Drucksache 16/1518 23. 08. 2012 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. September 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Bernhard Henter und Arnold Schmitt (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Kommunal- und Verwaltungsreform – Ende der Freiwilligkeitsphase der Gebietsreform Die Kleine Anfrage 1008 vom 9. August 2012 hat folgenden Wortlaut: Nach dem Landesgesetz können Unterschreitungen der Mindesteinwohnerzahl von 12 000 Einwohnern bei Verbandsgemeinden aus besonderen Gründen unbeachtlich sein. Das Landesgesetz nennt unter anderem als besondere Gründe ausdrücklich landschaftliche und topografische Gegebenheiten, die geografische Lage einer kommunalen Gebietskörperschaft unmittelbar an der Grenze zu einem Nachbarland, die Wirtschafts- und Finanzkraft und die Erfordernisse der Raumordnung. Darüber hinaus lässt Minister Lewentz in der Beantwortung der Kleinen Anfrage 811 (Drucksache 16/1243) verlauten, dass in der Untersuchung von Herrn Professor Dr. Junkernheinrich auch zusätzliche besondere Gründe, die für den unveränderten Fortbestand einer kommunalen Gebietskörperschaft sprechen, angeregt werden können. Zwischenzeitlich ist die Freiwilligkeitsphase der Gebietsreform abgelaufen mit der Folge, dass hier lediglich gesetzliche Regelungen die von der Landesregierung vorgesehenen Änderungen innerhalb der Gebietsreform umzusetzen vermögen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Die Verbandsgemeinde Kell am See liegt unterhalb der von der Landesregierung genannten Mindesteinwohnerzahl und der Min- destanzahl von Ortsgemeinden. Wird die Landesregierung zwischen der Verbandsgemeinde und einer weiteren Verbandsgemeinde eine Zwangsfusion einleiten, nachdem bis zum Stichtag kein Beschluss für eine freiwillige Fusion gefasst wurde, oder kommt hier ein Ausnahmetatbestand, z. B. Grenzregion, zum Tragen? 2. Wenn ja, mit welcher Verbandsgemeinde? 3. Oftmals unterscheiden sich Bürgermeinungen in Befragungen, Beschlüsse der Ortsgemeinderäte und Beschlüsse der Verbands- gemeinderäte in Bezug auf die Frage, ob und mit wem die jeweilige Ortsgemeinde bzw. Verbandsgemeinde fusionieren soll. Inwieweit sollen Beschlüsse der Gemeinderäte oder auch Bürgerbefragungen für den Verbandsgemeinderat als kommunales Entscheidungsgremium im Sinne der Bürgerbeteiligung maßgebend sein? 4. Das Landesgesetz lässt eine Aufteilung der Ortsgemeinden einer Verbandsgemeinde auf mehrere andere Verbandsgemeinden nur in Ausnahmefällen zu. Wie beurteilt die Landesregierung die unterschiedlichen Auffassungen von Bürgerinnen und Bürgern der verschiedenen Ortsgemeinden (siehe Ergebnis der durchgeführten Bürgerbefragung in der Verbandsgemeinde Kell am See) hinsichtlich des Wunsches ihrer Ortsgemeinden, jeweils zu einer bestimmten Verbandsgemeinde wechseln zu wollen? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 22. August 2012 wie folgt beantwortet: Zu den Fragen 1 und 2: Die Verbandsgemeinde Kell am See hatte zu dem nach dem Landesgesetz über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform maßgebenden Stichtag des 30. Juni 2009 laut Daten des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz 9 536 Einwohnerinnen und Einwohner. Ihre Einwohnerzahl lag mithin deutlich unter der im Landesgesetz für die Verbandsgemeinden geregelten Mindesteinwohnerzahl von 12 000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Drucksache 16/1518 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Je mehr die Einwohnerzahl einer Verbandsgemeinde die gesetzliche Mindesteinwoh nerzahl unterschreitet, desto gewichtiger müssen die Ausnahmegründe, die für einen unveränderten Fortbestand der kommunalen Gebietskörperschaft sprechen, sein. Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur vermag derzeit keine hinrei chenden Ausnahmegründe für einen unveränderten Fortbestand der Verbandsge meinde Kell am See zu erkennen. Solche hinreichenden Ausnahmegründe hat auch Herr Professor Dr. Martin Junkernheinrich, Technische Universität Kaiserslautern, nicht identifizieren können. Eine Maßnahme zur freiwilligen Gebietsänderung der Verbandsgemeinde Kell am See ist leider nicht auf den Weg gebracht worden. In den nächsten Monaten wird das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur Vorschläge für die aus Gemeinwohl gründen als erforderlich erachteten, nicht auf frei williger Basis zu Stande gekommenen oder zu Stande kommenden Gebietsänderun gen von verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden sowie Vorschläge für gesetzliche Regelungen dazu ausarbeiten. Die Vorschläge werden die Vorgaben des Landesgesetzes über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform beachten und die Ergebnisse der Untersuchun gen des Herrn Professors Dr. Junkernheinrich einbeziehen. Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur wird dabei auch vorschlagen, was mit der Verbandsgemeinde Kell am See geschehen soll. Die Entscheidungen über die gesetzlichen Regelungen zu Gebietsänderungen von verbandsfreien Gemeinden und Verbands - gemeinden obliegen dem Landtag Rheinland-Pfalz. Zu Frage 3: Nach Auffassung des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur sind die Po sitionierungen der Ortsgemeinderäte als ein Gemeinwohlaspekt bei den Beratungen und Beschlüssen der Verbandsgemeinderäte zu kommunalen Gebietsänderungen zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für die Ergebnisse von Bürgerbeteiligungen zu kommunalen Gebietsänderungen. In diesen Angelegenheiten durchgeführte Bürger entscheide, die die notwendigen Mehrheiten erhalten haben, stehen den Beschlüssen der Ortsgemeinderäte oder Verbandsgemeinderäte gleich. Zu Frage 4: Das Landesgesetz über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform sieht vor, dass verbandsfreie Gemeinden oder Verbandsgemeinden als Ganzes zusammengeschlossen werden sollen. Eine Aufteilung der Ortsgemeinden einer Ver bandsgemeinde auf mehrere andere Verbandsgemeinden lässt das Landesgesetz ausnahmsweise zu. Eine im ersten Quartal 2012 durchgeführte Bürgerbefragung hat ergeben, dass die Bürgerinnen und Bürger für den Fall einer Gebietsänderung der Verbandsgemeinde Kell am See eine unterschiedliche Zuordnung ihrer Ortsgemeinden zu anderen Ver - bandsgemeinden befürworten. Diese Ergebnisse der Bürgerbefragung müssen in einen Abwägungs- und Entschei dungsprozess über eine Gebietsänderung der Verbandsgemeinde Kell am See ein fließen. Roger Lewentz Staatsminister