Drucksache 16/1402 06. 07. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Kathrin Anklam-Trapp und Dr. Tanja Machalet (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Mindestlohn im Einzelhandel Die Kleine Anfrage 902 vom 21. Juni 2012 hat folgenden Wortlaut: Die Einführung eines branchenweiten Mindestlohns im Einzelhandel ist Ende Mai 2012 gescheitert. Nach wie vor müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem Stundenlohn von weniger als sieben Euro auskommen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung diese Entwicklung, gerade im Hinblick auf Rheinland-Pfalz? 2. Welche Ursachen liegen dieser Entwicklung zugrunde? 3. Sind aus Sicht der Landesregierung andere Möglichkeiten zur Einführung eines Min dest lohns im Einzelhandel möglich? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 6. Juli 2012 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Landesregierung bedauert, dass nach den aktuell vorliegenden Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Allgemeinverbindlichkeitserklärung einer Entgeltuntergrenze für die Beschäftigten im Einzelhandel nicht möglich erscheint. Nach den Zahlen des IAB wird das für eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung erforderliche Quorum einer Tarifbindung von 50 Pro - zent derzeit nicht erreicht – im Westen arbeiteten 44 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb, der an den Branchentarifvertrag gebunden ist, im Osten sogar lediglich 27 Prozent. Die Gewerkschaft ver.di hat angekündigt, die vom IAB ermittelten Zahlen zu überprüfen. Dieses Ergebnis ist für eine endgültige Einschätzung abzuwarten. Aus Sicht der Landesregierung wäre die Einführung einer tariflichen Entgeltuntergrenze im Einzelhandel ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und würde zu einer wesentlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen einer Vielzahl von Beschäftigten im Einzelhandel führen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den großen Niedriglohnsektor in Deutschland, der in seinen Folgen zu erheblichen Problemen für die Betroffenen, die Sozialversicherungssysteme und für das gesamtgesellschaftliche Gefüge führt. Zu 2.: Aus Sicht der Landesregierung ist eine wesentliche Ursache dieser Entwicklung die deutliche Abnahme der Tarifbindung seit den 1990er Jahren. Nach aktuellen Zahlen sind heute gerade noch ein Drittel der Betriebe und gut die Hälfte der Beschäftigten durch einen Tarifvertrag erfasst. Die abnehmende Tarifbindung auf Arbeitgeberseite in den vergangenen Jahren begünstigt untertarifliche Bezahlung und verhindert gleichzeitig die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen, die ein wesentliches ordnungs- und struk- Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 24. Juli 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1402 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode turpolitisches Instrument darstellt, um für verbindliche einheitliche Mindestarbeitsbedingungen zu sorgen. Zu 3.: Aus Sicht der Landesregierung ist unter anderem eine Stärkung des Tarifsystems unerlässlich, um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Deutschland herbeizuführen. Die Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen stellt hierbei ein wichtiges Instrument dar, um Lohndumping und die zunehmende Prekarisierung von Arbeit zu verhindern. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist nach Einschätzung der Landesregierung die derzeit geltende Rechtslage zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen als nicht mehr zeitgemäß anzusehen. Die gesetzlichen Kriterien sind daher entsprechend zu ändern, damit das Instrument der Allgemeinverbindlichkeitserklärung weiterhin wirksam eingesetzt werden kann. Darüber hinaus verdeutlicht die Entwicklung im Einzelhandel einmal mehr sehr eindrücklich, wie wichtig und unerlässlich die Einführung eines allgemeinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland ist. Auch den Beschäftigten im Einzelhandel würde ein gesetzlicher Mindestlohn entscheidend weiterhelfen, denn er ist aus Sicht der Landesregierung das wirksamste Mittel gegen Niedriglöhne und daraus resultierende Altersarmut. Malu Dreyer Staatsministerin