Drucksache 16/1796 14. 11. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Christine Schneider, Michael Billen, Horst Gies, Wolfgang Reichel, Arnold Schmitt und Johannes Zehfuß (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten „Lebensmittelproduktion“ und „Flächenverbrauch“ Die Kleine Anfrage 1165 vom 22. Oktober 2012 hat folgenden Wortlaut: Von 1992 bis 2010 hat die Landwirtschaftsfläche in Deutschland um 817 800 Hektar abgenommen. Täglich gehen der deutschen Landwirtschaft 90 Hektar verloren. In Rheinland-Pfalz wurden 2011 rund 370 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche verbraucht und damit der Landwirtschaft entzogen. Doch nicht nur in Deutschland sinkt die zur Verfügung stehende Fläche. 1970 standen weltweit, bei einer Bevölkerung von 3,7 Milliarden Menschen, 3 800 Quadratmeter pro Kopf für die Getreideproduktion zur Verfügung . 2005 war diese Zahl bereits auf 2 500 Quadratmeter zurückgegangen, da die Weltbevölkerung auf 6,5 Milliarden Menschen anstieg, die zur Verfügung stehende Fläche gleichzeitig jedoch rückläufig war. Die FAO rechnet damit, dass im Jahr 2050 nur noch 1 800 Quadratmeter weltweit pro Kopf zur Verfügung stehen, sofern sich der Flächenverbrauch weiterhin in dem bisherigen Maß fortsetzt. Vielfach wird die Bioenergie für einen Anstieg der Lebensmittelpreise verantwortlich gemacht. Hierfür werden jedoch lediglich 6 Prozent der weltweiten Getreideernte verwendet. Darüber hinaus gibt es immer mehr private Investoren, die in Ackerland investieren und dieses der Landwirtschaft entziehen. Bisher ist dies vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern ein Problem . Inzwischen gehen jedoch Investoren auch dazu über, Fonds für Ackerland und Waldflächen in Deutschland aufzulegen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie wird das Land Rheinland-Pfalz einem weiteren Flächenverbrauch zu Lasten der Landwirtschaft entgegenwirken? 2. Wird das Land Rheinland-Pfalz Investitionen von Fondsmanagern und privaten Anlegern außerhalb der Landwirtschaft ver- hindern? 3. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung vornehmen, um Investitionen von Privatanlegern und Großinvestoren in Acker- land zu verhindern? 4. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die Vorschriften des Grundstückverkehrsgesetzes eingehalten werden? 5. Inwieweit verschärft nach Auffassung der Landesregierung die Ausweisung von Ausgleichsflächen die Problematik der immer weniger werdenden Anbauflächen für die Nahrungsmittelproduktion? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 14. November 2012 wie folgt beantwortet: In der Landwirtschaft wird oft auf ein steigendes Interesse von Nichtlandwirten am Erwerb von landwirtschaftlich genutzten Flächen hingewiesen. Diese Dynamik auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt sei mit negativen Konsequenzen für die auf Flächen angewiesenen landwirtschaftlichen Betriebe verbunden und führte mittelfristig zu Veränderungen in der Agrarstruktur. Die Entwicklung auf dem Bodenmarkt in den letzten Jahren kann wie folgt skizziert werden: Nach dem sich die Bodenmärkte und die Kaufpreise für landwirtschaftlich genutzte Flächen bis 2007 kaum verändert haben bzw. das Preisniveau teilweise gefallen ist, sind die Preise für Agrarland in den letzten Jahren angezogen (2009 : 9,6 %, 2010 : 4,2 %). Der Anstieg war in Ostdeutschland deutlich stärker (bis zu 25 %), allerdings von einem wesentlich niedrigeren Niveau ausgehend. In Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. November 2012 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1796 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Rheinland-Pfalz war 2009 ein leichter Preisrückgang erkennbar. Grund für den bundesweiten Preisanstieg war die überaus positive Preisentwicklung auf den Agrarmärkten in den Jahren 2007 und 2008, die sich auch auf den Bodenmarkt auswirkten (Anstieg der Kauf- und Pachtpreise). Die positive Entwicklung auf den Agrarmärkten führte