Drucksache 16/1577 11. 09. 2012 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 25. September 2012 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Anke Beilstein (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Rückläufige Schlüsselzuweisungen Die Kleine Anfrage 1020 vom 16. August 2012 hat folgenden Wortlaut: Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil vom 14. Februar 2012 festgestellt, dass das Land Rheinland-Pfalz seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Finanzausstattung der Kommunen nicht nachkommt und die maßgeblichen Vorschriften des Landesfinanzausgleichgesetzes (LFAG) für die Ermittlung der Schüsselzuweisungen für den Landeshaushalt 2007/2008 mit Art. 49 der Landesverfassung unvereinbar sind. Dasselbe gilt für die entsprechenden Vorschriften über die Finanzausgleichsmasse und die Schlüsselzuweisungen sämtlicher Folgejahre. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, spätestens bis 1. Januar 2014 eine verfassungskonforme Regelung zu treffen. Es bleibt ihm bis dahin natürlich auch unbenommen, in Anbetracht der festgestellten Verfassungswidrigkeit und der bekannten, auch dadurch mit verursachten katastrophalen Finanzlage der Kommunen schon zeitlich früher Abhilfe zu schaffen. Zumindest aber verbietet sich eine weitere Verschärfung des finanziellen Engpasses der Kommunen. Derzeit wird von Seiten der Landkreise und kreisfreien Städte beanstandet, dass die Schlüsselzuweisungen (Summe aus B 1, B 2 sowie Investitionsschlüsselzuweisungen) des Landes für das Jahr 2012 an diese Gebietskörperschaften sogar rückläufig seien. Hinzu träten die Mindereinnahmen aus dem Wegfall der Ausgleichszahlungen nach § 4 AGSGB II außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs (eingesparte Wohngelder des Landes im Zuge der „Umstellung auf Hartz IV“). Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Ist es richtig, dass die kreisfreien Städte und Landkreise in der Summe aus Schlüsselzuweisungen und den v. g. Ausgleichs - leistungen rund 50 Mio. Euro in 2012 weniger erhalten als in 2011 und wie viel Prozent entspricht ggf. dieser Rückgang insgesamt bezogen auf die Gesamtsumme aus diesen Leistungen für 2011 (bitte auch um Mitteilung, falls es sich um einen anderen Gesamtbetrag handelt)? 2. Auf welchen Eurobetrag beliefen bzw. belaufen sich die Einzelbeträge je kreisfreie Stadt bzw. je Landkreis für die o. g. Schlüsselzuweisungen bzw. die v. g. Ausgleichsleistungen 2012 im Vergleich zu 2011 in absoluten Beträgen und in Prozent (bitte getrennt darstellen für die Schlüsselzuweisungen, Ausgleichsleistungen und deren Summen)? 3. Unterstellt, die Summe der befürchteten Mindereinnahmen von 50 Mio. Euro oder eines anderen Betrages ist zutreffend: Ist die Landesregierung nunmehr bereit zu prüfen, den betroffenen Gebietskörperschaften über einen Nachtragshaushalt zu helfen, und welche Möglichkeiten kämen – vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags – durch Maßnahmen außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs insoweit in Betracht? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 7. September 2012 wie folgt beantwortet: Vorbemerkungen: 1. Kommunaler Finanzausgleich und Schlüsselzuweisungen Der kommunale Finanzausgleich wird mitunter als „System kommunizierender Röhren“ bezeichnet. Dies gilt auch für das System der Schlüsselzuweisungen. Drucksache 16/1577 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode – Nimmt beispielsweise die Einwohnerzahl einer Körperschaftsgruppe (zum Beispiel kreisfreie Städte) im Vergleich zu einer anderen Gruppe (zum Beispiel Landkreise) zu, verschieben sich unter