Drucksache 16/1718 22. 10. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dorothea Schäfer (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Situation der Versorgung von Patienten mit seltenen Stoffwechselerkrankungen in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1120 vom 26. September 2012 hat folgenden Wortlaut: Seltene Stoffwechselerkrankungen wie Glykogenspeicherkrankheiten, neurodegenerative Erkrankungen und lysosomale Speicherkrankheiten stellen für die Betroffenen bereits von frühester Kindheit an eine lebensverkürzende und aufgrund einschneidender Symptome eine die Lebensqualität stark beeinträchtigende progressive Erkrankung dar. Vielversprechende Erfolge liegen in modernen Therapieformen, wie zum Beispiel der Enzymersatztherapie und in Ansätzen in der Gentherapie. Wegen der geringen Inzidenz dieser Erkrankungen werden die Patienten sinnvollerweise in spezialisierten Zentren betreut, in denen eine enge Verzahnung von klinischer und wissenschaftlicher Kompetenz möglich ist. Auf Ebene der Europäischen Union sind in den letzten fünf Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen worden, seltene Stoffwechselerkrankungen zu erforschen und neue Therapiestrategien zu entwickeln. Für die Dekade 2010 bis 2020 werden von der Europäischen Union weitere Forschungsprogramme mit dem Ziel aufgelegt, Diagnose und Therapie seltener Stoffwechselerkrankungen weiterhin zu verbessern. Die zeigt, dass in diesem medizinischen Bereich ein Höchstmaß an internationaler Vernetzung notwendig ist, um im Sinne der betroffenen Patienten, meist Kinder, mit dem medizinischen und wissenschaftlichen Fortschritt mithalten zu können. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Bürger in Rheinland-Pfalz sind nach Kenntnis der Landesregierung von diesen seltenen Stoffwechselkrankheiten (Gly- kogenosen, lysosomale Speicherkrankheiten) betroffen? 2. Wie sieht deren medizinische Versorgungssituation gegenwärtig aus und welche Vorstellung hat die Landesregierung für die zukünftige Entwicklung? 3. Welche Einrichtungen in Rheinland-Pfalz befassen sich mit der Erforschung und Behandlung dieser seltenen Stoffwechsel- krankheiten und wie werden diese finanziert? 4. Welche Mittel wurden in den letzten beiden Landeshaushalten für die Erforschung und Behandlung dieser Erkrankungen be- reitgestellt? Wie viele Drittmittel sind in diese Einrichtungen geflossen und wie hoch war der Anteil von Mitteln aus europäischen und internationalen Forschungstöpfen? 5. Welchen Anteil haben die entsprechenden wissenschaftlichen und klinischen Zentren in Rheinland-Pfalz an nationalen, europäischen und internationalen Forschungsprojekten? 6. Welche Maßnahmen sieht die Landesregierung als geeignet an, den europäischen und internationalen Stellenwert der rheinlandpfälzischen Zentren zu unterstützen und gegebenenfalls zu fördern? 7. An welchen internationalen/europäischen Projekten sind die entsprechenden Zentren beteiligt? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 19. Oktober 2012 wie folgt beantwortet: Zu 1. und 2.: Eine Statistik beziehungsweise ein epidemiologisches Instrument, wie zum Beispiel ein Register, wird in Deutschland und somit auch in Rheinland-Pfalz nicht geführt. Aus epidemiologischen Studien geht hervor, dass etwa 1 : 6 000 bis 7 000 Neugeborene von einer Speichererkrankung und 1 : 8 000 von einer Erkrankung des Intermediär-Stoffwechsels betroffen sind. Bei etwa 25 000 Geburten pro Jahr sind circa zehn Neugeborene pro Jahr betroffen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 6. November 2012 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1718 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Im Jahr 2011 wurden in der Abteilung Villa Metabolica des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz 820 Patientinnen und Patienten betreut, davon etwa 100 aus Rheinland-Pfalz. Die Villa Metabolica ist eine Abteilung des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz. Sie hat sich auf dem Gebiet der lysosomalen Speicher-Erkrankungen in den letzten 20 Jahren zu einem der drei weltweit führenden klinischen Zentren (neben Manchester, Großbritannien und Porto Alegre, Brasilien) entwickelt und war an allen Studienprogrammen zu innovativen Enzymersatztherapien der letzten 15 Jahre beteiligt, die zu einer Zulassung eines neuen Medikamentes