Drucksache 16/1605 18. 09. 2012 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Dr. Rahim Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Organspende in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1052 vom 30. August 2012 hat folgenden Wortlaut: In den letzten Monaten sind vermehrt Unregelmäßigkeiten bei der Transplantationspraxis in deutschen Kliniken bekannt geworden. Seit dem 1. August 2012 ist die vom Deutschen Bundestag beschlossene Änderung des Transplantationsgesetzes in Kraft. Über die Organvergabe bestimmen Ärzte und als Koordinierungsstelle nach § 11 TPG die Deutsche Stiftung Organtransplantation. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Vorkommnisse in Göttingen und Regensburg aus gesundheitspolitischer Sicht? 2. Welche Strukturen verhindern in Rheinland-Pfalz solche oder ähnliche Manipulationen? 3. Inwiefern kann das gerade geänderte Transplantationsgesetz des Bundes präventiv wirken? 4. Sieht die Landesregierung die Notwendikeit, die bestehende Verantwortungsstruktur grundsätzlich zu ändern, insbesondere da- hingehend, die Verantwortung von der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen stärker auf demokratisch legitimierte, behördlich verantwortete Stellen zu übertragen? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 17. September 2012 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Vorfälle ärztlichen Fehlverhaltens in Regensburg und Göttingen haben dazu geführt, dass die Transplantationsmedizin in der Bevölkerung Vertrauen eingebüßt hat. In Rheinland-Pfalz hat die Zahl der Organspenderinnen und Organspender im ersten Halbjahr 2012 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 40 Prozent abgenommen. Vertrauen ist jedoch die Grundlage der Transplantationsmedizin , da dieser Zweig der Medizin darauf angewiesen ist, dass die Menschen bereit sind, in altruistischer Weise ihre Organe zu spenden. 12 000 Menschen stehen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Ihr Leben hängt davon ab, dass andere Menschen bereit sind, ihre Organe zu spenden. Allen an der Organspende und Organtransplantation beteiligten Institutionen, insbesondere der Selbstverwaltung aus Ärzteschaft, Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft, aber auch Bund und Ländern, ist bewusst, dass dieses verloren gegangene Vertrauen wiederhergestellt werden muss. Hierzu hat am 27. August 2012 ein Treffen von Bund, Ländern und den an Organspende und Organtransplantation beteiligten Institutionen in Berlin stattgefunden, wo ein Maßnahmenbündel beschlossen wurde, das mehr Transparenz und stärkere Kontrollen auf allen Ebenen zum Ziel hat. Die Vorfälle in Regensburg und Göttingen, die letztlich auf Fälschungen und Verstößen gegen die Richtlinien beruhen, zeigen aber auch, dass es jenseits strafrechtlicher Ahndung kaum effektive Sanktionsmöglichkeiten gibt. Die Richtlinien der Bundesärzte kammer sind nicht strafrechtlich bewährt. Es ist daher notwendig, diese Richtlinien durch das Bundesgesundheitsministerium genehmigen zu lassen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 27. September 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1605 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu 2.: Die Transplantationszentren in Rheinland-Pfalz sind gut aufgestellt. Die Transplantationszentren in Mainz und Kaiserslautern leisten bereits exzellente Arbeit, um die beste medizinische Versorgung der zu transplantierenden Patientinnen und Patienten zu erreichen und gleichzeitig Vorfälle wie in Regensburg und Göttingen zu vermeiden. Finanzielle Fehlanreize werden vermieden. Es ist seit langem Teil des Selbstverständnisses beider Transplantationszentren, dass Sondervereinbarungen über Bonuszahlungen für bestimmte Leistungsmengen in der Transplantationsmedizin ethisch nicht akzeptabel sind. In beiden Transplantationszentren findet bereits jetzt ein Mehr-Augen-Prinzip bei der Aufnahme von Patientinnen und Patienten auf die Warteliste und bei Änderung ihres Status, zum Beispiel in den Hochdringlichkeitsstatus, statt. Letztere führt dazu, dass Patientinnen und Patienten aufgrund ihrer zunehmenden Beeinträchtigung schneller ein Organ erhalten. Um die beste Versorgung jeder einzelnen Patientin und jedes einzelnen Patienten zu erreichen und damit gleichzeitig auch Manipulationen zu vermeiden, finden interdisziplinäre Transplantationskonferenzen statt, bei denen medizinische Fachrichtungen, wie zum Beispiel die Nephrologie oder die Hepatologie, aus dem Bereich der Inneren Medizin eingebunden sind, die keine organisatorische Verbindung zur Transplantationschirurgie haben. Dennoch sprechen sich beide Transplantationszentren für zusätzliche externe Überwachungen durch die Prüfungskommission der Selbstverwaltung gemeinsam mit den zuständigen Behörden des Landes aus. Um die Abläufe so transparent wie möglich zu machen, wird bereits jetzt lückenlos und nachvollziehbar dokumentiert. Die Zentren sind dafür offen, eine in Zukunft noch stärker standardisierte Dokumentation zu übernehmen. Zu 3.: Das neue Transplantationsgesetz, das am 1. August 2012 in Kraft getreten ist, sieht auf Drängen der Länder zwei Ländervertreter in der Prüfungskommission der Selbstverwaltung nach § 12 Abs. 5 als ordentliche Mitglieder vor. Die Prüfungskommission nach § 12 des Transplantationsgesetzes hat die Aufgabe, die Einhaltung der Richtlinien zu überprüfen. Die Länder haben damit nun die Möglichkeit, an der Überwachung der Transplantationszentren gemeinsam mit der Prüfungskommission mitzuwirken. Die Überwachung war nach dem alten Gesetz ausschließlich der Selbstverwaltung überlassen – also ohne Beteiligung der Länder. Die Prüfungskommission ist bisher ausschließlich Hinweisen über Verstöße nachgegangen und war auf die freiwillige Zusammenarbeit mit den Transplantationszentren angewiesen. Das neue Gesetz sieht nun in § 12 Abs. 5 vor, dass die Transplantationszentren der Prüfungskommission jederzeit auskunftsverpflichtet sind. Damit besteht nun auch die Möglichkeit, flächendeckende unangekündigte Stichprobenprüfungen bei allen Transplantationszentren durchzuführen. Dafür wird die Selbstverwaltung bis zum 1. November 2012 die Geschäftsstelle der Prüfungskommission bei der Bundesärztekammer entsprechend verstärken. Zu 4.: Solange das System der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen besteht, ist es sinnvoll, die bestehenden Verantwortungsstrukturen grundsätzlich beizubehalten. Es hat sich seit Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes im Jahr 1997 jedoch gezeigt, dass in dem hochsensiblen und enorm grundrechtsrelevanten Bereich der Transplantationsmedizin neben der unbestrittenen Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft (Richtlinien der Bundesärztekammer) auch eine staatliche Aufsicht und Legitimation bestehen muss. Dabei muss der Staat nicht nur die Möglichkeit haben, in den Aufsichtsgremien der Selbstverwaltung (Prüfungs- und Überwachungskommission) über seine staatlichen Vertreter mitwirken zu können, sondern muss auch direkten Einfluss auf die von der Selbstverwaltung beauftragte Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) als gemeinnützige Stiftung des bürgerlichen Rechts nehmen können. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation ist die nach § 11 Transplantationsgesetz beauftragte Koordinierungsstelle für die Organspende in Deutschland. Malu Dreyer Staatsministerin