Drucksache 16/1288 01. 06. 2012 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Martin Brandl (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Vorgehen gegen Glücksspielsucht Die Kleine Anfrage 829 vom 10. Mai 2012 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hat sich die Zahl der von Glücksspielsucht Betroffenen in den letzten fünf Jahren entwickelt? 2. Welchen Anteil stellen dabei Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene? 3. Mit welchen Maßnahmen – im Rahmen des Schulunterrichts und außerhalb – wirkt die Landesregierung der Glücksspielsucht insbesondere bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen entgegen? 4. Inwiefern sind diese Maßnahmen erfolgreich? 5. Wie viele genehmigte Glücksspielautomaten gibt es im Kreis Germersheim? 6. Wie hat sich die Zahl der aufgestellten Automaten in den letzten fünf Jahren entwickelt? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 1. Juni 2012 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Spezifische Daten zur Epidemiologie der Glücksspielsucht in Rheinland-Pfalz liegen nicht vor. Die auf der Grundlage von Repräsentativerhebungen ermittelten bundesweiten Prävalenzraten stellen sich je nach Erhebung unterschiedlich dar. So ermittelten Bühringer et. al. (2007) Prävalenzraten von 0,29 Prozent für problematisches und 0,20 Prozent für pathologisches Spielverhalten. Buth und Stöver (2008) kamen zu Prävalenzraten in Höhe 0,64 Prozent beim problematischen und 0,56 Prozent beim patholo gischen Spielverhalten. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung führt seit dem Jahr 2007 in zweijährigem Rhythmus eine bundesweite Befragung durch und kommt zu folgenden Prävalenzraten: Rechnet man die Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf Rheinland-Pfalz um, ergibt sich über die Erhebungszeiträume eine Bandbreite von 16 400 bis 20 400 Personen mit problematischem Glücksspielverhalten und 7 600 bis 19 600 Menschen mit pathologischem Glücksspielverhalten. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 6. Juni 2012 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode 2007 2009 2011 Problematisches Spielverhalten 0,41 % 0,64 % 0,51 % Pathologisches Spielverhalten 0,19 % 0,45 % 0,49 % Drucksache 16/1288 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu 2.: Die Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung weist im Jahr 2011 die Zwölfmonatsprävalenz des problematischen beziehungsweise pathologischen Glücksspiels nach Altersgruppen folgendermaßen aus: Während sich die Befragungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung an die 16- bis einschließlich 65-jährige Bevölkerung richten, wurden in einer Studie der Ambulanz für Spielsucht der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz im Auftrag des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie explizit Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren befragt. Mittels international gültiger Kriterien zur Klassifizierung problematischen Glücksspielverhaltens bei Jugendlichen (zum Beispiel Eingenommenheit, Kontrollverlust, Entzugserscheinungen , Verlusten hinterherjagen, Ausführen antisozialer Handlungen) wurde die Glücksspielnutzung der Teilnehmer als unproblematisch, gefährdet oder problematisch kategorisiert. Insgesamt 2,2 Prozent aller Befragten sind als problematische und weitere 3,7 Prozent als gefährdete Glücksspielnutzer einzustufen. Bei Betrachtung der Minderjährigen (zwölf bis 17 Jahre) wurden 1,9 Prozent als problematische und 3,6 Prozent als gefährdete Glücksspieler klassifiziert. Hochrechnungen der Ambulanz für Spielsucht ergeben eine Schätzung von 4 963 problematischen und 9 404 gefährdeten minderjährigen Spielern in Rheinland-Pfalz. Zu 3.: Die nach § 2 des Landesgesetzes zu dem Glücksspielstaatsvertrag (Landesglücksspielgesetz – LGlüG) zur Verfügung gestellten Mittel ermöglichten es, das Landesprogramm „Glücksspielsuchtprävention und Beratung Spielsüchtiger“ aufzulegen und damit in der Spielsuchtprävention und der Beratung Spielsüchtiger besondere Schwerpunkte zu setzen. So fördert das Land seit dem Jahr 2008 aus diesen Mitteln die in Anbindung an das Büro für Suchtprävention der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in RheinlandPfalz e. V. eingerichtete Fachstelle „Prävention der Glücksspielsucht“. Zudem wurden in Anbindung an bestehende Suchtberatungs - stellen 15 zusätzliche Vollzeitstellen als regionale Fachstellen Glücksspielsucht eingerichtet. Die regionalen Fachstellen sind zuständig für die Bereiche Prävention, Beratung sowie Schuldnerberatung. Im Mittelpunkt moderner Suchtprävention steht der Ansatz der Lebenskompetenzförderung und das Erlernen eines Umgangs mit risikoreichen Situationen, hier also dem Spielen. Alle lebenskompetenzfördernden Maßnahmen zur Suchtprävention in Schulen, die auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift „Suchtprävention in der Schule und Verhalten bei suchtmittelbedingten Auf - fälligkeiten“ des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur umgesetzt werden, greifen stoffgebundene oder stoffungebundene Suchten gleichermaßen auf. Die Fachstelle „Prävention der Glücksspielsucht“ der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e. V. und die regionalen Fachstellen setzen insbesondere spezifische Maßnahmen zur Glücksspielsuchtprävention