Drucksache 16/1593 12. 09. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Stephanie Nabinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Auftreten von Radioaktivität bei schrottverarbeitenden Anlagen in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1027 vom 21. August 2012 hat folgenden Wortlaut: Ende Mai wurde auf dem Gelände der Firma Steil im Trierer Hafen radioaktive Strahlung gemessen. Laut Geschäftsleitung ging die Radioaktivität von metallischen Nadeln aus, die mittlerweile überwiegend gesichert wurden. Woher die radioaktiven Nadeln genau stammen, ist bisher noch ungeklärt. Dies ist nicht das erste Mal, dass auf dem Gelände der Firma Steil radioaktive Strahlung gemessen wurde. Bereits 2009 gelang belaste - ter Stahl aus Indien über einen Metallhändler aus der Pfalz in den Trierer Hafen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie häufig wurde in den letzten zwei Jahren radioaktiver Alarm in den schrottverarbeitenden Betrieben in Rheinland-Pfalz aus- gelöst? Durch welche Materialien wurde der Alarm ausgelöst und woher stammten diese? 2. Wie und von welchen Firmen wurden die radioaktiv verstrahlten Materialien entsorgt? Wer übernimmt die Kosten der Entsor- gung? 3. Welche Vorschriften gibt es bezüglich der Anlieferung und Handhabung von radioaktivem Material durch private schrottver- arbeitende Betriebe? 4. Welche Maßnahmen gibt es, um künftig die Anlieferung und Handhabung von radioaktiven Materialien zu verhindern? 5. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass im Zuge der Gefahrenabwehr die Vorkehrungen verschärft werden sollten? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 12. September 2012 wie folgt beantwortet: Nach diversen Auffälligkeiten bei Stahlimporten aus Indien im Jahr 2009, die teils erheblich mit Co-60 belastet waren, sind in diesem Jahr im Rotterdamer Hafen, in den Nachbarstaaten und in Deutschland wiederum Importe aus Indien mit Co-60-Belastungen auffällig geworden. Es ist zu befürchten, dass die Rücksendungen nach Indien in 2009 dort nicht einer ordnungsgemäßen Entsorgung zugeführt wurden, sondern wieder – in verdünnter Form – in den Wirtschaftskreislauf gelangten. In den letzten Monaten wurden mehrfach mit Co-60 belastete Konsumgüter aus Edelstahl gefunden und deren Inverkehrbringen dadurch verhindert. Rheinland-Pfalz und Hessen arbeiten derzeit gemeinsam an einem Vorschlag zur Änderung der Strahlenschutzverordnung, um schon den Zollbehörden und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) an den Einfuhrgrenzen eine klare Rechtsgrundlage für die Zurückweisung solcher Importe zu geben. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Den Regionalstellen Gewerbeaufsicht wurden in den letzten zwei Jahren etwa 20 Fälle von Funden radioaktiver Materialien mitgeteilt . Hierbei sind nicht nur Funde in klassischen schrottverarbeitenden Betrieben, sondern auch Funde z. B. in Anlagen zum Recycling von Elektronikschrott berücksichtigt. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 27. September 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1593 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Ursache für das Auffinden radioaktiver Stoffe im Schrott liegt in der Regel am ursprünglichen Besitzer oder Entsorger. Gründe hierfür sind Unwissenheit über den radioaktiven Inhalt (dies ist häufig bei natürlicher Radioaktivität der Fall), Nachlässigkeit (z. B. fehlende Kontrolle durch Strahlenschutzbeauftragte) oder kriminelle Energie (zur Vermeidung teurer ordnungsgemäßer Entsorgung ). Das Spektrum der gefundenen Materialien ist breit. Deshalb nimmt die nachfolgende Zusammenstellung nicht Bezug auf konkrete Einzelfälle, sondern typisiert die Materialien unter verschiedenen Aspekten. Dies spiegelt auch die bundesweiten Erfahrungen wider: Radioaktive Stoffe: natürliche (v. a. Ra-226, Thorium) und künstliche radioaktive Stoffe, Produkte: – alte Elektronikbauteile (Ra-226), – alte Zeigerinstrumente meist aus dem militärischen Bereich (Ra-226-Leuchtfarben), – Radiumbecher (Haushaltsauflösung!), – Formsand (Gießerei, Thorium), – Quellen aus industrieller Anwendung – meist Messgeräte (Co-60, Cs-137*)), – Rauchmelder, – Prüfstrahler, – Quellen aus medizinischer Anwendung (aus Bestrahlungsgeräten, Co-60*), Cs-137*), Ra-226), Herkunft: sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland. Zu Frage 2: Die radioaktiven Materialien müssen grundsätzlich über die rheinland-pfälzische Landessammelstelle (LSSt) entsorgt werden. Auftraggeber der Entsorgung und Adressat des Gebührenbescheides der LSSt ist der schrottverarbeitende Betrieb als Finder bzw. als derjenige, der gemäß § 71 Abs. 2 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) „ohne seinen Willen die tatsächliche Gewalt über radioaktive Stoffe erlangt“ hat. Im Einzelfall kann ein behördliches Freigabeverfahren nach StrlSchV möglich sein. Die zuständige Regionalstelle Gewerbeaufsicht, die über jeden Fund informiert werden muss, überwacht die ordnungsgemäße Entsorgung. Es liegt in der Entscheidung des Betriebes, den ihm entstandenen Schaden (Kosten für die Separierung durch eine Fachfirma, Gebüh - ren der LSSt, Produktionsausfall usw.) durch den ggf. bekannten Anlieferer bzw. Verursacher oder auf dem Versicherungswege ersetzen zu lassen. Zu Frage 3: Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Betrieb, z. B. aufgrund des Alarms der Portalmessanlage, erkennt, dass er ohne seinen Willen die tatsächliche Gewalt über radioaktive Stoffe erlangt hat, greift die Vorschrift nach § 71 Abs. 2 StrlSchV und der Betreiber hat unverzüglich die atomrechtliche Aufsichtsbehörde, d. h. die örtlich zuständigen Regionalstelle Gewerbeaufsicht, zu informieren. Die Installation der Portalmessanlagen zur Detektion radioaktiver Stoffe erfolgt nicht aufgrund strahlenschutzrechtlicher Vorgaben, sondern zu Zwecken der Qualitätssicherung gegenüber den Kunden aus der Stahlbranche. Betreiber von neuen Müllverbrennungsanlagen können zur Installation von Messanlagen zur Detektion radioaktiver Stoffe aufgrund immissionsschutz- und abfallrechtlicher Vorgaben verpflichtet werden. Zu den Fragen 4 und 5: Durch die Ausstattung der schrottverarbeitenden Betriebe, Abfallanlagen und Müllverbrennungsanlagen mit Einrichtungen zur Radio aktivitätsmessung können in den Schrott- oder Abfalllieferungen enthaltene radioaktive Stoffe in der Regel sicher erkannt werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Messanlagen sehr empfindlich und zuverlässig arbeiten und dass die betroffenen Betriebe verantwortungsbewusst mit den erkannten radioaktiven Materialien umgehen. Es besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen den schrottverarbeitenden Betrieben und der Gewerbeaufsicht. Aus diesem Grund wird keine Notwendigkeit gesehen, die Vorkehrungen für schrottverarbeitende Betriebe zu verschärfen. Eveline Lemke Staatsministerin *) Nicht in Rheinland-Pfalz in den letzten beiden Jahren.