LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/951 16.10.2017 Datum des Originals: 16.10.2017/Ausgegeben: 19.10.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 329 vom 15. September 2017 des Abgeordneten Dr. Christian Blex AfD Drucksache 17/670 Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen durch die Energiewende Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Rahmen der Energiewende soll in Deutschland die Stromproduktion auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Dazu werden einerseits großflächige Photovoltaik-Freiflächenanlagen, als auch Windkraftanlagen gebaut. Ebenfalls werden Bio-Gasanlagen gebaut, die mit nachwachsenden Rohstoffen, wie etwa sogenanntem Energiemais, aus der Landwirtschaft betrieben werden. Dabei ist ein Rückgang von einer für die Nahrungsmittelproduktion genutzter, landwirtschaftlicher Fläche zu beobachten. Neben dem Verlust alter Kulturlandschaft und der Zerstörung von Lebensraum bedrohter Arten leidet also auch die landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion unter den Auswirkungen der Energiewende. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 329 mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. 1. Wie hat sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche für die Energieproduktion im Verhältnis zu der landwirtschaftlich genutzten Fläche für die Nahrungsmittelproduktion in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2007 entwickelt? (Bitte nach Jahr, Fläche und Nutzungsart aufschlüsseln) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/951 2 Im Rahmen der statistischen Erfassung der Flächennutzung wird lediglich nach den angebauten Pflanzenarten, nicht aber nach deren Nutzung unterschieden. Es ist aus den Daten der amtlichen Statistik mithin nicht erkennbar, ob z.B. Silomais als Energiepflanze für die Nutzung in einer Biogasanlage oder zur Verfütterung an Milchvieh angebaut wird. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung landwirtschaftlicher Biogasanlagen in Nordrhein-Westfalen. Demnach ist die Zahl der Biogasanlagen von 250 im Jahr 2007 auf 620 im Jahr 2016 gestiegen. Die installierte elektrische Leistung hat sich in der gleichen Zeit von 80 MW auf 300 MW erhöht, hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich beim Zubau an installierter Leistung seit dem Jahr 2014 weitestgehend um einen Überbau an installierter Leistung im Kontext der Flexibilisierung von Biogasanlagen handelt, ohne dass es zu einer Zunahme der Energieerzeugung und einem daraus resultierenden höheren Input-Bedarf an Energiepflanzen gekommen ist. Abb. 1: Anzahl und installierte elektrische Leistung der Biogasanlagen in Nordrhein-Westfalen (Quelle: Biogas-Datenbank der LWK NRW) Experten gehen davon aus, dass ca. 80% der von Biogasanlagen in Nordrhein-Westfalen erzeugten elektrischen Leistung auf dem Input durch Energiepflanzen beruhen und ca. 20% durch die Nutzung von Wirtschaftsdüngern und außerlandwirtschaftlichen Reststoffen bereit gestellt werden. Auf dieser Basis lässt sich der Flächenbedarf an Energiepflanzen für die Erzeugung von Biogas in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2007 auf ca. 25.000 – 30.000 Hektar und im Jahr 2016 auf ca. 85.000 – 90.000 Hektar schätzen. Dies entspricht einem Anteil von ca. 2,5% an der Ackerfläche im Jahr 2007 bzw. ca. 8,5% im Jahr 2016. Beim Bau von Windenergieanlagen auf Acker- und Grünlandflächen ist es gängige Praxis, die landwirtschaftliche Nutzung unter den jeweiligen Windenergieanlagen fortzusetzen. In der Regel ist lediglich ein Teil der Fundamentfläche um die Windenergieanlage asphaltiert. Von den insgesamt 3.362 in Nordrhein-Westfalen installierten Anlagen befinden sich 2.748 Anlagen auf Ackerstandorten und 364 Anlagen auf Grünlandstandorten. Nach Berechnungen des Landesamtes für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) beträgt die Flächeninanspruchnahme durch die Fundamente ca. 0,0058 % der Ackerflächen bzw. 0,001 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/951 3 % der gesamten Grünlandfläche Nordrhein-Westfalens. Bezogen auf die gesamte landwirtschafltiche Fläche werden ca. 79 ha durch Fundamente belegt. Dies entspricht einem Anteil von ca. 0,005 % (Stand 30.06.2017). Von den insgesamt 290 Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Nordrhein-Westfalen befinden sich 5 Anlagen auf Ackerflächen sowie 12 Anlagen auf Grünlandflächen (Stand: 30.06.2017). Ausgehend von der Annahme, dass für eine installierte Leistung von 1 MWp eine durchschnittliche Fläche von 0,02 km² durch Modulfläche beansprucht wird, entspricht dies nach Berechnungen des LANUV einer Flächeninanpruchnahme von 0,05 km² auf Ackerstandorten und 0,08km² auf Grünlandstandorten, bzw. einem respektiven Flächenanteil von 0,0004 % und 0,002 %. Insgesamt werden durch Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen demnach ca. 92 ha an landwirtschaftlicher Fläche belegt, was einem Anteil von 0,005% der gesamten landwirtschaftlichen Fläche entspricht. 