für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene um, da sie zu einer Risikogruppe hinsichtlich einer möglichen Spielsuchtentwicklung zählen. Ziel der spezifischen Suchtprävention im Hinblick auf Glücksspielsucht ist es, Jugendliche zu begleiten und einen verantwortungsvollen Umgang mit den Anreizen des Glücksspiels zu erlangen. Aufgrund der bekannten Risiken für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, ein problematisches Glücksspielverhalten zu entwickeln, richtet sich die Mehrzahl der Präventionsmaßnahmen der regionalen Fachstellen an diese Zielgruppe. Im Jahr 2011 war das Thema „Glückspielsuchtprävention “ Schwerpunkt in 45 Veranstaltungen für Kinder bis 13 Jahre, in 77 Veranstaltungen für Jugendliche und in 64 Veranstaltungen für junge Erwachsene. Das Setting war bei 81 Maßnahmen die Schule, bei 26 Maßnahmen der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und bei 31 Maßnahmen der Bereich Familie. Die Fachstelle „Prävention der Glücksspielsucht“ der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e. V. bietet auch Fortbildungen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Lehrkräfte an. So findet als landesweite Veranstaltung seit dem Jahr 2008 einmal jährlich ein Fachtag zu glücksspielsuchtrelevanten Themen statt. In Kooperation mit den regionalen Fachstellen wird seit dem Jahr 2010 jährlich ein Aktionstag umgesetzt, bei denen auch die Kooperationspartnerinnen und -partner aus Schule und außerschulischer Jugendarbeit vor Ort mitwirken. Begleitend zu den Maßnahmen und Projekten werden Materialien entwickelt und bereitgestellt. Auch hier stehen Jugendschutz, Spielerschutz und Lebenskompetenzförderung im Vordergrund. Beispiele für Materialien sind der Flyer „Sie werden gespielt?“ (mit Hinweisen auf Hilfeangebote), Materialien zum Jugendschutz und die Reihe „Elterninfo“ (Elterninfo 4: Kinder & Medien, Eltern - info 5: Spiel mit mir!, Elterninfo 16: Glück im Spiel, Elterninfo 24: Fantasie, Elterninfo 28: Taschengeld). Die Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e. V. bietet auch im Bereich der Glücksspielsucht Online-Fortbildungen an. Neben den Schulungsangeboten für die staatlichen Glücksspielanbieter gibt es auch Online-Fortbildungen für Fach- 2 Altersgruppe Prozent 16 bis 17 Jahre 1,31 18 bis 20 Jahre 1,61 21 bis 25 Jahre 1,42 26 bis 35 Jahre 1,05 36 bis 45 Jahre 0,78 46 bis 65 Jahre 0,89 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1288 kräfte und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Die Online-Fortbildung „Pathologisches Glücksspiel: Informationen und Prävention“ richtet sich an Fachkräfte, die im beruflichen Kontext mit der möglichen Glücksspielsucht anderer konfrontiert sind. Ziele sind, grundlegende Informationen zu Glücksspielsucht, dem Hilfesystem und möglicher Früherkennung zu vermitteln. Zu 4.: Die Evaluation von Maßnahmen der Verhaltensprävention für Jugendliche steht allgemein in Deutschland noch am Anfang. Ein Blick auf die Fachliteratur zeigt, dass weltweit nur wenige Evaluationen von schulischen und außerschulischen Präventionsmaßnahmen zu Glücksspielsucht existieren. In diesem Bereich besteht noch ein Evaluationsbedarf. Die bisherigen Erkenntnisse ermöglichen jedoch wichtige Schlussfolgerungen für Maßnahmen der schulbasierten Glücksspiel-Prävention in Deutschland (zum Beispiel die Effektivität aus der Kombination aus Informationsvermittlung und Lebenskompetenzförderung). Diesen Ansatz greifen auch die Regionalen Fachstellen in ihren Präventionsprojekten auf. Aus anderen Bereichen der Suchtprävention, wie beispiels weise der Tabakprävention, sind in den letzten Jahren hinreichend gute Ergebnisse in der Kombination aus Verhaltens- und Verhältnis - prävention erzielt worden. Diese werden aktuell in den Bereich der Glücksspielsuchtprävention transferiert. Die landesweiten Veranstaltungen durch die Fachstelle Glücksspielsuchtprävention des Büros für Suchtprävention (Fachtage, Schulungen der staatlichen Glücksspielanbieter) werden jeweils evaluiert und zeigen, dass ein Wissenszuwachs stattfindet. Auch die Evaluation der Projekte in den Regionen durch die Regionalen Fachstellen belegt, dass die Maßnahmen einen Informationsgewinn für die Jugendlichen haben. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erhebt in ihren Studien auch die Wahrnehmung ihrer eigenen Informationsangebote zu den Gefahren des Glücksspiels. Dabei hat sich gezeigt, dass sich die Reichweite von Informationsangeboten über verschiedene Medien von 2007 bis 2011 kontinuierlich erhöht hat. Die größte Verbreitung hatten im Jahr 2011 Anzeigen (29,3 Prozent ), gefolgt von Werbespots zu Glücksspielgefahren im Radio (29 Prozent), Informationen in Lotto-Annahmestellen (28 Prozent) und Werbespots zu den Gefahren des Glücksspiels im Fernsehen (27,5 Prozent). Ebenfalls sukzessive erhöht hat sich in der Bevölkerung seit dem Jahr 2007 die Kenntnis von Hilfeeinrichtungen zur Glücksspielsucht. Zu 5.: Nach den dem Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung vorliegenden Informationen sind im Zuständigkeitsbereich des Landkreises Germersheim circa 288 genehmigte Geldspielgeräte aufgestellt. Zu 6.: Laut Auskunft des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung werden keine entsprechenden Statistiken geführt. Malu Dreyer Staatsministerin 3