Drucksache 16/1086 22. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Stephanie Nabinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Störfall im französischen Atomkraftwerk Cattenom am 18. Januar 2012 Die Kleine Anfrage 688 vom 28. Februar 2012 hat folgenden Wortlaut: Nach Angaben des Kraftwerkbetreibers EDF wurde am 18. Januar 2012 im grenznahen französischen Atomkraftwerk Cattenom bei einer routine mäßigen Prüfung festgestellt, dass eine Durchlassöffnung von zwanzig Millimetern Durchmesser in einer der Rohrleitungen nicht eingebaut wurde. Die französische Atomaufsichtsbehörde (ASN) hat das Ereignis ursprünglich auf Ebene 1 der internationalen INES- Skala eingestuft, dies wurde aber am 6. Februar 2012 auf Stufe 2 angehoben. Im Zusammenhang mit diesem Störfall bitte ich die Landesregierung um Beantwortung folgender Fragen, soweit sie über die entsprechenden Informationen verfügt: 1. Wurde der Störfall den zuständigen deutschen Behörden gemeldet? 2. Welchen Behörden wurde der Störfall gemeldet? 3. Wann wurde den zuständigen deutschen Behörden der Störfall gemeldet (bitte mit Angabe der Uhrzeit)? 4. Wurde den zuständigen deutschen Behörden mitgeteilt, um was für einen Störfall es sich handelte bzw. wie schwerwiegend der Störfall war? 5. Wie kam es dazu, dass der Störfall anfangs auf der falschen Ebene der INES-Skala eingestuft wurde? Welche Begründung gab es für die Änderung? 6. Wie lange dauert es in Deutschland und in Frankreich, bis ein Störfall in der INES-Skala eingestuft wird und wer ist hierfür zu- ständig? Gibt es hierbei Unterschiede? 7. Wie stuft die Landesregierung die Sicherheit des AKW Cattenom ein, wenn ein gravierender Störfall/Sicherheitsfehler erst nach zwanzig Jahren entdeckt wird? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 19. März 2012 wie folgt beantwortet: Ich möchte zunächst auf die Antwort zur Kleinen Anfrage 632 „Gravierende Sicherheitsmängel im Kernkraftwerk Cattenom I“ (Drucksache 16/996) verweisen, in der das Vorkommnis ausführlich dargelegt wurde. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Ja. Zu Frage 2: Die Meldung des Betreibers ging in Rheinland-Pfalz an das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung. Nach den dort vorliegenden Erkenntnissen wurden von der EDF keine weiteren Behörden in Rheinland-Pfalz informiert. Darüber hinaus informierte der Betreiber EDF über seine Homepage auch die französische und deutsche Öffentlichkeit in der jeweiligen Landessprache über dieses Ereignis. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 2. April 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1086 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 3: Die Meldung des Ereignisses (INES-Stufe 1) an das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland -Pfalz erfolgte am 18. Januar 2012 um 18.29 Uhr. Die Meldung über die Höherstufung in die INES-Stufe 2 erfolgte am 6. Februar 2012 um 15.34 Uhr. Zu Frage 4: Die Meldungen des Betreibers enthielten jeweils eine Darstellung des Sachverhalts sowie eine Einstufung in die INES-Skala. Zu Frage 5: Die EDF hatte den Befund gegenüber der französichen Atomaufsichtsbehörde (ASN) ursprünglich als „Abweichung von der Konstruktionsbeschreibung “ mit der INES-Stufe 1 deklariert. Als Begründung für die Höherstufung in die INES-Stufe 2 geben sowohl die EDF als auch die ASN den begrenzten Ausfall der gestaffelten Sicherheitsvorkehrungen an. Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, warum der Betreiber EDF das Ereignis anfangs nur als „Abweichung von der Konstruktionsbeschreibung“ bewertet hat. Zu Frage 6: In Deutschland sind meldepflichtige Ereignisse der Kategorie S (Sofortmeldung) der jeweiligen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde sofort zu melden. Bei Ereignissen der Kategorien E (Eilmeldung) und N (Normalmeldung) betragen die Meldefristen 24 Stunden bzw. fünf Werktage. Die Einstufung nach INES wird durch den Betreiber zeitgleich zur Meldung an die atomrechtliche Aufsichtsbehörde vorgenommen. Diese Einstufung wird im Auftrag des Bundesumweltministeriums durch die Gesellschaft für Reaktorsicher - heit überprüft. In Frankreich sind meldepflichtige Ereignisse innerhalb von zwei Werktagen der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde zu melden. Ausnahmen sind Notfallsituationen, die sofort zu melden sind. Gleichzeitig mit der Meldung an die Behörde erfolgt durch den Betreiber ein Vorschlag für eine Einstufung in die INES-Skala. Die Überprüfung der endgültigen Einstufung in die INES-Skala erfolgt durch die französische Atomaufsichtsbehörde. Zu Frage 7: Die Ursache für das Fehlen der Öffnungen gegen den Siphon-Effekt ist offensichtlich auf Fehler entweder in der Planung oder Bauausführung während der Errichtung der Blöcke 2 und 3 zurückzuführen. Dass dieser Fehler über 20 Jahre unentdeckt bleiben konnte , ist auf eine mangelhafte Bauüberwachung sowie unzureichende Planung oder Durchführung der wiederkehrenden Prüfungen durch den Betreiber zurückzuführen, dem die Verantwortung für den sicheren Betrieb des AKW Cattenom obliegt. Diesen mög - lichen Fehlerursachen ist gemeinsam, dass sie auf menschliche Fehler zurückzuführen sind. Die Landesregierung stellt mit großer Besorgnis fest, dass es im AKW Cattenom immer wieder zu Zwischenfällen kommt. Auch wenn diese Ereignisse bislang noch nicht zu einer Gefahr für die Bevölkerung geführt haben, führen sie doch immer wieder zu einer berechtigten Beunruhigung der rheinland-pfälzischen Bevölkerung in der Grenzregion. Die Meldungen des Betreibers über Betriebsstörungen sowie die Befunde der Inspektoren der französischen Atomaufsichtsbehörde zeigen immer wieder, dass die Sicherheitskultur im AKW Cattenom deutlich verbesserungswürdig ist. Dieser Eindruck wird auch durch die Ergebnisse des Stresstests für das AKW Cattenom bestätigt. Die Landesregierung sieht sich daher in ihrer Auffassung bestärkt, dass die Nutzung der Atomenergie eine Hochrisikotechnologie darstellt, die weltweit so schnell wie möglich beendet werden sollte. Daher setzt sich die Landesregierung weiterhin entschieden dafür ein, dass das AKW Cattenom so schnell wie möglich abgeschaltet wird. Eveline Lemke Staatsministerin