Drucksache 16/1164 18. 04. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Hedi Thelen (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für einjährige und ältere Kinder in Rheinland-Pfalz in den nächsten Jahren Die Kleine Anfrage 751 vom 27. März 2012 hat folgenden Wortlaut: Der Rechtsanspruch für Kinder ab dem Alter von einem Jahr auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege tritt ab dem 1. August 2013 in Kraft. Vor dem Hintergrund, dass die Ausbildungszeit von Erzieherinnen und Erziehern fünf Jahre beträgt, frage ich die Landesregierung: 1. Wie viele Plätze für Einjährige in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege sind landesweit vorhanden und wie viele sind zum 1. August 2013 zur Erfüllung des Rechtsanspruchs erforderlich (bitte alle gewünschten Angaben aufschlüsseln nach Jugend - amtsbezirken)? 2. Mit welcher Entwicklung der erforderlichen Anzahl der Kita-Plätze für die Altersgruppen von eins bis zwei, von zwei bis drei und ab drei Jahren rechnet die Landesregierung in den nächsten fünf Jahren (aufschlüsseln wie zuvor)? 3. Wie viele zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher werden landesweit in den nächsten fünf Jahren benötigt? 4. Wie viele Auszubildende werden voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren ihre Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzie- her abschließen (Angaben für jedes Jahr nach besuchter Schule aufschlüsseln)? 5. Wie viele Erzieherinnen und Erzieher werden landesweit voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren altersbedingt aus dem Be- rufsleben ausscheiden (Angabe für jedes Jahr)? 6. Wie viele unbesetzte Stellen für Erzieherinnen und Erzieher gibt es gegenwärtig in Rheinland-Pfalz? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 18. April 2012 wie folgt beantwortet: Zu den Fragen 1 und 2: Rheinland-Pfalz hat mit Stand Februar 2012 eine Versorgungsquote, nach der für 31,6 % der Kinder unter drei Jahren Plätze (30 133 Plätze, Stand 2/2012) in Kindertagesstätten angeboten werden können. Davon können 14 286 Plätze mit Einjährigen belegt werden, und zwar in Krippengruppen, in Gruppen mit Kleiner Altersmischung, Haus-für-Kinder-Gruppen und bei Geringfügigkeitsregelungen (Quelle: Platzstatistik/Versorgungsquote, Datenbank des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung zur Erteilung der Betriebserlaubnis). Eine Statistik über vorhandene Plätze in der Kindertagespflege liegt nicht vor, jedoch weist die amtliche Statistik die Anzahl der Kinder bzw. die Anzahl der Tagespflegepersonen aus, sodass hier Anhaltspunkte zur Versorgungssituation in Rheinland-Pfalz gegeben sind. Danach wurden zum Stichtag 1. März 2011 in Rheinland-Pfalz 2 888 Kinder ausschließlich in öffentlich geförderter Kinder tagespflege betreut. Für weitere 1 333 Kinder im Land war die öffentlich geförderte Kindertagespflege ein zusätzliches Betreuungsangebot zum Krippen-, Kindergarten- bzw. Hortplatz. Insgesamt wurden 1 986 Kinder im Alter von unter einem Jahr bis zum dritten Lebensjahr (U 3) in der öffentlich geförderten Kindertagespflege betreut. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 14. Mai 2012 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1164 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Bedarfsplanung obliegt gemäß § 9 Kindertagesstättengesetz (KitaG) dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Jugend - amt), der die erforderliche Bereitstellung von Plätzen für die Erfüllung des Rechtsanspruchs zu gewährleisten hat. Eine Bedarfsplanung auf Landesebene besteht entsprechend nicht. Das Land rechnet damit, dass die Ausbaudynamik der Plätze für Kinder unter drei Jahren weiter anhält, um eine Versorgungsquote von mind. 35 % im Jahr 2013 erfüllen zu können. Eine Aufschlüsselung nach Jugendamtsbezirken wird nicht ausgewiesen, da diese zu den aktuellen Ausbaudaten nicht vorliegt. Eine genaue Angabe zu Plätzen und evtl. Planungszielen wäre nur durch eine Detailabfrage bei allen 41 Jugendämtern in Rheinland-Pfalz möglich. Eine Abfrage bei allen Jugendämtern zur Bedarfsplanung übersteigt die erforderlichen zeitlichen Ressourcen zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage. Zu Frage 3: Die Landesregierung hat sich zur Unterstützung der Träger von Einrichtungen und