Drucksache 16/1027 12. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Horst Gies (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Verwendung bleifreier Munition in den rheinland-pfälzischen Staatsforsten Die Kleine Anfrage 659 vom 15. Februar 2012 hat folgenden Wortlaut: Wie mir bekannt wurde, ist bei Jagden in den rheinland-pfälzischen Staatsforsten ab dem 1. Juli 2012 nur noch bleifreie Munition erlaubt. Ich frage die Landesregierung: 1. Welches Ziel verfolgt die Landesregierung mit dieser Maßnahme? 2. Liegen nach Meinung der Landesregierung ausreichende Untersuchungen vor bezüglich des Abprallverhaltens von bleifreier Muni tion? 3. Gibt es für die Landesregierung ausreichende Untersuchungen zur Tötungswirkung dieser Munition im Wildkörper – auch in tierschutzrechtlicher Sicht? 4. Sind der Landesregierung Untersuchungen zur Toxizität von Ersatzstoffen für bleihaltige Munition bekannt? 5. Wer haftet für Schäden beim verordneten Einsatz von bleifreier Munition in den Staatsforsten, wenn das Abprallverhalten zu einem Unfall führt? 6. Sind der Landesregierung die Probleme bezüglich des Einsatzes von bleifreier und bleihaltiger Munition, die ballistisch nicht aus einer Waffe Verwendung finden können, bewusst und wie gedenkt die Landesregierung dieser Tatsache Rechnung zu tragen? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 9. März 2012 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Jagdnutzung in den staatlichen Eigenjagdbezirken des Landes erfolgt entweder durch Verpachtung oder in Eigenregie durch die jagdausübungsberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Landesforsten (Regiejagd des Landes). Private Jägerinnen und Jäger werden nach den Vorgaben der Jagdnutzungsanweisung (JNA) an der Regiejagd des Landes beteiligt. In den nicht ver pachteten staatlichen Eigenjagdbezirken vergeben die Forstämter hierzu Jagderlaubnisse. Eine Verpflichtung privater Jägerinnen und Jäger zur Teilnahme an der Jagdausübung in den nicht verpachteten staatlichen Eigenjagdbezirken besteht nicht. Jagdmunition ist in Deutschland in vielen unterschiedlichen Kalibern, in einer großen Bandbreite an verschiedenen Laborierungen – von normalen Teilmantel- über Verbundkern- bis hin zu bleifreien Geschossen – gebräuchlich. Bleifreie Büchsenmunition wird dabei seit mehreren Jahrzehnten – in wachsendem Umfang – von unterschiedlichen Herstellern angeboten. Blei gilt durch sein spezifisches Gewicht, seine gute Verformbarkeit und leichte Verarbeitung als ein idealer Werkstoff für die Herstellung von Jagdmunition. Andererseits ist Blei ein giftiges Schwermetall, das sich im Körper anreichern und zu Gesundheitsprob - lemen führen kann. Die Verwendung von bleihaltiger Jagdmunition wird daher seit geraumer Zeit sowohl in Kreisen der Jägerinnen und Jäger als auch in der Öffentlichkeit diskutiert. Diese Diskussionen haben durch die Warnung des Bundesinstitutes für Risiko - bewertung (BfR) vom 19. September 2011 vor dem Verzehr von mit bleihaltiger Munition erlegtem Wild eine neue Dimension erreicht . Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 23. März 2012 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1027 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Das BfR hat seine Risikobewertung zu Blei in mit Bleimunition geschossenem Wild auf der Grundlage neuer Daten zu Blei in Lebens - mitteln und eines neuen Bewertungsansatzes der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vorgenommen. Sie trägt den neuen Daten und Forschungsergebnissen Rechnung, wonach die Bleiaufnahme über die Grundnahrungsmittel Getreide, Obst und Gemüse bereits hoch ist. Da für Blei bislang keine Wirkungsschwelle und somit keine Dosis ohne Wirkung angegeben werden kann, sollte die Bleiaufnahme so gering wie möglich sein. Erhöhte Bleikonzentrationen im menschlichen Körper können die Blutbildung, innere Organe sowie das zentrale Nervensystem schädigen. Blei lagert sich außerdem langfristig in den Knochen ab. Bei einer chronischen Bleiexposition reagieren bei Erwachsenen die Nieren am empfindlichsten, bei Kindern bis sieben Jahren das Nervensystem. Säuglinge und Kleinkinder sind besonders gefährdet . Eine erhöhte Bleibelastung kann bei ihnen zu irreversiblen Nervenschäden, zu Störungen der Hirnfunktionen und zur Beeinträchtigung der Intelligenz führen. Das Gleiche gilt für Föten. Eine besonders sensible Phase in der Entwicklung des Ungeborenen ist die Ausbildung des Nervensystems. Sie kann bereits durch die einmalige Aufnahme von Lebensmitteln mit hohen Bleigehalten beeinträchtigt werden. Aufgrund der unbestrittenen gesundheitsgefährdenden Wirkung von Blei und der Problematik einer Anreicherung in der Nahrungskette , sollten alle vertretbaren Maßnahmen zur Verringerung von Bleibelastungen ergriffen werden. Vertretbar ist der Verzicht auf Bleimunition nach Ansicht der Landesregierung dann, wenn Geschosse aus alternativem Material hinsichtlich – der toxikologischen Unbedenklichkeit, – der tierschutzgerechten Tötungswirkung und – der Sicherheit bei der Jagdausübung (Abprallverhalten) nicht hinter der Bleimunition zurückstehen. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) hat hierzu umfangreiche Unter suchungen in Auftrag gegeben, die entweder abgeschlossen sind oder kurz vor ihrem Abschluss stehen. Die Erkenntnisse geben Anlass zu einer entsprechenden vorsorglichen Berücksichtigung bei der Organisation und Durchführung des Jagdbetriebes in den nicht verpachteten staatlichen Eigenjagdbezirken, der Regiejagd. Mit Schreiben des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 25. Januar 2012 an die Forst - ämter des Landes wurde die Einstellung der Verwendung bleihaltiger Jagdmunition in der Regiejagd zum 1. Juli 2012 angekündigt. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage 659 namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Mit dem Verzicht auf bleihaltige Jagdmunition in der Regiejagd des Landes trägt das Land zur Vermeidung verzichtbarer Blei be las - tungen bei. Zu Frage 2: Das Abprallverhalten bleifreier Büchsenmunition ist Gegenstand einer vom BMELV in Auftrag gegebenen umfangreichen Prüfung durch die Deutsche Versuchs- und Prüf-Anstalt für Jagd- und Sportwaffen e. V. Der Abschlussbericht hierzu liegt vor. Auf der Grundlage der Ergebnisse, der Ausführungen des Gutachters und der anschließenden Diskussionen ist festzuhalten, dass das Abprallverhalten bleifreier gegenüber bleihaltiger Jagdbüchsengeschosse nicht signifikant voneinander abweicht. Zu Frage 3: Der Termin für einen künftigen Verzicht auf bleihaltige Jagdmunition in der staatlichen Regiejagd wurde so gewählt, dass die Ergebnisse des noch ausstehenden Abschlussberichts einer vom BMELV hierzu in Auftrag gegebenen Untersuchungsreihe bei der Umstellung berücksichtigt werden können. Zu Frage 4: Als Ersatzstoffe für Blei werden Kupfer und Kupferlegierungen verwendet. Im Gegensatz zu Blei muss Kupfer als wichtiges Spuren - element täglich mit der Nahrung zugeführt werden. Im menschlichen Körper spielt Kupfer unter anderem eine wichtige Rolle für die Blutbildung und das Nervensystem. Im Gegensatz zum Kupfer, das in geringen Mengen für den menschlichen Organismus essenziell ist, wird die Aufnahme von Blei selbst in geringen Mengen kritisch betrachtet. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht die Angabe einer 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1027 tolerierbaren wöchentlichen Aufnahmemenge (PTWI) als Referenzwert für die gesundheitliche Risikobewertung von Blei als nicht mehr angemessen an, um den Verbraucher ausreichend zu schützen. Zu Frage 5: Die Person, die die Jagd mit der Schusswaffe ausübt, hat die im Einzelfall erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen und ist für ihren Schuss selbst verantwortlich. Sie haftet für die von ihr vorsätzlich oder fahrlässig verursachten Schäden. Das Abprallverhalten bleifreier gegenüber bleihaltiger Geschosse weicht nicht signifikant voneinander ab; eine gesonderte Haftungsregelung ist daher nicht angezeigt. Zu Frage 6: Die ordnungsgemäße Verwendung hinreichend geeigneter, sicherer und in ihren Wirkungen und Eigenschaften vertrauter Waffen und Munition in einwandfreiem Zustand ist Aufgabe der die Jagd ausübenden Person. Unabhängig von den verwendeten Werkstoffen kann es bei der Verwendung unterschiedlicher Munition aus einer Schusswaffe zu Treffpunktverlagerungen kommen. Dies kann selbst dann auftreten, wenn neue Büchsenmunition des gleichen Herstellers und gleicher Laborierung (genaue Zusammensetzung einer Patrone innerhalb des durch das Kaliber und die Hülsenmaße gegebenen Rahmens ) verwendet wird. Technische Toleranzen der einzelnen Komponenten können Leistungsunterschiede von Fertigung zu Ferti - gung (unterschiedliche Los-Nummern) hervorrufen. Daher ist aus Sicherheits- und Tierschutzaspekten bei der Verwendung neuer Munition zumindest ein Kontrollschuss vorzunehmen. Stellt sich dabei eine nicht unwesentliche Treffpunktverlagerung heraus, ist die Waffe neu einzuschießen. Dieser Umstand ist innerhalb der Jägerschaft bekannt und nicht auf die Umstellung von bleihaltiger auf bleifreie Munition begrenzt. Ulrike Höfken Staatsministerin 3