sonst gleichen Bedingungen die Schlüsselzuweisungen B 1 in gleicher Richtung. – Nehmen beispielsweise die Steuereinnahmen (gemessen an der Steuerkraftmesszahl) einer Körperschaftsgruppe stärker zu als in einer anderen Gruppe, verschieben sich unter sonst gleichen Bedingungen die Schlüsselzuweisungen B 2 in umgekehrter Richtung . Die Betrachtung nur einer ausgewählten Größe, etwa der Schlüsselzuweisungen B 2, gibt deshalb ein unvollständiges und verzerrtes Bild des kommunalen Finanzausgleichs bzw. der Schlüsselzuweisungen, das eine sachgerechte Beurteilung nicht zulässt, insbesondere , wenn zudem nur eine ebenfalls ausgewählte Gruppe von kommunalen Gebietskörperschaften oder gar eine einzelne Kommune betrachtet wird. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der kreisfreien Stadt Ludwigshafen am Rhein. Im Jahr 2011 hat die Stadt Ludwigshafen am Rhein 16 479 588 Euro Schlüsselzuweisungen erhalten. Im Jahr 2012 sind die Schlüsselzuweisungen an die Stadt Ludwigshafen um 9 120 048 Euro auf 7 359 540 Euro zurückgegangen, haben sich also mehr als halbiert. Ursache dieser Entwicklung war vor allem eine Zunahme der Steuerkraftmesszahl um 88 798 650 Euro von 177 780 291 Euro im Jahr 2011 auf 266 578 941 Euro im Jahr 2012. Dass finanzkraftabhängige Schlüsselzuweisungen einer Kommune abnehmen, wenn die Steuerkraftmesszahl zunimmt, ist eine systemnotwendige Folge des kommunalen Finanzausgleichs; diese Folge tritt in den Finanzausgleichsystemen aller Bundesländer auf. Eine sachgerechte Darstellung des kommunalen Finanzausgleichs erfordert deshalb eine umfassendere Betrachtung mindestens der Steuerkraftmesszahl, der Schlüsselzuweisungen A, der Schlüsselzuweisungen B 1, der Schlüsselzuweisungen B 2 sowie der Investi - tionsschlüsselzuweisungen. Die Notwendigkeit einer umfassenderen Betrachtung wird auch am Beispiel der Schlüsselzuweisungen A deutlich. Sie haben, weil der Schwellenwert in Höhe von 539,25 Euro je Einwohner (2011) um 63,91 Euro je Einwohner auf 603,16 Euro je Einwohner (2012) gestiegen ist, landesweit um 33 845 471 Euro von 103 215 011 Euro im Jahr 2011 auf 137 060 482 Euro im Jahr 2012 zugenommen. Da die Schlüsselzuweisungen A gem. § 25 LFAG Bestandteil der Umlagegrundlagen für die Kreisumlage sind, wird der Rückgang der Schlüsselzuweisungen an die Landkreise in Höhe von 9 869 581 Euro dann mindestens voll kompensiert, wenn der Kreisumlagesatz 29,16 v. H. übersteigt. Im Übrigen greifen die Landkreise mit der Kreisumlage auch auf die um rd. 189 Mio. Euro höhere Steuerkraftmesszahl der kreisangehörigen Gemeinden zu und erwirtschaften auf diese Weise mindestens 70 Mio. Euro mehr Finanzausgleichsleistungen für sich. Dass es sich bei der Kreisumlage um ein Instrument des Finanzausgleichs handelt, dürfte unstrittig sein, zumal sich die rechtlichen Bestimmungen zur Erhebung der Kreisumlage im Landesfinanzausgleichsgesetz (§ 25 LFAG) finden. 2. Kommunaler Finanzausgleich und Haushaltsjahr Der kommunale Finanzausgleich gleicht in einem Haushaltsjahr naturgemäß jene Unterschiede aus, die in einem Zeitraum bestanden haben, der vor dem Haushaltsjahr liegt. Ein Ausgleich von Differenzlagen zwischen den kommunalen Gebietskörperschaften setzt voraus, dass diese Differenzlagen feststehen. Ein Vergleich von Finanzausgleichsleistungen im Jahr 2012 (für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. September 2011) mit der aktuellen Entwicklung kommunaler Einnahmen und Ausgaben des Haushaltsjahres 2012 steht in der Gefahr, verzerrte Ergebnisse zu liefern. Im Übrigen ist das Haushaltsjahr 2012 noch nicht abgeschlossen; gleichwohl wird mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit erwartet, dass die Einnahmen der kommunalen Gebietskörperschaften in Rheinland-Pfalz im Haushaltsjahr höher liegen werden als jemals zuvor; dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass insbesondere die Sozial- und Jugendhilfeausgaben sowie die Personalausgaben ansteigen werden. 