Drucksache 16/1256 23. 05. 2012 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Peter Enders (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Sortimentsverträge zwischen pharmazeutischen Unternehmen und Krankenkassen in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 799 vom 30. April 2012 hat folgenden Wortlaut: Im Bereich der Arzneimittel-Rabattverträge nach § 130 a Absatz 8 SGB V wurden seit dem Jahr 2007 teilweise sogenannte Sortiments - oder Portfolioverträge zwischen pharmazeutischen Unternehmen und Krankenkassen geschlossen. Diese Verträge werden in der Regel über das Gesamtsortiment eines Generikaherstellers abgeschlossen. Diese Verträge dürfen seit Anfang 2009, mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKVOrgWG ), nicht mehr abgeschlossen werden. Die Krankenkassen müssen alle Rabattverträge ausschreiben. Problematisch sind jedoch bereits geschlossene Verträge mit unbegrenzten Laufzeiten. Teilweise beinhalten die Verträge auch sogenannte Erweiterungs- und Aufnahmeklauseln, nach denen neu eingeführte Arzneimittel automatisch in den bestehenden Vertrag mit einbezogen werden. Derartige Verträge behindern den Wettbewerb und sind rechtswidrig. Das Bundesversicherungsamt, als Aufsichtsbehörde für die bundesunmittelbaren Krankenkassen, drängt seit 2009 darauf, dass die nicht ordnungsgemäß ausgeschriebenen Rabattverträge beendet werden. Das betrifft auch Rabattverträge, deren Laufzeit vier Jahre überschreitet. Den Tätigkeitsberichten des BVA und zuletzt einer Auskunft der Bundesregierung mit dem Stand vom Dezember 2011 (Deutscher Bundestag Drucksache 17/9115, Seite 3) ist zu entnehmen, dass die bundesunmittelbaren Krankenkassen zwar vermehrt Verträge ausschreiben, die Altverträge aber grundsätzlich weiter bestehen und in ihrem Umfang marktrelevant bleiben. Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit teilt die Landesregierung die Einschätzung des BVA bezüglich der Sortimentsverträge? 2. Inwieweit hat die Landesregierung Kenntnis über den Bestand solcher Altverträge innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Sozial ministeriums? 3. Inwieweit hat das zuständige Ministerium bereits Gebrauch gemacht von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen zur Beendigung ver- gaberechtswidriger Verträge bzw. sind solche beabsichtigt? 4. Inwieweit sieht sich das zuständige Ministerium aufgrund der zur Verfügung stehenden aufsichtsrechtlichen Mittel dazu in der Lage, für eine Bundes- und europarechtskonforme Umsetzung des Vergaberechts in seinem zuständigen Bereich Sorge zu tragen? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 23. Mai 2012 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Das Bundesversicherungsamt hat nach eigenen Angaben den bundesunmittelbaren Krankenkassen bereits im Jahr 2007 seine Auffassung mitgeteilt, dass Sortimentsverträge zwischen pharmazeutischen Unternehmen und Krankenkassen mangels Ausschreibungsverfahren vergaberechtswidrig und daher zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen seien. Anders, als zuletzt im Jahr 2009 in seinem Jahresbericht angekündigt, hat das Bundesversicherungsamt gegenüber den bundesunmittelbaren Krankenkassen aber seither keine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen ergriffen, um unbefristet gültige Portfolioverträge für Generika zu beenden. Das Bundesversicherungsamt hat keines der ihm zur Verfügung stehenden aufsichtsrechtlichen Mittel, wie zum Beispiel den Erlass eines Verpflichtungsbescheides, eingesetzt, um seine Rechtsmeinung durchzusetzen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 6. Juni 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1256 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Landesregierung teilt die Einschätzung des Bundesversicherungsamtes hinsichtlich der Sortimentsverträge insofern, als dass seit der Neufassung des § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zum 1. Januar 2009 neue Verträge, mit denen ein Hersteller einer Krankenkasse einen Preisnachlass auf sein gesamtes Arzneimittelportfolio oder zumindest einen Teil dessen einräumt, europaweit und wirkstoffbezogen ausgeschrieben werden müssen. Inwieweit alte Verträge mit langer Laufzeit beziehungsweise unbefristet gültige Verträge gekündigt und neu ausgeschrieben werden müssen, erfordert allerdings eine