geführt haben. Ihr Einzugsgebiet geht weit über das Land Rheinland-Pfalz und bei einigen besonders seltenen Erkrankungen auch weit über Deutschland hinaus. Die Villa Metabolica ist Mitglied in internationalen und nationalen Fachgesellschaften (ESGLD – European Study Group of Lysosomal Diseases, EWGGD – European Working Group of Gaucher disease, SSIEM (Scientific Study Group of Inborn Errors of Metabolism ), APS – Arbeitsgemeinschaft pädiatrische Stoffwechselmedizin; ASIM – Arbeitsgemeinschaft Stoffwechselmedizin in der Inneren Medizin). Das Land unterstützt das erweiterte Neugeborenscreening mit Tandem-MS im Südwest-Verbund (Saarland, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz). Dadurch hat sich die Diagnostik der Erkrankung (im Intermediär-Stoffwechsel) in den letzten zehn Jahren deutlich verbessert. Zu allen behandelbaren Speichererkrankungen bestehen an der Villa Metabolica des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin Behandlungsprotokolle im Rahmen der klinischen Forschung entsprechend den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Weiteren Handlungsbedarf sieht die Landesregierung vereinzelt bei der Validierung von Biomarkern und neuen Untersuchungstechniken sowie bei der Heimtherapie. Zu 3.: Mit der Erforschung seltener Stoffwechselerkrankungen beschäftigt sich auch die Universitätsmedizin (1. Medizinische Klinik, 11. Medizinische Klinik, Neurologie, Biochemie, Nuklearmedizin, Pathologie, Augenklinik, Kinderklinik, HNO). Besonders zu erwähnen ist die Fokussierung der Erforschung und Behandlung dieser Erkrankungen im Kinder- und Jungendbereich im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, „Villa Metabolica“, da im frühen Alter die besten Behandlungsfortschritte erzielt werden können. Die Forschung wird aus Drittmitteln und aus EU-Projektmitteln finanziert sowie über die jeweiligen einrichtungsbezogenen Forschung - und Lehre-Budgets. Zu 4.: Eine genaue Auflistung aller von der Universitätsmedizin Mainz erhaltenen Mittel für die Erforschung dieser Erkrankungen ist aufgrund der gegebenen Interdisziplinarität nicht möglich. Die Abteilung Villa Metabolica des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin erhält circa 750 000 Euro aus Drittmitteln und circa 200 000 Euro aus internationalen beziehungsweise EU-Forschungsmitteln . Zu Frage 5: Eine Antwort auf diese Frage ist der Landesregierung nicht möglich, weil dazu die gesamten Projektbudgets auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene bekannt sein müssten. Im Übrigen bleibt festzuhalten, dass die Abteilung Villa Metabolica des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin eine national und international höchst anerkannte Einrichtung ist, zu der Patientinnen und Patienten aus ganz Deutschland und für besondere Fragekonstellationen auch aus dem Ausland kommen. Zu 6.: Um den internationalen Stellenwert der Universitätsmedizin weiter zu steigern, finanziert die Landesregierung bereits die Etablierung eines European Projekt Office (EPO), welche die Wissenschaftler bei der internationalen Beantragung von Fördergeldern und deren Umsetzung aktiv unterstützt. Zu 7.: Die Universitätsmedizin ist und wird zukünftig unter anderem an folgenden internationalen Projekten beteiligt sein: – ALPHA-MAN, – NeuroKine, – InNerMed-I-Network. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1718 Die Abteilung Villa Metabolica des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin ist an folgenden nationalen beziehungsweise internationalen Forschungsprojekten beteiligt: a) Unabhängige Forschungsprojekte: – European Working Group of Gaucher disease, – International MPS-Symposium. b) EU-Projekte: – HU-MAN, – EUCLYD, – BRAIN FOR BRAINS. c) Drittmittelprojekte zur Etablierung von Enzymersatztherapie (ERT) durch internationale multizentrische Studien: – ERT bei M. Gaucher (Genzyme, Shire, Pfizer-Protalix), – ERT bei Fabry (Shire/Genzyme), – ERT bei MPS 1 (Genzyme/Biomarin), – ERT bei MPS 6 (Biomarin), – ERT bei MPS 2 (Shire), – ERT bei M. Pompe (Genzyme), – ERT bei M. Niemann-Pick Typ C (Actelion). d) Zukünftige oder anlaufende internationale Drittmittelprojekte: – ERT bei MPS 4a (Biomarin), – ERT bei M. Wolman/Cholesterinester-Speichererkrankung (Synageva), – ERT bei Mannosidose, – ERT bei M. Niemann-Pick Typ B (Genzyme). Malu Dreyer Staatsministerin 3