Drucksache 16/1087 22. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Bernhard Braun (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Änderungsvorschläge zum EEG von Rösler und Röttgen und Auswirkungen auf Arbeitsplätze in RheinlandPfalz Die Kleine Anfrage 687 vom 29. Februar 2012 hat folgenden Wortlaut: Die Bundesregierung plant laut Aussagen der Minister Rösler und Röttgen gravierende Änderungen des EEG. Laut Aussagen von betroffenen Firmen sind durch die Pläne zahlreiche Arbeitsplätze im Handwerk und im Mittelstand gefährdet. Von notwendigen Entlassungen ist die Rede. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche angekündigten Änderungen des EEG werden Auswirkungen auf Betriebe in Rheinland-Pfalz haben? 2. Welche Auswirkungen auf Arbeitsplätze gibt es in Rheinland-Pfalz? 3. Wurden Aufträge nach der Ankündigung storniert? 4. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur Abwehr der negativen Folgen für Rheinland-Pfalz? 5. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die EEG-Änderungen per Verordnung zu verhindern? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 22. März 2012 wie folgt beantwortet: Die Landesregierung verfolgt das Ziel, bis 2030 den in Rheinland-Pfalz verbrauchten Strom bilanziell zu 100 Prozent aus heimischen erneuerbaren Energien zu gewinnen und zum Stromexportland zu werden. Bis zum Jahr 2020 strebt die Landesregierung an, die Stromerzeugung aus Windkraft zu verfünffachen und die Stromerzeugung aus Photovoltaik auf über zwei Terawattstunden zu steigern . Die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Rheinland-Pfalz und die sozialen Aspekte bezahlbarer Ener giepreise sind dabei wichtige Anliegen. Die Photovoltaik ist eine der tragenden Säulen der Energiewende. Bisher wurden über 100 000 Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen – in der Industrie, im Handwerk und bei Planern. Die Kosten für Solarstrom wurden gleichzeitig immer geringer. Allein in den letzten drei Jahren wurde die Einspeisevergütung je Kilowattstunde um mehr als die Hälfte abgesenkt. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die vorgenannte Kleine Anfrage wie folgt: Zu den Fragen 1 bis 3: Die von der Bundesregierung geplante kurzfristige Absenkung der Vergütungssätze für Strom aus Photovoltaikanlagen zum 1. April 2012 durch eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wird gravierende Auswirkungen auch auf Betriebe in Rheinland-Pfalz haben. Durch die Kurzfristigkeit ist die Abarbeitung der bereits erteilten Aufträge für die Installation von Photovoltaikanlagen in vielen Fällen nicht mehr vor dem Stichtag möglich. Diese Anlagen wurden mit den derzeit geltenden Vergütungssätzen kalkuliert und dürften in vielen Fällen keine ausreichenden Deckungsbeiträge mehr erwirtschaften können, wenn sie erst nach dem 1. April 2012 fertiggestellt werden können. Am 6. März 2012 fand im Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landespla nung ein Treffen mit Vertretern der Solar branche, Kammervertretern sowie Verbänden der erneuerbaren Energien statt, um insbesondere die Auswirkungen der geplanten Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz zu erörtern. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 2. April 2012 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1087 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Es gibt bereits rheinland-pfälzische Unternehmen, die erste Arbeitnehmer freigestellt haben bzw. planen, in den nächsten Wochen Arbeitnehmer freizustellen. Einzelne Unternehmen beklagen hohe Umsatzeinbrüche. Zahlreiche Aufträge für Photo voltaikanlagen wurden von den Kunden storniert. Erste Banken ziehen Finanzierungs zusagen zurück. In vielen Fällen gehen Aufträge zur Errichtung von Photovoltaikanlagen auf Dächern mit Aufträgen zur Sanierung von Dächern einher. Unterbleibt die Installation der Pho tovoltaikanlage, wird in vielen Fällen die Dachsanierung verschoben. Auch dadurch sind Umsatzrückgänge beim Handwerk zu erwarten. Änderung der Vergütungsklassen: Zusätzlich zur Absenkung der Vergütungssätze ist von der Bundesregierung geplant, die Einteilung der Vergütungsklassen zu ändern. Die Klasse bis 30 kW (meist Anlagen auf Ein- und Mehrfamilienhäusern) wird deutlich reduziert. Nach der geplanten Ände rung fallen nur mehr Anlagen < 10 kW in die höchste Vergütungsklasse. Die Klasse 30 bis 100 kW wird komplett gestrichen. Zukünftig soll es nur mehr eine einzige Klasse zwischen 10 und 1 000 kW geben. Eine Übersicht über die bestehenden Ver gütungs - sätze und die geplanten Änderungen ist in der nach stehenden Übersicht ent halten. Auf Einfamilienhäusern können bei entsprechender Ausrichtung der Gebäude Photo voltaikanlagen mit einer Leistung von 20 kW, teilweise 30 kW installiert werden (bei Ost/West-Aus richtung). Die Änderung der Klasseneinteilung wird voraussichtlich dazu führen, dass entsprechend kleinere Anlagen errichtet werden. Die Streichung der Anlagenklasse 30 bis 100 kW trifft vor allem viele landwirtschaftli che Betriebe und Gewerbebetriebe. Für sie wird die Installation einer Photovoltaikan lage deutlich unattraktiver mit entsprechenden Folgen für die Installationsbetriebe und Händler in Rheinland-Pfalz. Die Vergütungssätze für Freiflächenanlagen und große Dachanlagen werden sehr stark abgesenkt. Die Größenbegrenzung auf 10 MW in Verbindung mit der geplanten Abstandsregelung gefährdet auch geplante Projekte auf Konversionsflächen. In vielen Fällen ist bei Freiflächenanlagen wegen zukünftig fehlender Wirtschaftlichkeit mit einer Aufgabe der Projektplanungen zu rechnen. Höhe der Vergütungsabsenkung: Die Höhe der geplanten Kürzung der Vergütungssätze ist insbesondere für den wirt schaftlichen Einsatz von deutschen Modulen sehr problematisch. Es ist zu erwarten, dass die Produktion der Module ins Ausland verlagert wird. Im Bereich der kleinen Aufdachanlagen < 10 kW werden zwar nach der Absenkung noch moderate Renditen erzielt werden können. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass durch die schnelle und teilweise unerwartete Abfolge der Vergütungs - kürzungen viele potenzielle Investoren für Photovoltaikanlagen so verunsichert sind, dass Neuaufträge unterbleiben. Dies hätte entsprechende negative Auswirkungen auf die Installationsbetriebe. Größere Aufdachanlagen ab 10 kW werden in vielen Fällen deutlich geringere Rendi ten erbringen. Degression der Vergütungssätze: Die Vergütungsdegression soll nun monatlich erfolgen und beträgt 0,15 ct/kWh pro Monat. Diese Absenkung soll ab 1. Mai 2012 erfolgen. Dies ist eine Abkehr vom bis herigen Prinzip der prozentualen Degression der Vergütungssätze. Durch die neue Regelung käme es zu einer jährlichen Absenkung um 1,8 ct/kWh. Nur im ersten Jahr würde dieser Wert in Teilbereichen in etwa noch der derzeitigen Degression von 9 % entsprechen. Durch die kontinuierliche Absenkung der Vergütungen mit einem festen Degressions - betrag steigt der Prozentsatz der Degression auf einen Wert von bis zu 21 % im Jahr 2015 an. Eine monatliche Absenkung schafft außerdem in vielen Fällen massive Probleme bei den Netzbetreibern, da im Extremfall über 30 verschiedene Vergütungstarife pro Jahr gelten würden. 