LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/867 10.10.2017 Datum des Originals: 10.10.2017/Ausgegeben: 13.10.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 288 vom 7. September 2017 des Abgeordneten Dietmar Bell SPD Drucksache 17/590 Hatte das Ministerium keine Bedenken bei der Genehmigung einer offensichtlich politisch motivierten Veranstaltung der AfD-Kandidatin Kaiser an der Hochschule Niederrhein? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wie der Rheinischen Post vom 6. September 2017 zu entnehmen war, hat die Hochschule Niederrhein einen Vortrag von Prof. Karin Kaiser in Hochschulräumen für den 21. September 2017 genehmigt. Dies war laut Pressemitteilung der Hochschule vom 6. September 2017 “mit der Rechtsaufsicht im zuständigen Ministerium abgesprochen“. Die Veranstaltung stand unter dem Titel „Tod des Rechtstaats – Gefahr für Freiheit und Demokratie.“ Frau Kaiser hat an der Hochschule einen Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre inne und ist zugleich AfD- Bundestagskandidatin in Schleswig-Holstein. Der unbedarfte Betrachter dieses Vorganges kann sich keinen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Titel und den angeblichen Inhalten der Veranstaltung („Der Wirtschaftsprüfer als Instrument zur Sicherung der Qualität der Rechtsprechung“) vorstellen. Dennoch wurde die Veranstaltung durch Hochschule und Ministerium genehmigt. Die Hochschulleitung hat dann erst am 6. September 2017, offenbar nach steigender medialer Aufmerksamkeit, die Genehmigung wieder zurückgezogen, nachdem sie noch einen Tag zuvor keinen Anlass zur Vermutung hatte, dass der Vortrag drei Tage vor der Bundestagswahl in einem Zusammenhang mit der AfD-Kandidatur von Frau Kaiser steht. Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 288 mit Schreiben vom 10. Oktober 2017 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/867 2 1. Gab es aufgrund des Titels der Veranstaltung, dem nicht feststellbaren Zusammenhang mit den Inhalten dergleichen und der Terminierung kurz vor der Bundestagswahl keinerlei Bedenken beim Ministerium die Veranstaltung zu genehmigen? Die Raumvergabe an Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen fällt nicht in die Zuständigkeit des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes. Gemäß § 18 Absatz 1 Satz 4 Hochschulgesetz üben die Rektorin oder der Rektor das Hausrecht in ihrer Hochschule aus. Über den Antrag von Frau Professorin Kaiser entschied, wie in § 3 Absatz 4 der Richtlinie für die Vergabe von Räumen und Einrichtungen an Dritte der Hochschule Niederrhein vorgesehen, die Hochschulleitung. 2. Hat es aufgrund der offensichtlichen Ungereimtheiten Rückfragen seitens des Ministeriums oder der Hochschule bei der AfD-Bundestagskandidatin und Professorin Kaiser gegeben? Wenn ja, wie lauteten die Fragen und Antworten (bitte den Schriftverkehr beifügen)? Siehe Antwort zu Frage 1. Verschriftlichte Rückfragen der Hochschule bei Frau Professorin Kaiser sind dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft nicht bekannt. 3. Was war der Inhalt der Kommunikation zwischen Rechtsaufsicht des Ministeriums und der Hochschule und hat das Ministerium keine Bedenken geäußert (bitte unter Beifügung des Schriftverkehrs) und wenn das so ist, warum hat es keine Bedenken geäußert? Die Kommunikation zwischen der Hochschule Niederrhein und dem Ministerium in dieser Angelegenheit bestand aus zwei Telefongesprächen. Ein Schriftverkehr zwischen Hochschule und Ministerium existiert nicht. In dem ersten der beiden Telefongespräche im August 2017 wurde den Mitarbeitern der Hochschule zunächst geraten, im Lichte der grundgesetzlich garantierten Wissenschaftsfreiheit, die in § 4 Hochschulgesetz näher ausgeführt ist, zu prüfen, ob es sich hier um eine Veranstaltung der Hochschule handelt, in der Dienstaufgaben wahrgenommen werden, welche der geschützten Freiheit von Forschung und Lehre zuzurechnen wäre, oder ob vornehmlich auf die Ansichten einer politischen Partei aufmerksam gemacht werden soll. In dem zweiten Telefongespräch am 4. September 2017 wurde der Hochschule – wegen einer neuen Faktenlage – seitens des Ministeriums dazu geraten, anhand der Richtlinien der Hochschule für die Vergabe von Räumen und Einrichtungen an Dritte konkret die rechtlichen Möglichkeiten zur Rücknahme der erteilten Genehmigung zur Nutzung der Räumlichkeiten zu prüfen und die Genehmigung ggfs. zurückzunehmen. 4. Teilt das Ministerium die Auffassung des Kommentators der Westdeutschen Zeitung Michael Passon, dass die "Kandidatin lügt und manipuliert" und hat es bereits in der Vergangenheit Äußerungen oder Veranstaltungen von Frau Prof. Kaiser gegeben, die Anlass zu der Vermutung gaben, dass sie die politische Neutralität der Hochschule nicht wahrt? Dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft sind keine derartigen Äußerungen oder Veranstaltungen von Frau Professorin Kaiser bekannt. Meinungsäußerungen, wie die in der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/867 3 Anfrage zitierte Aussage des Kommentators der Westdeutschen Zeitung, werden vom Ministerium nicht kommentiert. 5. Was ist aus Sicht des Ministeriums die angemessene disziplinarische Maßnahme gegenüber Professorin Kaiser, um Schaden von der Hochschule Niederrhein abzuwenden und steht das Ministerium in Kontakt mit der Hochschule, um diese Frage einer einvernehmlichen Auffassung zuzuführen? Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Landesdisziplinargesetzes NRW liegt es in der primären Zuständigkeit der dienstvorgesetzten Stelle zu prüfen, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Dienstvorgesetzte Stelle von Frau Professorin Kaiser ist nach § 33 Abs. 3 Satz 2 des Hochschulgesetzes NRW der Präsident der Hochschule Niederrhein. Der Präsident der Hochschule Niederrhein hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft bisher nicht über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens informiert.