Drucksache 16/1679 09. 10. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dr. Tanja Machalet und Kathrin Anklam-Trapp (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Niedriglohnsektor Die Kleine Anfrage 1102 vom 27. September 2012 hat folgenden Wortlaut: Einer aktuellen Pressemeldung des Statistischen Bundesamtes zufolge ist der Anteil der Be schäftigten im Niedriglohnsektor gestiegen . Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung diese Entwicklungen? 2. Wie hoch ist der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnsektor in Rheinland-Pfalz? 3. Welche Entwicklung ist in den letzten Jahren erkennbar? 4. Welche Maßnahmen sieht die Landesregierung, einer weiteren Ausweitung im Niedriglohnsektor entgegenzuwirken? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 5. Oktober 2012 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der Anstieg des Anteils der Beschäftigten in Deutschland, die einen Niedriglohn erhalten, ist aus Sicht der Landesregierung besorgniserregend . Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2010 20,6 Prozent im Niedriglohnsektor beschäftigt, vor vier Jahren waren es noch 18,7 Prozent.*) Zudem attestierte das Statistische Bundesamt, dass es sich bei dem Anstieg um die Fortsetzung eines „längerfristigen Trends“ handle und dass die meisten Menschen, die einen Niedriglohn erhielten, atypisch beschäftigt waren. Dies bestätigt die von der Landesregierung schon häufig formulierte Tatsache, dass die Entwicklung hin zu mehr atypischen Beschäftigungsverhältnissen gravierende Folgen haben kann. Alarmierend ist diese Entwicklung vor allem, weil Niedriglöhne für die betroffenen Menschen häufig nicht zum Leben reichen und aufstockende Sozialleistungen in vielen Fällen trotz Vollzeitbeschäftigung in Anspruch genommen werden müssen. Oder aber erhebliche Entbehrungen notwendig sind, die eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben deutlich einschränken. Niedriglöhne können darüber hinaus aber auch erhebliche Folgen für die finanzielle Absicherung der Menschen im Alter haben, die von den erworbenen Rentenansprüchen nicht leben können und auf zusätzliche Hilfen angewiesen sein werden. Damit gehen parallel zu den Auswirkungen für die betroffenen Menschen heute und in Zukunft auch erhebliche Auswirkungen für staatliche Leistungen und Sozialversicherungssysteme einher. Und nicht zuletzt droht bei einem steigenden Niedriglohnsektor auch eine soziale Spaltung unserer Gesellschaft durch eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und einem schleichenden Exklusionsprozess von einzelnen Beschäftigungsgruppen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 22. Oktober 2012 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode *) Alle Zahlen beruhen auf der Verdienststrukturerhebung, bei der alle vier Jahre die Struktur der Arbeitsverdienste von abhängig Beschäftigten in Betrieben des Produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungsbereichs mit zehn oder mehr Beschäftigten erhoben wird. Drucksache 16/1679 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu 2.: Nach Angaben des Statistischen Landesamtes arbeiteten im Jahr 2012 in Rheinland-Pfalz 19,2 Prozent aller Beschäftigten in Betrieben mit zehn und mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für einen Niedriglohn. Im Jahr 2006 lag der Anteil der Menschen, die in Rheinland-Pfalz einen Niedriglohn erhielten, bei 15,6 Prozent. Der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten ist bis 2010 also deutlich gestiegen. Rund 11 Prozent aller Beschäftigten (in Betrieben mit zehn und mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern) verdienten im Jahr 2010 in Rheinland-Pfalz sogar brutto weniger als 8,50 Euro je Arbeitsstunde (Deutschland: Ebenfalls 11 Prozent). Zu 3.: Die Zahlen zeigen, dass die Verbreitung von Niedriglöhnen in Deutschland und auch in Rheinland-Pfalz zunimmt. Die insgesamt positive Beschäftigungsentwicklung darf uns also nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verbesserung der Qualität atypischer Beschäftigung eine der wesentlichen Herausforderungen in unserem Land ist, der wir uns alle dringend stellen müssen, wenn wir nicht sehenden Auges in eine gesellschaftliche Abwärtsspirale driften wollen. Dies wurde übrigens auch von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in ihrem „World of Work Report 2012“/Kurzbericht Deutschland bestätigt, neben der Benennung einer weiteren wichtigen Herausforderung – nämlich der Anpassung der Reallöhne. Zu 4.: Wesentlicher Dreh- und Angelpunkt ist die Einführung eines allgemeinen, gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland. Damit könnte weiterer Druck auf das Lohngefüge abgewehrt werden. Es könnte ein Beitrag gegen „Lohndrückerei“ und die Ausbreitung von Armutslöhnen geleistet und der Wettbewerb vor Dumpingkonkurrenz geschützt werden. Nach einem aktuellen Forschungsbericht des Instituts für Arbeit und Qualifizierung (IAQ Report 01/2012) hätte bei der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro jeder beziehungsweise jede fünfte Beschäftigte Anspruch auf eine Lohnerhöhung (gut 25 Prozent der Frauen und knapp 15 Prozent der Männer). Weiterer Ansatzpunkt für Maßnahmen gegen eine weitere Ausweitung des Niedriglohnsektors ist die Auseinandersetzung mit den Entwicklungen am Arbeitsmarkt, vor allem mit atypischer und prekärer Beschäftigung. Die Landesregierung setzt sich für die Sicherung gut entlohnter Arbeit und gegen unfaire Löhne durch Niedriglohn und Lohndumping ein. Dazu wurden bereits verschiedene Initiativen in den Bundesrat eingebracht, die leider wegen der uneinsichtigen Haltung der CDU/CSU- geführten Länder bislang ohne Erfolg geblieben sind, zum Beispiel für faire und sichere Arbeitsbedingungen durch einen gesetzlichen Mindestlohn, zur Verhinderung der Umgehung von Arbeitnehmerschutzrechten durch Werkverträge oder für faire und sichere Arbeitsbedingungen bei der Arbeitnehmerüberlassung. Aus Sicht der Landesregierung bleibt die Hoffnung, dass nicht zuletzt die klaren Fakten, die das Statistische Bundesamt vorgelegt hat, ein Umdenken bei den Blockierenden bewirkt, und das Versprechen, im Engagement für sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze und nach Tarifvertrag bezahlte Arbeitsverhältnisse nicht nachzulassen. In Vertretung: Jacqueline Kraege Staatssekretärin