der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe des Themas Fachkräftebedarf angenommen, um es datenbasiert und begründet in den Blick zu nehmen. Um den Personalbedarf in den Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege im Land zu ermitteln, hatte das Land die 2010 von Prof. Dr. Stefan Sell (Institut für Bildungs- und Sozialpolitik [ibus] an der Fachhochschule Koblenz) veröffentliche Studie zum Personalbedarf in Kinder - tageseinrichtungen und Kindertagespflege „Gibt es einen (drohenden) Fachkräftemangel im System der Kindertagesbetreuung in Rheinland-Pfalz“ in Auftrag gegeben (Kurzfassung der Studie unter: http://kita.bildung-rp.de/fileadmin/downloads/PDF_s/Presse meldungen/Zusammenfassung_Studie_Sell_Kersting_2010.pdf). Es wurden verschiedene Szenarien für den möglichen künftigen Personalbedarf berechnet, in denen sowohl die rechtlichen Rahmen - bedingungen und die Elternnachfrage nach Betreuungsmöglichkeiten als auch unterschiedliche Strategien der Personalpolitik der Träger von Kindertagesstätten und des Verhaltens von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern berücksichtigt werden. Zentrale Feststellung der Untersuchung war: Wenn die Nachfrage bei den Eltern von Kindern zwischen drei und sechs Jahren kons - tant bleibt, wenn rund 40 % aller Eltern von Kindern unter drei Jahren die Angebote nutzen würden und wenn man alle derzeit geltenden Rahmenbedingungen in die Zukunft fortschreibt, müssten im Jahr 2013 in den Kindertagesstätten rund 2 000 Erzieherinnen und Erzieher mehr beschäftigt werden und sich in der Tagespflege rund 550 mehr Personen engagieren als zum Zeitpunkt der Studie. Die Studie von Prof. Dr. Stefan Sell gibt aufgrund der biographischen Analysen Hinweise zur Deckung des notwendigen Fachkräftebedarfs . Zu Frage 4: Angaben zu den Erzieherinnen und Erziehern, die in den nächsten Jahren ihre Ausbildung voraussichtlich abschließen, können nur für die nächsten drei Jahre erfolgen, da der Bildungsgang Sozialpädagogik im Vollzeitunterricht drei Jahre dauert (§ 4 Abs. 3 Fachschulverordnung Sozialwesen). Insgesamt wird sich das Angebot an Schulplätzen an den Fachschulen Sozialwesen Fachrichtung Sozial pädagogik in den nächsten Jahren erhöhen, da zum Schuljahr 2012/2013 zwei neue Fachschulen Sozialwesen Fachrichtung Sozialpädagogik an der Berufsbildenden Schule Rodalben und der Berufsbildenden Schule Südliche Weinstraße errichtet werden und sich drei Fachschulen noch im Aufbau befinden. Im Schuljahr 2011/2012 stellt sich die Anzahl der Schülerinnen und Schüler und der Klassen (Vollzeit und Teilzeit) in den einzelnen Jahrgangsstufen der Fachschule für Sozialwesen Fachrichtung Sozialpädagogik an den einzelnen Schulen wie folgt dar: 2 Schule Klassen- Schülerinnen stufe und Schüler Klassen DRK Fachschule Alzey (privater Schulträger; im Aufbau befindlich) 1 27 1 kreuznacher diakonie Bad Kreuznach (privater Schulträger) 1 48 2 2 50 2 3 51 2 BBS Bad Neuenahr-Ahrweiler 1 59 2 2 31 1 3 36 2 BBS Boppard (im Aufbau befindlich) 1 73 3 2 52 2 Janusz-Korczak-Schule Boppard (privater Schulträger; letzter Jahrgang, 3 52 2 da Schule geschlossen wurde) BBS Koblenz Gew/Hsw/Soz 1 55 2 2 31 1 3 29 1 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1164 Die Schülerinnen und Schüler in der Klassenstufe 3 bzw. 4 (1 080 Schülerinnen und Schüler) werden voraussichtlich am Ende des Schuljahres 2011/2012, die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 2 (1 052 Schülerinnen und Schüler) voraussichtlich am Ende des Schuljahres 2012/2013 und die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 1 (1 314 Schülerinnen und Schüler) voraussichtlich am Ende des Schuljahres 2013/2014 den Besuch der Fachschule beenden. 