2 Alte Regelung Aufdachanlagen Freiflächenanlagen bis 30 kW bis 100 kW bis 1 MW über 1 MW Konversions- Sonstige fläche Freiflächen 1. Jan. 2012 24,43 23,23 21,98 18,33 18,76 17,94 Gesetzliche Absenkung nach dem derzeit geltenden EEG zum 1. Juli 2012 (15 % Degres sion) 1. Juli 2012 20,77 19,75 18,68 15,58 15,95 15,25 Geplante neue Regelung Aufdachanlagen Freiflächenanlagen bis 10 kW Entfällt bis 1 MW bis 10 MW bis 10 MW bis 10 MW 1. April 2012 19,5 16,5 13,5 13,5 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1087 Beschränkung der vergüteten Strommenge je Anlage: Für neue Photovoltaikanlagen soll künftig nur noch ein be stimmter Prozentsatz (je nach Anlagengröße zwischen 85 und 90 %) der in der Anlage produzierten Strom menge nach dem EEG vergütet werden. Der darüber hinausgehende Stromanteil muss entweder selbst verbraucht oder direkt vermarktet werden. Ist dies nicht mög lich, wird der überschüssige Strom nur mehr mit dem monat - lichen bzw. jährlichen durchschnittlichen Börsenstrompreis vergütet (Marktintegrationsmodell). Für größere Anlagen, vor allem für Freiflächenanlagen, bedeutet diese Änderung eine zusätzliche Kürzung der Vergütung, da für den nicht nach den EEG-Sätzen vergüteten Strom in der Regel keine Möglichkeit zum Eigenverbrauch gefunden werden kann. Eine eigene Vermarktung der Strommengen dürfte nur in Ausnahmefällen höhere Preise als die an der Börse erzielten Preisen ermöglichen. Verordnungsermächtigungen für die Bundesregierung: Die Bundesregierung soll die Möglichkeit erhalten, durch Verordnungsermächtigungen ohne Beteiligung des Bundesrats im Falle der Über- oder Unterschreitung des Zubaukorridors für die Photo voltaik Änderungen an der Höhe der Vergütung vorzunehmen. Darüber hinaus soll der Zubaukorridor angepasst werden. Für 2012 und 2013 soll der bisherige Ziel korridor von 2 500 bis 3 500 MW beibehalten werden; danach sinkt der Zielkorridor jährlich um 400 MW ab und wird von 2017 an nur noch 900 bis 1 900 MW betragen. Darüber hinaus sieht eine weitere neue Verordnungsermächtigung vor, dass die Re gelungen über das Marktintegrationsmodell angepasst und auch auf andere Erzeu gungsarten erneuerbarer Energien übertragen werden können. Damit erhält die Bun desregierung die Mög lichkeit, auch die Vergütungen für andere Arten der erneuerba ren Energien kurzfristig über den Umweg der Begrenzung der Strommengen zu sen ken. Dadurch ist z. B. für die Windkraft oder für die Biomasse die Planungssicherheit stark gefährdet. Bei diesen Anla gen wirkt dieser Umstand umso schwerer, da sie meist eine jahrelange Vorlaufzeit und erhebliche Vorinvestitionen aufweisen. Es ist davon auszu - gehen, dass unter diesen Umständen deutlich weniger Anlagen gebaut würden. Zu den Fragen 4 und 5: Die Landesregierung wird gemeinsam mit anderen Ländern im Bundesrat auf Ände rungen im Gesetz drängen. Ziel ist insbesondere, die Planungssicherheit für Investo ren und die Photovoltaikbranche zu wahren. Dabei sind Verordnungsermächtigungen abzulehnen , mit denen ohne Beteiligung des Parlaments und des Bundesrats kurzfris tige Änderungen beschlossen werden können, die die Planungssicherheit untergraben würde. In einem Schreiben vom 7. März 2012 an Bundeskanzlerin Dr. Merkel hat Ministerprä sident Kurt Beck die rheinland-pfälzischen Einwände gegen die geplanten Änderun gen dargelegt und eine grundlegende Änderung des Gesetzentwurfs gefordert. Frau Staatsministerin Eveline Lemke hat in ihrem Schreiben an die Bundesminister Dr. Rösler und Dr. Röttgen die Positionen noch einmal bekräftigt und die Mainzer Erklä rung vom 6. März 2012 zu den Plänen der Bundesregierung zur Kürzung der EEG-Vergütungssätze übersandt. In dieser vom Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung initiierten Erklärung haben zahlreiche Zu - lieferer, Handwerksbetriebe, Pro jektentwickler, Energieversorger, Landtagsabgeordnete, Verbände, Kammern und Kommunen ihre Sorge um die Zukunft der erneuerbaren Energien zum Ausdruck ge bracht. Eveline Lemke Staatsministerin 3