Drucksache 16/1694 16. 10. 2012 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 31. Oktober 2012 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Anne Spiegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Verabreichung von K.O.-Tropfen an Mädchen und Frauen in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1097 vom 24. September 2012 hat folgenden Wortlaut: Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen K.O.-Tropfen auf Partys oder in Diskotheken heimlich in die Getränke von Frauen und Mädchen gemischt werden und die Mädchen und Frauen dann im Zustand der Bewusstlosigkeit misshandelt oder vergewaltigt werden. Ein besonderes Problem stellt in diesen Fällen die schwere Nachweisbarkeit der Droge in Blut und Urin dar. Zudem wenden sich die Opfer durch die entstandenen Gefühle von Verunsicherung und Scham meistens zu spät oder gar nicht an einen Arzt/eine Ärztin und die Polizei. Die Frauennotrufe in Rheinland-Pfalz führen seit längerer Zeit eine Informations- und Aufklärungskampagne unter dem Titel „K.O.cktail – fiese Drogen im Glas“ durch. Sie klären u. a. in Schulen über die Gefahren auf, die drohen, wenn Mädchen und Frauen beim Ausgehen durch die heimliche Verabreichung von sogenannten K.O.-Tropfen betäubt werden. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Fälle der heimlichen Verabreichung von K.O.-Tropfen in Rheinland-Pfalz liegen aus den Jahren 2009/2010/2011 vor (bitte auflisten nach Städten/Landkreisen)? 2. In wie vielen der dokumentierten Fälle kam es zu einer Anklage? 3. In wie vielen Fällen wurde ein Urteil gegen den Täter erlassen? 4. In welchem Verhältnis standen Täter und Opfer und wie alt waren die Opfer? 5. Wie ist die Dunkelziffer solcher Fälle einzuschätzen? 6 In welchem Zusammenhang fand die Verabreichung statt? 7. Welche auf die Verabreichung folgenden Straftaten fanden statt? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die gezielte Aufklärung über die Gefahren von K.O.-Tropfen wie auch die Beratung und Unterstützung der Opfer sind der Landesregierung nach wie vor ein wichtiges Anliegen. So bildet diese Tätigkeit einen Arbeitsschwerpunkt der zwölf rheinland-pfälzischen Frauennotrufe als Fachstellen für sexualisierte Gewalt. Mit vielfältigen vom Land Rheinland-Pfalz geförderten Kampagnen haben sie in den vergangenen Jahren auf die Symptome und Folgen von K.-O.-Tropfen aufmerksam gemacht und über Hilfs- und Beratungsangebote informiert. Zu Frage 1: Die Frauennotrufe für sexualisierte Gewalt haben die für ihre jeweiligen Einzugsbereiche erfassten Daten mitgeteilt (siehe Anlage). Diese Auswertung erfolgt allerdings nicht nach Städten und Landkreisen. Danach wurden bei den Frauennotrufen in den Jahren 2009 landesweit 47 Fälle, in 2010 insgesamt 56 Fälle und im Jahr 2011 54 Fälle der heimlichen Verabreichung von K.O.-Tropfen bekannt. Nach der Darstellung der Frauennotrufe sind davon im Jahr 2009 Drucksache 16/1694 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode zehn Fälle, im Jahr 2010 14 Fälle und im Jahr 2010 insgesamt neun Fälle zur Anzeige gebracht worden, da ein Tatverdächtiger bekannt gewesen sei. Delikte, die mit der Verabreichung von K.O.-Tropfen in Zusammenhang gebracht werden können, werden in den polizeilichen Statistiken nicht explizit ausgewiesen. Bei der Justiz werden ebenfalls keine Statistiken über Ermittlungs- oder Strafverfahren geführt, in denen der Verdacht bestanden hat, es könnten heimlich K.O.-Tropfen verabreicht worden sein. Die staatsanwaltschaftliche Praxis, die um eine grobe Schätzung der Anzahl der einschlägigen Ermittlungsverfahren gebeten worden ist, hat mitgeteilt, dass dies kaum möglich sei. Es gebe immer wieder Strafanzeigen, in denen der Verdacht geäußert werde, der Anzeigeerstatterin oder dem Anzeigeerstatter seien K.O.-Tropfen oder ähnlich narkotisierende Substanzen verabreicht worden. Ein Nachweis sei in der Regel aber nicht möglich gewesen. Dies sei zum einen darauf zurückzuführen, dass die Substanzen nur über etwa sechs bis zwölf Stunden nachgewiesen werden könnten und die Anzeigeerstattung meistens nach Ablauf dieser Frist erfolgt sei. Zum anderen konnten aber auch in mehreren Fällen bei rechtzeitiger Untersuchung keine Hinweise auf derartige Substanzen gewonnen werden. In manchen Fällen hätte die Blutuntersuchung zudem ergeben, dass die Anzeigeerstatterin oder der Anzeigeerstatter erhebliche Mengen Alkohol konsumiert hätten, obwohl sie dies zuvor in Abrede gestellt hätten. Zu den Fragen 2 und 3: Die rheinland-pfälzischen Staatsanwaltschaften haben von insgesamt zwei Verfahren berichtet, in denen es zu einer Anklage gekommen sei. In einem Fall sei Anklage wegen Vergewaltigung einer Jugendlichen erhoben worden. Der Angeklagte sei in erster und zweiter Instanz verurteilt worden. Über die hiergegen eingelegte Revision sei noch nicht entschieden. Im zweiten Fall sei Anklage wegen schwerer Vergewaltigung nach einer heimlichen Verabreichung von K.O.