2. Wie soll sich die bestehende landwirtschaftliche Nutzfläche für die Energieproduktion in den nächsten Jahren verändern, etwa durch Anbau von Biomasse, Photovoltaik oder Windkraftanlagen? (Bitte nach Fläche pro Jahr und Nutzung aufschlüsseln) Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Anbau von Energiepflanzen sowohl für Biogas als auch für Biokraftstoffe wurden in den vergangenen Jahren in einer Weise verändert, die keine nennenswerten Anreize für eine weitere Ausdehnung der Fläche für Energiepflanzen bieten. Dies spiegelt sich in einer Stagnation bei der Zahl der landwirtschaftlichen Biogasanlagen als auch in der Bodennutzungsstatistik (keine weitere Zunahme der Fläche für Silomais) wider. Es wird davon ausgegangen, dass sich an dieser Situation in den nächsten Jahren grundsätzlich nichts ändern wird. Laut Landesentwicklungsplan (Ziel 10.2-5) ist die Inanspruchnahme von Freiflächen für die raumbedeutsame Nutzung der Solarenergie zu vermeiden. Ausgenommen sind Freiflächen- Solarenergieanlagen wenn der Standort mit der Schutz- und Nutzfunktion der jeweiligen Festlegung im Regionalplan vereinbar ist und es sich um die Wiedernutzung von gewerblichen, bergbaulichen, verkehrlichen und wohnungsbaulichen Brachflächen oder baulich geprägten militärischen Konversionsflächen, Aufschüttungen und Standorten entlang von Bundesfernstraßen oder Schienenwegen mit überregionaler Bedeutung handelt. Inwieweit sich dieser Sachverhalt bei den geplanten Überarbeitungen des Landesentwicklungsplan verändern wird, bleibt abzuwarten. Derzeit wird durch Windenergieanlagen nur ein sehr geringer Anteil an landwirtschaftlichen Fläche belegt. Der Ausbau der Windenergie wird zudem von der Landesregierung neu gestaltet. Der Ausbau der Windenergie soll sich zukünftig stärker an den Interessen der Anwohner orientieren und den Schutz von Natur und Umwelt sicherstellen. Damit soll auch die Akzeptanz für die Windenergie, als wesentlicher Bestandteil der Energiewende, erhalten bleiben. Die Landesregierung will die kommunale Planungshoheit stärken und einen angemessenen Anwohner-, Landschafts- und Naturschutz sicherstellen. Damit ist davon auszugehen, dass der Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche, der durch Windenergieanlagen belegt wird, auch zukünftig gering bleiben wird. 3. Wie will die Landesregierung auf die steigenden Preise für Nahrungsmittel durch den Verlust von Nutzfläche für die Lebensmittelproduktion reagieren? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/951 4 Die Preise für Nahrungsmittel folgen globalem Angebot und Nachfrage. Der Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche für die Lebensmittelproduktion ist dabei auf regionaler wie globaler Ebene einer von mehreren Einflussfaktoren, dessen Wirkung nicht zu quantifizieren ist. Die Landesregierung hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung dazu bekannt, dem zunehmenden Verbrauch landwirtschaftlicher Nutzfläche entgegenzusteuern. Damit soll – ungeachtet der Nutzung zur Lebensmittel- oder Energieproduktion – grundsätzlich die Produktionsbasis der landwirtschaftlichen Erzeugung erhalten bleiben. Besonderer Aktivitäten der Landesregierung zur Begrenzung des Energiepflanzenanbaus bedarf es angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen nicht (siehe Antwort zu Frage 2). 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Auswirkungen der steigenden Flächennutzung zur Energieerzeugung auf die Artenvielfalt? Durch die Aufnahme der Energiepflanzenproduktion für die Biogasgewinnung mit dem EEG 2004 ist eine weitere Verwertungsrichtung für landwirtschaftliche Produkte hinzu gekommen, ohne dass die Erzeugung anderer Produkte in gleichem Maß eingeschränkt worden wäre. Dies hat zu einem verstärkten Druck auf die Flächennutzung geführt, der sich z.B. in einem erhöhten Pachtpreisniveau für Ackerland wiederspiegelt. Der verstärkte Anbau von Silomais kann neben anderen Wirkfaktoren zu einem Verlust der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft führen. Dadurch können zum Beispiel geeignete Brutplätze oder Nahrungsflächen für Arten der offenen Feldflur (z.B. Kiebitz, Wiesenweihe) verloren gehen. 5. Wie hoch wäre der Flächenbedarf in NRW, um den gesamten Strombedarf durch Biogas zu decken? Der Bruttostromverbrauch Nordrhein-Westfalens betrug im Jahr 2014 151,8 Mrd. kWh. Zur Erzeugung dieser Strommenge auf Basis von Energiepflanzen wäre eine Ackerfläche von ca. 7,3 Mio. Hektar erforderlich. Die Ackerfläche Nordrhein-Westfalens beträgt ca. 1,05 Mio. Hektar. Bei der Erzeugung von Biogas aus Wirtschaftsdüngern und außerlandwirtschaftlichen Reststoffen entsteht kein Flächenbedarf, die hieraus resultierenden Potenziale zur Stromerzeugung sind jedoch begrenzt. Gemäß der Potenzialstudie Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (Teil 3 Bioenergie; LANUV Fachbericht 40, 2014; https://www.lanuv.nrw.de/uploads/tx_commercedownloads/30040c.pdf ) beträgt das maximale Strompotenzial aus Wirtschaftsdüngern ca. 1 Mrd. kWh/a. sowie ca. 3,5 Mrd. kWh/a aus Biomasse aus der Abfallwirtschaft.