3. Kommunaler Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz In der „Gemeinsamen Erklärung“ der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände und der rheinland-pfälzischen Landesregierung zum Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz vom 22. September 2010 ist unter Punkt B.3.3 vereinbart worden, dass die Finanzausgleichsmasse (abzüglich der Zuweisungen an den Entschuldungsfonds) nicht unter das Niveau des Jahres 2010 sinkt. Die Finanzausgleichsmasse des Jahres 2010 betrug 1 830 683 303 Euro, die des Jahres 2011 1 872 976 584 Euro und die des Jahres 2012 1 945 658 865 Euro (mit KEF-RP) bzw. 1 878 658 865 Euro (ohne KEF-RP), wobei im Jahr 2012 bekanntlich eine Erhöhung um 20 000 000 Euro erfolgte, welche bei einen rechnerischen Vergleich abzuziehen wäre. Im Übrigen haben die Schlüsselzuweisungen des Jahres 2010 975 820 469 Euro, die des Jahres 2011 1 034 757 332 Euro und die des Jahres 2012 1 034 007 938 Euro betragen. Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Vereinbarungen der Gemeinsamen Erklärung nicht nur eingehalten worden sind, sondern sowohl die Finanzausgleichsmasse als auch die Summe der Schlüsselzuweisungen angestiegen sind; im Jahr 2012 wurden Schlüssel - zuweisungen insgesamt nahezu auf dem Niveau des Jahres 2011 gewährt. Der Rückgang der Schlüsselzuweisungen von 2011 nach 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1577 2012 um 749 394 Euro bei rund 4 Mio. Einwohner entspricht 19 Cent je Einwohner und ist Rundungseffekten geschuldet, da der in § 11 Abs. 2 LFAG bestimmte Grundbetrag abgerundet in ganzen Euro je Einwohner gerechnet wird. Im Übrigen stehen im Haushaltsjahr 2012 für die Zuweisungen aus dem Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz 170 Mio. Euro bereit, die zweifellos zu einer sehr deutlichen finanziellen Entlastung der kommunalen Gebietskörperschaften führen werden. Eine sachgerechte Darstellung des kommunalen Finanzausgleichs erfordert auch in diesem Zusammenhang eine umfassende Betrachtung, um ein unvollständiges und verzerrtes Bild zu vermeiden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die Angaben ergeben sich aus den Anlagen 1 bis 5. Zu Frage 2: Die Angaben ergeben sich aus den Anlagen 1 bis 5. Zu Frage 3: Aufgrund der Entwicklung der Steuerkraftmesszahlen und der Schlüsselzuweisungen im Finanzausgleich 2012, mit der die Unterschiede eines Zeitraums vor dem Haushaltsjahr 2012 ausgeglichen werden sowie aufgrund der entsprechend der Steuerschätzung erwarteten Entwicklung der kommunalen Steuereinnahmen im Haushaltsjahr 2012 und den steigenden Erstattungsleistungen des Bundes sieht die Landesregierung in Abwägung mit den Erfordernissen eines geordneten Landeshaushalts derzeit keine Notwendigkeit zu prüfen, den betroffenen Gebietskörperschaften über einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2012 zu helfen. Roger Lewentz Staatsminister 3 Drucksache 16/1577 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 4 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1577 5 Drucksache 16/1577 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 6 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1577 7 Drucksache 16/1577 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 8 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1577 9