bundesweit betrachtet zu einer – allerdings im geringen Umfang – vermehrten Nachfrage außerlandwirtschaftlicher Interessenten. In den Agrarministerkonferenzen 2011 in Suhl und 2012 in Konstanz wurde dieses Thema intensiv diskutiert. Alle Länder sowie der Bund waren sich dabei einig, die zusätzliche Inanspruchnahme von Freiflächen deutlich zu reduzieren und alle Möglichkeiten für eine stärkere Schonung land- und forstwirtschaftlicher Flächen zu nutzen. Dabei geht es z. B. darum, die Flächeninanspruchnahme für Verkehr, Siedlung und Gewerbe deutlich zu reduzieren, die Umnutzung leergefallener Gebäude und der Konversion von Industrie- und Militärbrachen einen Vorrang vor einem Bau auf der „Grünen Wiese“ einzuräumen, die Kommunen zur Einrichtung eines Flächenmanagements und zur Ermittlung der Infrastrukturfolgekosten anzuregen und die Bewusstseinsbildung für flächensparendes Planen und Bauen weiter zu stärken. Derzeit wird vom Johann Heinrich von Thünen-Institut (vti – Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei) eine bundesweite Studie über das Ausmaß und die Bedeutung des Erwerbs von Flächen bzw. Geschäftsanteilen an landwirtschaftlichen Unternehmen durch nichtlandwirtschaftliche Investoren durchgeführt . Ergebnisse sollen im Frühjahr 2013 vorliegen. Daneben gibt es Möglichkeiten zur direkten Beeinflussung bzw. zur Steuerung des landwirtschaftlichen Bodenmarktes. Hierzu stehen derzeit folgende bundesgesetzliche Instrumente zur Verfügung: – Grundstückverkehrsgesetz, – Landpachtverkehrsgesetz und – Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu den Fragen 1 und 2: In Rheinland-Pfalz ist die Situation auf dem Bodenmarkt im Bundesvergleich differenziert zu beurteilen. Hier treten im Zusammenhang mit Biogas oder neuerdings Fotovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen allenfalls lokale/regionale Konkurrenzsituationen auf. Laut Erhebung des DLR Eifel (Beratungszentrum Nachwachsende Rohstoffe) wurden 2009 etwa 13 500 ha Ackerfläche für Biogasanlagen genutzt. Das entspricht 3,4 % der gesamten Ackerfläche des Landes. Dieser Trend hat in den letzten beiden Jahren leicht zugenommen. Grundsätzlich macht die Zahl aber die derzeit geringe Betroffenheit deutlich. Der Flächenerwerb durch Nichtlandwirte spielt in Rheinland-Pfalz ebenfalls eine untergeordnete Rolle. Zudem bietet bei Flächenerwerb durch Nichtlandwirte das Grundstückverkehrsgesetz eine rechtliche Grundlage, solche Verkäufe zu verhindern. In der statistischen Übersicht über den Grundstücksverkehr im Kalenderjahr 2010 wurden rd. 6 900 Einzelgrundstücke (9 700 ha) veräußert. Davon waren rd. 2 700 (4 300 ha) Verkäufe an Nichtlandwirte. In 31 Fällen (69 ha) wurde die Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz versagt. Zu den Fragen 3 und 4: Als staatliche Lenkungsinstrumente stehen das Grundstückverkehrsgesetz, das Landpachtverkehrsgesetz und das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz zur Verfügung. Das Grundstückverkehrsgesetz folgt dem Grundsatz, dass land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen primär auch der Land- und Forstwirtschaft zur Verfügung stehen sollen. Bei der Veräußerung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen ist eine Genehmigung notwendig, die unter bestimmten Voraussetzungen versagt werden kann. Das Grundstückverkehrsgesetz ist nicht in der Lage, eine gestaltende Rolle zu übernehmen. Es hat abwehrenden Charakter. Das Landpachtverkehrsgesetz (Gesetz über die Anzeige und Beanstandung von Landpachtverträgen) soll eine vergleichbare Funktion wie das Grundstückverkehrsgesetz auf dem Pachtmarkt ausüben. Danach ist der Abschluss eines Landpachtvertrags anzuzeigen . Die zuständigen Behörden (in Rheinland-Pfalz die Kreisverwaltungen als untere Landwirtschaftsbehörde) können unter bestimmten Voraussetzungen einen Landpachtvertrag beanstanden. Mit dem Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz kann in den Fällen, in denen eine Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz zu versagen ist und die landwirtschaftlich genutzte Fläche größer als 2 ha ist, das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz durch ein gemeinnütziges Siedlungsunternehmen (in Rheinland-Pfalz die DLR, in anderen Bundesländern in der Regel die dort bestehenden Siedlungsgesellschaften) ausgeübt werden. Die Ausübung erfolgt aber nur dann, wenn ein Landwirt bereit ist, die Fläche direkt vom Siedlungsunternehmen zu übernehmen. Da es sich um zwei Erwerbsvorgänge handelt, sind bei jedem Erwerbsvorgang die Grunderwerbsteuer und Notarkosten zu übernehmen. Bei der Vorkaufsrechtausübung kann von einer „aktiven Lenkungswirkung“ gesprochen werden. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1796 Im Zusammenhang mit der „Reform der bundesstaatlichen Ordnung“ (Föderalismusreform) 2006 und dem Übergang des o. a. Rechtsbereiches in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder hat Rheinland-Pfalz die Vorgaben nicht gelockert. Für den Vollzug der oben genannten Lenkungsinstrumente sind in den meisten Fällen die Kreisverwaltungen als untere Landwirtschaftsbehörde zuständig. Diese sorgen dafür, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. In diesem Jahr wurden durch das Land gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer zwei Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen mit den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisverwaltungen sowie mit den bei der Kammer angesiedelten Beauftragten für Grundstückverkehrsangelegenheiten durchgeführt. 2011 wurde eine Fortbildungsveranstaltung für die Richterinnen und Richter der Landwirtschaftsgerichte durchgeführt. Zu Frage 5: In Rheinland-Pfalz hat sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche von 1999 bis 2010 (Daten der Landwirtschaftszählung) um ca. 10 600 ha reduziert (Rückgang um 1,5 %). Eine Inanspruchnahme der landwirtschaftlichen Nutzflächen ist im Wesentlichen durch Umnutzungen für Siedlung, Verkehr und Waldneuanlagen begründet. Ein nennenswerter Rückgang an landwirtschaftlicher Fläche durch naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen kann aus vorliegenden Flächenstatistiken nicht abgeleitet werden. In Hinblick auf den zunehmenden Flächenverbrauch in der Landwirtschaft wurden von der Landesregierung vielfältige Maßnahmen ergriffen. Diese haben in den vergangenen Jahren zu einer deutlichen Verringerung des Flächenverbrauchs geführt. Dazu gehört beispielsweise auch, dass man innerhalb der Verkehrsinfrastruktur den Schwerpunkt auf den Ausbau und die Sanierung bestehender Verkehrswege legt, anstatt einen Neubau zu planen. Ferner hat die Innenentwicklung in den Kommunen Vorrang vor dem Bauen außerhalb der Stadt- oder Dorfflächen. Somit konnte die tägliche Flächeninanspruchnahme auf einem niedrigen Niveau von ca. 0,5 ha stabilisiert werden. Um den Flächenverlust durch Ausgleichsmaßnahmen (Ausgleichsflächen) auf landwirtschaftlichen Nutzflächen zu reduzieren, ist die Landesregierung ebenfalls bestrebt, entsprechende Lösungen zu finden. So wird z. B. in enger Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer , den Kreisverwaltungen und den Windkraftanlagenbetreibern angestrebt, dass bei der Eingriffsbewältigung des Netzausbaus und der Errichtung von neuen Windenergieanlagen auf die Schonung landwirtschaftlicher Nutzflächen verstärkt Rücksicht genommen wird. In einigen Ackerbaugebieten in Rheinland-Pfalz werden als naturschutzrechtliche Kompensation bereits vielfältige, vorrangig nutzungsintegrierte Maßnahmen erfolgreich umgesetzt, wodurch eine höhere ökologische Wertigkeit in Verbindung mit landwirtschaftlicher Nutzung erreicht wird. Hierbei geht die landwirtschaftliche Nutzfläche nicht verloren und die Bewirtschafter werden für ihre Mitwirkung durch die Eingriffsverursacher honoriert. In der geplanten Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes soll der Vorrang für nutzungsintegrierten Ausgleich festgeschrieben werden. Ulrike Höfken Staatsministerin 3