Drucksache 16/1606 18. 09. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Kathrin Anklam-Trapp, Peter Wilhelm Dröscher und Dr. Tanja Machalet (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Künftiger Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung Die Kleine Anfrage 1048 vom 30. August 2012 hat folgenden Wortlaut: Nachdem sich CDU, CSU und FDP auf Bundesebene über Monate nicht auf ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Altersarmut verständigen konnten und zuletzt von Frau Bundesministerin von der Leyen der Vorschlag einer sog. Zuschussrente mit einer allgemeinen Beitragssatzsenkung in der gesetzlichen Rentenversicherung und einer Abschaffung der Praxisgebühr verknüpft worden war, hat Frau von der Leyen vor wenigen Tagen den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Festsetzung der Beitragssätze in der gesetzlichen Renten versicherung für das Jahr 2013 vorgelegt. Dieser sieht eine Senkung des Beitragssatzes von derzeit 19,6 auf 19,0 Prozent vor. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Absicht der Bundesarbeitsministerin, den allgemei nen Beitragssatz in der gesetzlichen Ren- tenversicherung zum 1. Januar 2013 zu senken? 2. Wie beurteilt die Landesregierung Forderungen und Konzepte, anstelle einer Senkung des Beitragssatzes die Nachhaltigkeits- rücklage der Rentenversicherung zu erhalten bzw. diese weiter aufzubauen, um künftige Beitragssatzsprünge zu vermeiden, die Rentenversiche rung demografiefester zu gestalten sowie Handlungsspielräume für die Bekämpfung von Altersarmut, für eine Verbesserung der Erwerbsminderungsrente, für eine Anhebung des Budgets für Reha-Leistungen und für eine Neugestaltung bzw. Abschaffung der Rente mit 67 zu erhalten? 3. Wie wirkt sich die von der Bundesregierung im Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2013 vorgesehene Kürzung des allgemeinen Bundeszuschusses an die Deutsche Rentenversiche rung in den Jahren 2013 bis 2016 um insgesamt 4,75 Mrd. Euro nach Einschätzung der Landesregierung auf den Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung aus? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 17. September 2012 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Bereits zum 1. Januar 2012 wurde der Beitragssatz von 19,9 Prozent auf 19,6 Prozent abgesenkt. Wegen der weiter anhaltenden guten wirtschaftlichen Situation kommt die Bundesregierung aktuell auf ein rechnerisches Potenzial für eine zusätzliche Absenkung auf 19,0 Prozent ab Januar 2013. Um diese Absenkung vorzunehmen, hat sich das Bundeskabinett am 29. August 2012 auf die Einbringung eines Gesetzentwurfs festgelegt. Die Landesregierung lehnt die beabsichtigte Senkung des Beitragssatzes ab. Nach gegenwärtigem Wissenstand wird der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung mittel- bis langfristig schon allein wegen der demografischen Entwicklung ansteigen, und zwar auf etwa 20 Prozent im Jahr 2020 und auf etwa 22 Prozent im Jahr 2030. Alle Reformen der vergangenen Jahre haben sich an diesen Zielmarken orientiert. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 27. September 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1606 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Der derzeitige Mechanismus sieht dabei vor, dass der absehbar notwendige Anstieg des Beitragssatzes erst dann erfolgt, wenn sich die Nachhaltigkeitsrücklage der gesetzlichen Untergrenze von 0,2 Monatsausgaben nähert. Nach einer außergewöhnlich starken Beitragssatzsenkung um fast einen Prozentpunkt von 19,9 Prozent auf 19,0 Prozent innerhalb von zwei Jahren muss damit zunächst fast die gesamte Nachhaltigkeitsrücklage aufgebraucht werden. Erst wenn eine Unterschreitung dieser Untergrenze von 0,2 Monatsausgaben unmittelbar bevorstehen würde, kann der Beitragssatz wieder auf einem Niveau festgesetzt werden, das ausreichend ist, um die laufenden Ausgaben zu finanzieren. Eine im Rentenversicherungsbericht vom November 2011 enthaltene Modellrechnung veranschaulicht, dass