkrankungen ist wissenschaftlich belegt. Die Erkenntnisse zu den Kurz- und Langzeitwirkungen durch Stickstoffdioxid wurden anhand von Tierversuchen, humanexperimentellen Untersuchungen sowie aus umweltepidemiologischen Studien gewonnen. Als Übersichtsarbeiten sind vor allem der Statusbericht der Kommission Reinhaltung der Luft im Verein Deutscher Ingenierure (VDI) (Kraft et al. 2004)2, die „Air Quality Guidelines“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO 20003, 20064), der Bericht “Review of evidence on health aspects of air pollution – REVIHAAP Project” der WHO (2013)5 sowie der Bericht „Integrated Science Assessment for Oxides of Nitrogen – Health Criteria“ der USamerikanischen Umweltbehörde (EPA 20086) zu nennen. Kutlar und Mitarbeiter fassten 2015 die Literatur zu den gesundheitlichen Wirkungen von Stickstoffdioxid zusammen7. Grundlage bildete der REVIHAAP-Bericht der WHO von 2013. Die Autoren schlussfolgern, dass in den letzten Jahren viele Studien veröffentlicht wurden, die überzeugend kurz- und langfristige Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit der Belastung von Stickstoffdioxid aufzeigen. 4. Wie oft wurden in den Jahren 2015 und 2016 die maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen in Bezug auf Stickoxid gemessen? Wie oft kam es hierbei zu Überschreitungen des Grenzwertes und in welchen Branchen traten diese Überschreitungen auf? Der Landesregierung liegen keine Zahlen darüber vor, wie häufig Arbeitsplatzmessungen zu Stickoxiden in den Betrieben in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführt wurden. Es liegt in der Eigenverantwortung der Arbeitgeber, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung gegebenenfalls Arbeitsplatzmessungen in den Betrieben durchführen zu lassen, um die notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen treffen zu können. 2 Kraft et al. (2004): Wirkungen von Stickstoffdioxid auf die menschliche Gesundheit – Ableitung eines gesundheitsbezogenen Kurz- und Langzeitwertes. Umweltmed Forsch Prax 9 (2) 65-77. 3 World Health Organization (WHO) (2000): Air Quality Guidelines for Europe. Second Edition. WHO Regional Publication. European Series, No. 91. Regional Office for Europe, Copenhagen. 4 World Health Organization (WHO)(2006): Air Quality Guidelines. Global Update 2005. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe. 5 World Health Organization (WHO) (2013): Review of evidence on health aspects of air pollution – REVIHAAP Project. Technical Report. WHO Regional Office for Europe, Copenhagen. 6 United States Environmental Protection Agency (EPA) (2008): Integrated Science Assessment for Oxides of Nitrogen – Health Criteria. EPA/600/R-08/071, July 2008. 7 Kutlar Joss, M., Dyntar, D. und Rapp, R. (2015): Gesundheitliche Wirkungen der NO2-Belastung auf den Menschen. Synthese der neueren Literatur auf Grundlage des WHO-REVIHAAP Berichts. Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut. Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Mai 2015.