Drucksache 16/1265 24. 05. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Christine Schneider (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Impfvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und den Krankenkassen Die Kleine Anfrage 798 vom 30. April 2012 hat folgenden Wortlaut: Die Landesregierung hat eine Empfehlung für eine generelle Grippeschutzimpfung der Bevölkerung ausgesprochen. In der Presse ist immer wieder von Streitigkeiten über die Impfvereinbarungen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Kranken - kassen zu lesen. Daten aus dem Versorgungsatlas ergeben, dass die Bevölkerung in Rheinland-Pfalz im bundesweiten Vergleich eine sehr schlechte Impfrate aufweist. 1. Warum gelingt es der Landesregierung nicht, dass durch eine barrierefreie Regelung die Impfempfehlungen von den Kranken- kassen und den Ärzten umgesetzt werden? 2. Wird sich nach Auffassung der Landesregierung in den strukturschwachen Gebieten der Zugang der Bevölkerung zu einer Imp- fung nach der Kündigung der Sprechstundenvereinbarung verschlechtern? 3. Würde sich nach Auffassung der Landesregierung die Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum durch Sprechstunden- bedarfs-Regelungen verbessern? 4. Wie beurteilt die Landesregierung den Vorwurf, dass die Krankenkassen aufgrund wirtschaftlicher Vorteile den Zugang zu Imp- fungen erschweren, obwohl es sich um Pflichtleistungen handelt? 5. Welche Möglichkeiten plant die Landesregierung, der steigenden Impfskepsis entgegenzuwirken? 6. Welche Maßnahmen werden durchgeführt, um den Impfstatus von Erwachsenen zu überprüfen, und ist eine zeitnahe statis tische Erfassung geplant, die transparent zugänglich ist und ein frühzeitiges Handeln ermöglicht? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 24. Mai 2012 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Das deutsche Gesundheitssystem ist durch eine Übertragung des Sicherstellungsauftrags auf die Gemeinsame Selbstverwaltung bestehend aus den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen beziehungsweise deren Verbänden geprägt. Diese agieren als öffentlich-rechtliche Körperschaften und erfüllen die ihnen übertragenen Aufgaben in Eigenverantwortung unter der Rechtsaufsicht des Staates. Die Rechtsaufsicht erstreckt sich dabei ausschließlich auf die Einhaltung von Recht und Gesetz durch die Körperschaften und unter - scheidet sich damit deutlich von einer Fachaufsicht, die sich auch auf die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns bezieht. Die Rechtsaufsicht ist damit das Gegenstück zur Selbstverwaltung, da die Tatsache, dass der Staat Aufgaben rechtlich selbstständigen Verwaltungsträgern zuweist, nicht dazu führen darf, dass die Gesetzesbindung gelockert wird. Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie als zuständige Aufsichtsbehörde hat dafür Sorge zu tragen, dass die ihrer Aufsicht unterstehenden Körperschaften die Gesetze einhalten und die ihr durch Gesetz auferlegten Pflichten erfüllen. Sie kann beziehungsweise darf nur in den Fällen einschreiten, in denen ein rechtswidriges Verhalten zu befürchten ist, und muss dabei den Gestaltungsspielraum der Körperschaften berücksichtigen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 6. Juni 2012 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1265 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die vertragsärztliche Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten wird in Deutschland durch die Gemeinsame Selbstverwaltung mit Hilfe von vertraglichen Regelungen der gemeinsamen Beziehungen sowie durch die Zusammenarbeit in gemeinsamen Gremien sichergestellt. Dies umfasst auch die Versorgung der Menschen mit Impfleistungen. Der gesetzliche Sicherstellungsauftrag für die Versorgung mit Schutzimpfungen liegt nach § 132 e des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bei den Krankenkassen. Gesetzlich Krankenversicherte haben nach § 20 d Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch grundsätzlich Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen im Sinne des § 2 Nr. 9 des Infektionsschutzgesetzes. Einzelheiten zu Voraussetzungen sowie Art und Umfang der Leistungen bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in der Schutzimpfungsrichtlinie auf der Grundlage der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut (STIKO). Das Robert Koch-Institut ist die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention . Zu seinen Kernaufgaben gehören die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten, insbesondere der Infektions - krankheiten. Die Ständige Impfkommission ist ein unabhängiges Expertengremium, dessen Tätigkeit vom Robert Koch-Institut koordiniert und unterstützt wird. Sie entwickelt die in Deutschland als wissenschaftlicher Standard akzeptierten Empfehlungen, welche Impfung wann im Allgemeinen und für wen im Besonderen sinnvoll ist. Die Entscheidung, welche