LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 3. September 2012 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Axel Wilke (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Zusätzliche Betreuungsleistungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz Die Kleine Anfrage 980 vom 25. Juli 2012 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie vielen Menschen haben die in Rheinland-Pfalz ansässigen Pflegekassen seit 1. Juli 2008 die Gewährung zusätzlicher Betreu- ungsleistungen gemäß § 45 SGB XI zuerkannt? 2. Wie viele Berechtigte haben die ihnen zustehenden Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen? Welcher Kostenaufwand ist den Pflegekassen dadurch entstanden (bitte exakte Zahl, hilfsweise Schätzung)? 3. Wie beurteilt die Landesregierung die praktische Akzeptanz der zusätzlichen Betreuungsleistungen bei den Pflegekassen, den be- troffenen Menschen und ihren Familien? 4. Wenn es eine mehr als geringfügige Diskrepanz zwischen Anspruchsberechtigten und Leistungsbeziehern gibt, was sind dafür die Ursachen? Hält die Landesregierung die Aufklärung der Betroffenen über die ihnen gewährte Leistung für ausreichend? 5. Was gedenkt die Landesregierung zu unternehmen, um die betroffenen Menschen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche zu un- terstützen? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 15. August 2012 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Hinsichtlich der Gesamtzahl der Menschen in Rheinland-Pfalz, die durch die Pflegekassen seit dem 1. Juli 2008 eine Gewährung zusätzlicher Betreuungsleistungen gemäß § 45 b des Elften Buches Sozialgesetzbuch zuerkannt bekommen haben, liegen der Landesregierung keine aussagekräftigen Daten vor, da diese Zahl nicht verpflichtend im Rahmen der Bundesstatistik durch die Pflege - kassen erhoben werden muss. Der Leistungsanspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen muss von der Pflegekasse festgestellt werden. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung begutachtet hierfür die Antragstellerin oder den Antragsteller und gibt gegenüber der Pflegekasse eine Empfehlung ab. Ist ein Leistungsanspruch festgestellt, stellt die Pflegekasse jährlich bis zu 2 400 Euro für zusätzliche Betreuungsleistungen zur Verfügung. Laut Angaben des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz unterscheidet dieser in seiner Statistik bezüglich der Begutachtungen gemäß § 45 b des Elften Buches Sozialgesetzbuch lediglich zwischen Erst- und Folgegutachten. Die in diesem Zusammenhang vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz übermittelten Zahlen stellen sich wie folgt dar: Drucksache 16/1494 16. 08. 2012 Drucksache 16/1494 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 2. Halbjahr 2008 Erstgutachten: 2 648 Folgegutachten: 3 711 Summe: 6 359 2009 Erstgutachten: 5 604 Folgegutachten: 5 635 Summe: 11 239 2010 Erstgutachten: 6 677 Folgegutachten: 7 285 Summe: 13 962 2011 Erstgutachten: 6 870 Folgegutachten: 8 206 Summe: 15 076 1. Halbjahr 2012 Erstgutachten: 4 237 Folgegutachten: 4 280 Summe: 8 517 Die Zahl der Menschen, die einen entsprechenden Leistungsanspruch zuerkannt bekommen haben, kann aus den oben genannten Zahlen nicht abgeleitet werden, da davon auszugehen ist, dass es zu Dopplungen einzelner Personen bei den Erst- und Folge gutachten gekommen ist. Die Zahlen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz zeigen in der Tendenz aber einen stetigen Anstieg der Erst- und Folgegutachten. Über die Ergebnisse der Gutachten (Empfehlung der Anerkennung oder Ablehnung eines Leistungsanspruchs) liegen der Landesregierung keine fundierten Daten vor. Zu 2.: Der Landesregierung liegen keine aussagekräftigen Zahlen bezüglich der Berechtigten vor, die in Rheinland-Pfalz die ihnen zu - stehenden Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen haben, Zahlen bezüglich des entsprechenden Kostenaufwands der jeweiligen Pflegekassen demzufolge auch nicht. Dem BARMER GEK Pflegereport 2011 kann auf den Seiten 213 ff. entnommen werden, dass die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer (bundesweit), die die zusätzlichen Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen, ab dem 