-Tropfen erhoben worden. Der Angeklagte sei im Jahr 2009 rechtskräftig verurteilt worden. Zu Frage 4: In den beiden zur Anklage gelangten Fällen ist nicht bekannt, in welchem Verhältnis Täter und Opfer standen, wobei sich der zweite Fall im Bereich einer Diskothek ereignet haben soll. Im ersten Fall war das geschädigte Mädchen 14 Jahre alt. Im zweiten Fall handelte es sich um eine 19-jährige Frau. Nach Auskunft der befragten Staatsanwaltschaften handelte es sich in den übrigen Verdachtsfällen in der Regel um den engeren oder weiteren Bekanntenkreis. Teilweise richtete sich der Verdacht auch gegen flüchtige Bekannte oder sog. „Partybeziehungen“, ohne dass es sich um eine Vorbeziehung im engeren Sinne gehandelt hätte. Betroffen gewesen seien meist Mädchen oder junge Frauen im Alter von 16 bis 21 Jahren. Eine diesbezügliche Auswertung der bei den Frauennotrufen erfassten Fälle ist als Anlage beigefügt. Zu Frage 5: Belastbare Informationen liegen hierzu nicht vor. Seitens der Frauennotrufe wird die Dunkelziffer als sehr hoch eingeschätzt. Viele Betroffene suchten aus Scham- und Schuldgefühlen keine Hilfseinrichtung auf und/oder erstatteten keine Anzeige. Grund dafür könne aus der lückenhaften Erinnerung über das Erlebte resultierende Unsicherheit sein. Zu Frage 6: Außer in den wenigen Fällen, in denen der Nachweis der Verabreichung tatsächlich geführt werden konnte, muss die Beantwortung mit der Einschränkung versehen werden, dass es sich auch um „vermutete“ Verabreichungen gehandelt haben könnte. Die staatsanwaltschaftliche Praxis hat mitgeteilt, dass es sich überwiegend um Vorfälle im Zusammenhang mit dem Besuch von Gaststätten , Diskotheken, privaten Feiern und Feiern im öffentlichen Raum gehandelt habe. In vielen Fällen wurde die Vermutung geäußert, dass die Substanzen dort über ein Getränk verabreicht worden seien. Eine diesbezügliche Auswertung der Frauennotrufe mit einer Unterscheidung in private und öffentliche Zusammenhänge ist als Anlage beigefügt. Zu Frage 7: Auch zu dieser Fragestellung haben die Frauennotrufe gegen sexualisierte Gewalt eine eigene Auswertung erstellt, die als Anlage beigefügt ist. In den beiden Fällen, in denen es zu einer Verurteilung gekommen ist, waren Vergewaltigungen angeklagt. Die Staatsanwaltschaften berichten, dass in den übrigen Verdachtsfällen ebenfalls häufig wegen Sexualstraftaten ermittelt worden sei. Die Verfahren seien zum Teil wegen sexueller Nötigung, aber auch wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen geführt worden. Die Staatsanwaltschaften berichten aus der Erinnerung aber auch über fünf Fälle, in denen lediglich die heimliche Verabreichung von K.O.-Tropfen beanzeigt worden sei. Diese Verfahren, die mangels Nachweisbarkeit alle eingestellt werden mussten, seien wegen des Verdachts der Körperverletzung geführt worden. Dass es im Zusammenhang mit dem Phänomen nicht zwangsläufig zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung kommen muss, 2 3 zeigt folgender Beispielsfall aus der polizeilichen Praxis. In einem der Polizei bekannt gewordenen Fall aus dem Jahr 2011 hat der Täter einer älteren Dame anlässlich eines Besuchs K.O.-Tropfen in den Kaffee verabreicht, um in der Folge ihr Geld und ihren Schmuck an sich zu nehmen. Eine Überführung des Täters gelang mittels DNA-Abgleich der Spuren an der Kaffeetasse des Täters. In Vertretung: Heike Raab Staatssekretärin Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1694 Drucksache 16/1694 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Anlage: 4 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1694 5 Drucksache 16/1694 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 6 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1694 7 Drucksache 16/1694 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 8 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1694 9