Impfungen im Einzelnen von der gesetzlichen Krankenversicherung als Pflichtleistung zu übernehmen sind, trifft somit nicht die Landesregierung, sondern der Gemeinsame Bundesausschuss als Einrichtung der Selbstverwaltung. Über die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses hinaus können die Krankenkassen weitere Schutzimpfungen als frei willige Satzungsleistung anbieten. Es liegt im Ermessen der einzelnen Krankenkasse, ob sie ihren Versicherten ein derartiges Zusatzangebot unterbreitet. Auch hier sind entsprechende Beschlüsse der Selbstverwaltung erforderlich, die nicht erzwungen werden können. Die gesetzlichen Krankenkassen in Rheinland-Pfalz übernehmen die Kosten für alle Impfungen, die aufgrund der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) in die Schutzimpfungsrichtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses aufgenommen wurden. Hierzu zählen auch die Impfungen gegen Influenza für Schwangere ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel , für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge verschiedener Grund - leiden, für Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen, für Personen über 60 Jahren sowie für Personen mit erhöhter Gefährdung, zum Beispiel medizinisches Personal oder Personen, die in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr tätig sind. Aus Sicht der Landesregierung ist es wünschenswert, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger gegen Influenza schützen. Daher vertritt die Landesregierung seit Jahren die Auffassung, dass auch Menschen außerhalb der in der Schutzimpfungsrichtlinie aufgeführten Personenkreise von der Grippeschutzimpfung profitieren können, indem sie selbst nicht erkranken und die Infektkette zur Weiterverbreitung in der Bevölkerung unterbrechen. Wie in den anderen Ländern auch, wurde 2005 vor dem Hintergrund einer drohenden Influenza-Pandemie die Impfung gegen Influenza für alle Personen in die rheinland-pfälzische Verwaltungsvorschrift der „Öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen im Sinne des § 20 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes“ aufgenommen. Die wesentliche Bedeutung der öffentlichen Empfehlung von Schutzimpfungen durch die einzelnen Länder liegt in der rechtlichen Absicherung des impfenden Arztes und der Versorgung des Geimpften im Falle des Auftretens eines Gesundheitsschadens als Folge einer Impfung. Mit der öffentlichen Impfempfehlung sind die Voraussetzungen geschaffen, dass bei einem eventuellen Impfschaden eine staatliche Entschädigung gewährt wird. Eine Kostenübernahme von Impfungen durch die gesetzlichen Krankenkassen ist damit nicht verknüpft. Zur Sicherstellung der Versorgung mit Impfungen schließen die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen miteinander Impfvereinbarungen sowie Sprechstundenbedarfsvereinbarungen ab. Die Impfvereinbarung zur Durchführung von Erst- und Folgeimpfungen gegen übertragbare Krankheiten regelt die Vergütung der ärztlichen Impfleistung für alle Impfungen gemäß der Schutzimpfungsrichtlinie. Die Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und den Krankenkassen regelt die Verordnungsfähigkeit und Verordnungsbedingungen unter anderem von Impf stoffen zu Lasten der AOK Rheinland-Pfalz-Saarland, die intern mit den anderen Krankenkassen abrechnet. Darüber hinaus ist in der Sprechstundenbedarfsvereinbarung geregelt, wie die Prüfung des verordneten Sprechstundenbedarfs erfolgt. Beide Vereinbarungen werden zwischen den genannten Vertragsparteien verhandelt und abgeschlossen, die Landesregierung ist an diesen Verhandlungen der Selbstverwaltung nicht beteiligt. Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz hatte als Reaktion auf Prüfanträge der Krankenkassen die mit den einzelnen Kassen arten abgeschlossenen Impfvereinbarungen zum 31. März 2012 gekündigt. Die Impfvereinbarungen der rheinland-pfälzischen Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Vereinbarung Rheinland-Pfalz regeln unter anderem die Vergütungshöhe der Impfleis - 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1265 tungen durch die Ärzteschaft. Diese Impfungen werden von den Krankenkassen extrabudgetär als Einzelleistungen vergütet und stellen daher eine wichtige Einnahmequelle für die Praxen dar. Bereits Anfang Januar 2012 hatte das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie eindringlich an die Vertragsparteien appelliert, zeitnah Verhandlungen über den Abschluss neuer Vereinbarungen aufzunehmen. Mittlerweile konnten sich die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz und die rheinland-pfälzischen Krankenkassen über eine neue Impfvereinbarung und über ein Procedere bei der Prüfung der verordneten Impfstoffe verständigen. Insofern sind dem Grunde nach die Rahmenbedingungen geschaffen, um eine bessere Durchimpfungsrate bei der Bevölkerung zu erreichen. Zu 2. und 3.: Bei der „Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf“ (Sprechstundenbedarfsvereinbarung) vom 22. Juni 2009 zwischen Kassenärztlicher Vereinigung Rheinland-Pfalz und den rheinland-pfälzischen Krankenkassen handelt es sich um eine Vereinbarung, die nach Ziffer VI. 3. im Falle einer Kündigung bis zum Abschluss einer neuen Sprechstundenbedarfsvereinbarung weiter gilt. Es ist daher nicht zu befürchten, dass sich nach einer Kündigung der Sprechstundenbedarfsvereinbarung der Zugang der Bevölkerung zu einer Impfung generell und in strukturschwachen Gebieten im Besonderen verschlechtern könnte. Nachdem die Sprechstundenbedarfsvereinbarung von der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz mit Wirkung zum 31. Dezember 2012 gekündigt worden war, war es im Interesse aller Beteiligten, sich – im Zusammenhang mit den Verhandlungen über eine neue Impfvereinbarung – auf eine neue Sprechstundenbedarfsvereinbarung zu verständigen. Die Landesregierung hatte hierauf mehrfach hingewiesen und eindringlich an die Kassenärztliche Vereinigung und auch an die Kranken kassen appelliert, sich zeitnah auf eine Anschlussvereinbarung zu verständigen. Beteiligt an den Verhandlungen war die Landesregierung aus den zu Frage 1 ausgeführten Gründen aber nicht. Am 17. Januar 2012 verständigten sich der Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland-Pfalz-Saarland und der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz in einem Spitzengespräch auf die Eckpunkte einer Lösung. Zwischenzeitlich ist auch eine schriftlich fixierte Einigung zwischen den Parteien erfolgt. Mit Wirkung ab dem 1. April 2012 wurden sowohl eine neue Sprechstundenbedarfsvereinbarung als auch neue Impfvereinbarungen aller Krankenkassen abgeschlossen. Damit ist gewährleistet, dass sich der Zugang der Bevölkerung zu einer Impfung nicht verschlechtern wird. Die genannten Verein barungen schaffen die Rahmenbedingungen dafür, dass Impfungen entsprechend der Schutzimpfungsrichtlinie von allen Versicherten unabhängig von ihrem Wohnort in Anspruch genommen werden können. Zu 4.: Der Landesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die gesetzlichen Krankenkassen in Rheinland-Pfalz in der Hoffnung auf wirtschaftliche Vorteile den Zugang zu Impfungen erschweren. Entsprechende Beschwerden, zum Beispiel von Ver - sicherten, liegen dem Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie als Aufsichtsbehörde über die landesunmittelbaren Kassen nicht vor. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz erhebt einen solchen Vorwurf nicht. Sie verweist im Gegenteil auf die Bereitschaft der Krankenkassen in Rheinland-Pfalz, zum 1. April 2012 eine neue Impfvereinbarung abzuschließen. Zu 5.: Die Landesregierung hält Information und Aufklärung für die wichtigsten Elemente, um die Impfbereitschaft hochzuhalten. In der rheinland-pfälzischen Impfkommission werden gemeinsam mit Ärzteschaft, öffentlichem Gesundheitsdienst, Kassen, Verbänden und anderen Partnern Impfkampagnen entworfen und Impfaktivitäten der Ärzteschaft und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes geplant. Aktuelle Schwerpunkte sind Impfkampagnen gegen Masern und Influenza. Auch auf Bundesebene macht sich die Landesregierung seit Jahren für diese Thematik stark. Zum Beispiel beschloss die Gesundheitsministerkonferenz auf Antrag des Landes Rheinland-Pfalz, regelmäßig nationale Impfkonferenzen durchzuführen, um allen am Impfen Beteiligten eine gemeinsame Plattform zum Austausch zu bieten, einen Konsens zu konkreten Impfzielen zu finden und die Kommunikation mit Impfskeptikern zu suchen. Die erste der nun alle zwei Jahre stattfindenden Nationalen Impfkonferenzen wurde im März 2009 in Mainz durchgeführt. Dort wurde auf Initiative der rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerin die Schaffung eines Nationalen Impfplanes beschlossen, der zwischenzeitlich fertiggestellt wurde und kurz vor der Veröffentlichung steht. Neben gemeinsamen Zielen zum Impfen in Deutschland sind dort umfassende Informationen für Fachleute und interessierte Laien zu allen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Impfen dargestellt. Zu 6.: Es gibt aktuell bei Erwachsenen keine bundesweite Erfassung von Impfungen oder eine entsprechende Meldepflicht für die Ärzteschaft . Auf Bundes- und Landesebene können die Daten der Kassenärztlichen Vereinigung zur orientierenden Impfstatuserfassung von Erwachsenen herangezogen werden. Zu einzelnen Impfungen sind sie im Internet im Versorgungsatlas des Zentralinstituts für 3 Drucksache 16/1265 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode die kassenärztliche Versorgung (ZI) öffentlich zugänglich. Außerdem dienen landesweite Stichprobenerhebungen durch den öffent - lichen Gesundheitsdienst und bundesweite Stichprobenerhebungen des Robert Koch-Instituts der Impfstatuserfassung auch im Erwachsenenalter . Derzeit ist keine Meldepflicht für Impfungen vorgesehen. Malu Dreyer Staatsministerin 4