differenziertere Bewertung. Der Gesetzgeber hat bislang – auch nicht im Rahmen der angesprochenen Neufassung des § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – keine eindeutige Regelung für sogenannte Altverträge getroffen. So fehlen gesetzlich klare Regelungen, beispielsweise in Form einer gesetzlichen Begrenzung von Vertragslaufzeiten von Rabattverträgen. Aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit wird das Minis - terium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie daher eine Kündigung bestehender Sortimentsverträge mangels ein deutigem Rechtsverstoß von den unter seiner Aufsicht stehenden Krankenkassen derzeit nicht fordern und auch nicht fordern können. Die gesetzlichen Krankenkassen unterliegen laut dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch dem Wirtschaftlichkeitsprinzip und sind daher verpflichtet, mit den zugewiesenen Mitteln der Solidargemeinschaft wirtschaftlich umzugehen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es aktuell nicht angezeigt, bestehende Verträge mangels klarer rechtlicher Regelung und ohne adäquate Substitutionsverträge zu kündigen. Zu 2.: Nach Auskunft der AOK Rheinland-Pfalz-Saarland kam es nach Inkrafttreten des „Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung“ vom 26. März 2007 zwischen pharmazeutischen Unternehmen und der ehemaligen AOK Rheinland-Pfalz zu Rabattvertragsabschlüssen nach § 130 a Abs. 8 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Hierbei habe die AOK Rheinland-Pfalz immer darauf geachtet, allen Anbietern die Möglichkeit eines Rabattvertragsabschlusses einzuräumen. Dieses Verfahren habe es ermöglicht, allen auf dem Markt befindlichen Anbietern die Möglichkeit zu einem Rabattvertragsabschluss einzuräumen . Bestehende Altverträge würden sukzessive durch sogenannte „Bundesrabattverträge“ abgelöst. Der BKK Landesverband Mitte teilte dem Ministerium mit, dass die Betriebskrankenkassen im Regelfall bundesweite Dienstleister, zum Beispiel den Dienstleister SpectrumK, beauftragen, die namens und im Auftrag der jeweiligen Betriebskrankenkassen europaweite Ausschreibungen für die Regelversorgung für definierte Wirkstoffe durchführen. So seien bei den Krankenkassen, die Ausschreibungen beauftragt hätten, knapp 90 Prozent des Generikamarktes durch europaweite und wirkstoffbezogene Ausschreibungen abgedeckt. Diese Ausschreibungen würden regelmäßig durchgeführt und es wären zunehmend mehr Wirkstoffe umfasst. Darüber hinaus gebe es Verträge, die den Rest des Generikamarktes abdeckten. Es handele sich hierbei um Produkte, die zum Beispiel aufgrund ihres geringen Umsatzes nicht für Ausschreibungen geeignet seien, da sich keine Bieter finden würden. Es handele sich darüber hinaus um Verträge, die schon im Jahr 2005 abgeschlossen worden seien. Zum damaligen Zeitpunkt habe es keine Ausschreibeverpflichtung gegeben. Dennoch sei allen Generikafirmen die Möglichkeit eingeräumt worden, einen Rabattvertrag abzuschließen . Zu 3. und 4.: Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat bisher weder aufsichtsrechtliche Maßnahmen zur Beendigung vergaberechtswidriger Verträge ergriffen, noch sind solche beabsichtigt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die unter der Aufsicht des Landes stehenden Krankenkassen gegen bundes- oder europarechtliches Vergaberecht verstoßen. Zum einen ist der Abschluss von Rabattverträgen auch außerhalb des Vergaberechts nicht grundsätzlich unzulässig. Diese Auf fassung wurde auch vom Vergabesenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom 11. Januar 2012 (Az.: VII-Verg 57/11) bestätigt. Danach fehle es an einer Auswahl des Auftraggebers mit den damit verbundenen Problemen einer Diskriminierung unter den Bietern, der das Vergaberecht entgegentreten wolle, wenn jedes geeignete Unternehmen einen Vertrag mit einem öffentlichen Auftraggeber schließen könne. Zum Beispiel würden bei SpectrumK für alle Generikafirmen, die ein wirtschaftlicheres Angebot abgeben und die damit verbundenen Mindestanforderungen an die Rabatthöhe erfüllen, die Möglichkeit bestehen, einen Vertrag abzuschließen. Die Vergabeabsicht sei zudem veröffentlicht worden und damit die von der Rechtsprechung vorgegebenen Anforderungen an ein vergaberechtsfreies Zulassungsverfahren insoweit auch hier erfüllt. Malu Dreyer Staatsministerin