sich ab dem Jahr 2015 ein von Jahr zu Jahr steigendes Finanzierungsdefizit ergeben wird, das aus der Nachhaltigkeitsreserve gedeckt werden muss. Im Jahr 2019 wird dieses Jahres-Defizit bei etwa 10 Milliarden Euro liegen. Die Modellrechnung zeigt auch, dass es zwischen 2018 und 2020 einen Anstieg des Beitragssatzes um fast einen ganzen Prozentpunkt geben muss. Die Nachhaltigkeitsrücklage wird dann aber nicht – wie heute – bei etwa 25 Milliarden Euro liegen, sondern nur noch etwa bei 4 bis 6 Milliarden Euro. Sofern in einer solchen Situation eine wirtschaftliche Schwächephase hinzukommt und die Einnahmen schwächer sind als in der langfristigen Modellrechnung unterstellt, wäre ein Anstieg des Beitragssatzes besonders problematisch. Erfahrungsgemäß lastet dann ein enormer Druck auf dem Bundeshaushalt, der sich wegen der hohen Zuschüsse des Bundes automatisch auf die gesetzliche Rentenversicherung überträgt, was Fragen nach Leistungsbegrenzungen aufwerfen könnte. Sowohl eine repräsentative Umfrage von TNS Emnid im Auftrag der saarländischen Landesregierung als auch eine repräsentative forsa-Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass etwa vier von fünf Bürgerinnen und Bürgern eine Senkung des Rentenver - sicherungsbeitrags für falsch halten. Zu 2.: In einem ersten Schritt sollte die Bundesregierung durch eine gesetzliche Regelung auf die rechnerisch mögliche Absenkung des Beitragssatzes verzichten. Dadurch könnte die Nachhaltigkeitsrücklage zunächst weiter aufgefüllt werden. Sinnvoll wäre dann, die Obergrenze der Nachhaltigkeitsreserve, deren Untergrenze sowie den Mechanismus zur Neufestlegung des Beitragssatzes generell zu überdenken, um zu verhindern, dass sprunghafte Änderungen des Beitragssatzes erfolgen. Die Entwicklung des Beitragssatzes sollte einigermaßen gleichmäßig verlaufen und dabei dem mittel- bis langfristigen Trend folgen. Des Weiteren wäre es sinnvoll, die Nachhaltigkeitsrücklage als Demografiereserve zu nutzen. Auch bestünde dadurch die Möglichkeit, den Finanzbedarf für die dringend notwendige Reform im Leistungsrecht der Rentenversicherung zu berücksichtigen. Die Reserve könnte dazu beitragen, den Anstieg des Beitragssatzes trotz notwendiger Leistungsverbesserungen über eine lange Zeit flach zu halten. Bei dieser Reform muss es vor allem um die Bekämpfung der Altersarmut und um die Herbeiführung der Voraussetzungen für die Anhebung der Altersgrenzen gehen. Eine Ausweitung des Budgets für die Rehabilitationsmaßnahmen der Rentenversicherung sollte hier inbegriffen sein, damit auch die Rentenversicherung ihren Beitrag zur Schaffung einer alterns- und altersgerechten Arbeitswelt leisten kann. Auch müsste eine Weiterentwicklung der Erwerbsminderungsrenten Bestandteil dieses Gesetzes sein, denn die Erwerbsminderung entwickelt sich derzeit zu einem ernsthaften Armutsrisiko. Weitere Kernelemente, wie zum Beispiel die bessere Absicherung von Langzeitarbeitslosigkeit und eine Sicherung des Leistungsniveaus der Renten für erwerbslebenslang Versicherte und eine angemessene Absicherung von Selbstständigen, müssten hinzukommen. Zu 3.: Die Bundeszuschüsse an die allgemeine Rentenversicherung werden sich im Jahr 2012 aufgrund früherer Schätzungen auf 56,4 Milliarden Euro belaufen. Der Entwurf für ein Haushaltsbegleitgesetz sieht nunmehr vor, den allgemeinen Bundeszuschuss abzusenken, um den Bundeshaushalt zu konsolidieren. Die pauschale Minderung soll im Jahr 2013 1,34 Milliarden Euro betragen und in den Jahren 2014 bis 2016 jeweils 1,59 Milliarden Euro. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt sich, dass die rechnerisch mögliche Absenkung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung wegen der Kürzung des Bundeszuschusses um 0,1 Prozentpunkte geringer ausfällt. Weil der höhere Beitragssatz selbst ebenfalls Rückwirkungen auf den allgemeinen Bundeszuschuss hat, fällt die tatsächliche Minderung des allgemeinen Bundeszuschusses etwas geringer aus. Malu Dreyer Staatsministerin