3. Quartal 2008 sprunghaft angestiegen ist. So liegt die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer in diesem Quartal bei 64 000, bis zum 4. Quartal 2010 ist diese Zahl auf 163 000 Personen angestiegen (vgl. hierzu: Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 11, BARMER GEK Pflegereport 2011, www.barmergek .de). Weiterhin kann dieser Studie auf Seite 218 entnommen werden, dass sich die Gesamtausgaben aller Pflegekassen für zusätzliche Betreuungsleistungen ausweislich der Bundeskassenstatistik von rund 30 Mio. Euro im Jahr 2007 auf rund 280 Mio. Euro im Jahr 2010 erhöht haben. Zu 3.: Die Landesregierung setzt sich seit Jahren dafür ein, die zusätzlichen Betreuungsleistungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz zu erhöhen. Der Bundesgesetzgeber ist diesem Anliegen gefolgt und es konnte mittlerweile erreicht werden, dass je Person und Jahr bis zu 2 400 Euro durch die Pflegekassen zur Verfügung stehen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt werden. Die seit Jahren kontinuierlich und stark steigenden Zahlen belegen, wie wichtig für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen Entlastungsangebote, beispielsweise niedrigschwellige Betreuungsangebote, sind. Niedrigschwellige Betreuungsangebote sind Angebote, bei denen qualifizierte ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung in Gruppen oder zu Hause übernehmen, pflegende Angehörige entlasten und beratend unterstützen. Hierzu zählen Betreuungsgruppen für Personen mit demenziellen Erkrankungen, Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger, Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1494 3 In Rheinland-Pfalz gibt es rund 260 anerkannte niedrigschwellige Betreuungsangebote. Diese werden nach entsprechender Antragstellung finanziell unterstützt durch die Pflegekasssen (Finanzierungsanteil: 50 Prozent) sowie die Landkreise/kreis freien Städte und das Land (jeweils 25 Prozent Finanzierungsanteil). Den Verwendungsnachweisen der geförderten Angebote des Jahres 2010 kann entnommen werden, dass 1 856 ehrenamtliche Personen insgesamt 2 922 pflegebedürftige Personen betreut haben und dabei 193 047 ehrenamtliche Einsatzstunden leisteten. Zu 4.: Dem Abschlussbericht zur Studie „Wirkungen des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes“ des Bundesministeriums für Gesundheit (www.bundesgesundheitsministerium.de) kann auf den Seiten 41 und 42 entnommen werden, dass bundesweit bei 19 Prozent der Pflegebedürftigen eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz anerkannt wurde. Abrechnungsfähige Leistungen beziehen allerdings nur 37 Prozent der Leistungsberechtigten. Diese Differenz zwischen Anspruch und tatsächlichen Inanspruchnahme liegt auch darin begründet, dass die betroffenen Menschen nicht durch fremde Personen betreut werden möchten. Die Landesregierung hält die Aufklärung der Betroffenen durch die Pflegekassen, beispielsweise durch die jeweiligen Internetseiten , Flyer, Broschüren, Beratungen in den Geschäftsstellen oder durch die Übersendung von Informationen im Rahmen der Erteilung der Bescheide sowie aufgrund des bundesweit einmaligen Angebotes der 135 rheinland-pfälzischen Pflegestützpunkte für ausreichend. Zu 5.: Rheinland-Pfalz verfügt über eine umfassende pflegerische Infrastruktur und eine gute ambulante und stationäre Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Die Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgung hat für die Landesregierung einen hohen Stellenwert. Rheinland-Pfalz ist das einzige Land, das wohnortnah und flächendeckend Pflegestützpunkte eingerichtet hat. Die 135 rheinland -pfälzischen Pflegestützpunkte sind wohnortnahe Anlaufstellen, die pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen kostenfrei beraten, informieren und aktiv bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche, bei der Organisation der Pflege sowie in allen Fragestellungen rund um die Pflege unterstützen. Dabei arbeiten die Pflegestützpunkte unter anderem eng mit der Rechtsberatung der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e. V. im Rahmen des Informations- und Beschwerdetelefons Pflege und Wohnen in Einrichtungen zusammen. Malu Dreyer Staatsministerin