3 Schule Klassen- Schülerinnen stufe und Schüler Klassen Hildegard-von-Bingen-Schule Koblenz (privater Schulträger) 1 46 2 2 43 2 3 47 2 Nikolaus-von-Weis-Schule Landstuhl (privater Schulträger) 1 122 5 2 78 3 3 88 4 4 25 1 BBS Linz 1 57 2 2 55 2 3 50 3 BBS Ludwigshafen Hauswirtschaft/Sozialwesen 1 110 4 2 102 4 3 104 6 BBS Mainz II Sophie-Scholl-Schule 1 136 5 2 106 4 3 124 6 Elisabeth-von-Thüringen-Schule Mainz (privater Schulträger) 1 75 3 2 45 2 3 47 2 Wilhelm-Emmanuel-von-Ketteler-Schule Mainz (privater Schulträger; 1 20 1 im Aufbau befindlich) *) BBS Prüm 1 66 2 2 77 3 3 56 2 BBS Rockenhausen 1 25 1 2 56 2 3 29 1 Evangelische Diakonissenanstalt Speyer (privater Schulträger) 1 78 3 2 51 2 3 55 1 BBS Trier Ernährung/Hauswirtschaft/Sozialwesen 1 148 5 2 131 5 3 133 5 St. Helena Schule Trier (privater Schulträger) 1 45 2 2 45 2 3 45 2 BBS Westerburg 1 29 1 2 29 1 3 34 2 BBS Wissen 1 51 2 2 42 2 3 38 2 BBS Worms Karl-Hofmann-Schule 1 49 2 2 28 1 3 37 2 Summe 1 bis 4 3 451 139 Quelle: Statistisches Landesamt/Amtliche Schulstatistik. *) Nachträgliche Korrektur der Klassenstufe bei der Wilhelm-Emmanuel-von-Ketteler-Schule Mainz. Drucksache 16/1164 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 4 Zu Frage 5: Aus der empirischen Untersuchung zum Personalbedarf in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege „Gibt es einen (drohenden ) Fachkräftemangel im System der Kindertagesbetreuung in Rheinland-Pfalz“ von Sell/Kersting (2010) geht hervor, dass sich die durchschnittliche Dauer einer Erwerbsbiografie von Erzieherinnen und Erziehern aufgrund von Erhebungsproblemen der biografischen Daten derzeit nicht abschließend bestimmen lässt. Personen, die direkt vor Eintritt in den Ruhestand als pädagogische Fachkraft arbeiteten, hatten ein Renteneintrittsalter von durchschnittlich etwa 59 Jahren. Verschiedene Anhaltspunkte, wie insbesondere die mit dem Tarifabschluss 2009 ausgehandelten Verbesserungen im Bereich der Gesundheitsförderung , sprechen dafür, dass sich das Renteneintrittsalter in den nächsten Jahren nach oben verschieben wird. In welchem Umfang dies der Fall sein könnte, lässt sich allerdings derzeit nicht beziffern. Befragungen im Rahmen der o. a. Studie haben ergeben, dass die Verrentungsthematik bei Arbeitgebern im Hinblick auf innerbetriebliche Maßnahmen zur Überwindung von Personalengpässen als wenig relevant betrachtet wird, obwohl in den nächsten Jahren mit zunehmenden alters- und verrentungsbedingten Abgängen aus dem System zu rechnen ist. In der Studie werden für das durchschnittliche Renteneintrittsalter in den verschiedenen Personaldeckungsszenarien unterschied - liche Annahmen getroffen, die in die modellhaften Hochrechnungen bis 2020 einfließen. Bei einer Fortschreibung der wesentlichen Parameter im Rahmen einer „Status quo“-Variante inklusive eines unveränderten Renteneintritts wurde ein durchschnittlicher zusätzlicher Personalbedarf von 2 000 Personen jährlich ab 2013 bis 2020 errechnet. Isolierte Hochrechnungen zum altersbedingten Ausscheiden aus dem Berufsleben in den nächsten fünf Jahren sind in der Studie nicht dargelegt worden. Die Studie „Der U 3-Ausbau und seine personellen Folgen“ von Rauschenbach/Schilling (2010) kommt für Rheinland-Pfalz in einer Modellrechnung zum insgesamt ausscheidenden pädagogischen Personal bezogen auf die nächsten fünf Jahre zu folgenden Ergebnissen : Übergang in Rente zwischen 2012 und 2013: 260 Fachkräfte, Übergang in Rente zwischen 2013 und 2014: 338 Fachkräfte, Übergang in Rente zwischen 2014 und 2015: 471 Fachkräfte, Übergang in Rente zwischen 2015 und 2016: 512 Fachkräfte, Übergang in Rente zwischen 2016 und 2017: 586 Fachkräfte. (Quelle: http://www.weiterbildungsinitiative.de/uploads/media/WiFF_Broschuere_zum_Personalnotstand_von_Rauschenbach_Schilling.pdf, S. 35 bis 36; Datengrundlage: Statistisches Bundesamt: Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen im März 2009, Wiesbaden 2009; Berechnungsmodell : Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik). Zu Frage 6: In Rheinland-Pfalz waren nach Angaben des Statistik-Service Südwest der Bundesagentur für Arbeit im Berichtsmonat März 2012 insgesamt 521 Arbeitsstellen in der Berufsordnung 864 „Kindergärtner/-innen, Kinderpfleger/-innen“ gemeldet. Davon waren 493 sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen, 18 geringfügige Arbeitsstellen und zehn sonstige Arbeitsstellen. Bezogen auf das Arbeitsfeld ist allerdings zu berücksichtigen, dass Neubesetzungen von Stellen bislang vor allem durch Inserate und eigene Mitarbeiter/Kontakte erfolgen, also in hohem Maße ohne Einschaltung der Arbeitsagenturen. Daher wird die tatsächliche Zahl an unbesetzten Stellen durch deren Statistik nur unvollständig erfasst. Anderweitige statistische Quellen für eine Auskunft über unbesetzte Stellen im Land sind aber nicht verfügbar. Irene Alt Staatsministerin