Drucksache 16/183 08. 08. 2011 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Marlies Kohnle-Gros (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Zahl der Inobhutnahmen gestiegen Die Kleine Anfrage 143 vom 21. Juli 2011 hat folgenden Wortlaut: Unter der Überschrift „Zahl der Inobhutnahmen gestiegen“ berichtet die FAZ am Donnerstag, dem 14. Juli 2011, dass die Jugendämter in Deutschland 36 300 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen haben. Damit sei nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Zahl der Inobhutnahmen gegenüber 2009 um 8 Prozent und gegenüber 2005 um 42 Prozent gestiegen. Besonders stark angestiegen sei die Zahl der durch unbegleitete Einreisen aus dem Ausland veranlassten Inobhutnahmen (2008: 1 100 Fälle, 2009: 1 950 Fälle, 2010: 2 800 Fälle). Ich frage die Landesregierung: 1. Wie stellen sich die oben genannten Zahlen für Rheinland-Pfalz dar, wenn möglich nach Jugendämtern getrennt? 2. Welche gesetzliche Grundlage greift hier und wer trägt die Kosten? 3. Gibt es Zahlen, wie lange eine Inobhutnahme durchschnittlich dauert? 4. Wie ist insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die unbegleitet aus dem Ausland einreisen, das weitere Verfahren? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 8. August 2011 wie folgt beantwortet: Zur Frage 1: Im Rahmen des Berichtswesens für die Hilfen zur Erziehung wird alle drei Jahre ein ausführlicher Landesbericht mit interkommunalen Vergleichen veröffentlicht. Das Berichtswesen wird vom Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen sowie den 41 Jugendämtern finanziert. Die beiden letzten Landesberichte (2007 und 2010) weisen die Zahlen für die Jahre 2005 und 2008 aus. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 25. August 2011 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Jugendamt Inobhutnahmen (§ 42 SGB VIII): Inobhutnahmen (§ 42 SGB VIII): laufende und beendete Hilfen laufende und beendete Hilfen im Jahr 2005, gesamt im Jahr 2008, gesamt Koblenz (St) 52 61 Ahrweiler (LK) 22 17 Altenkirchen (LK) 26 20 Bad Kreuznach (LK) 3 18 Birkenfeld (LK) 9 9 Cochem-Zell (LK) 3 7 Mayen-Koblenz (LK) 12 37 Neuwied (LK) 56 42 Rhein-Hunsrück-Kreis (LK) 30 58 Rhein-Lahn-Kreis (LK) 19 33 Drucksache 16/183 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Für die übrigen Jahre liegen nur die Gesamtzahlen der Inobhutnahmen nach § 42 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) vor. Der Anstieg von 2009 auf 2010 betrug 8,64 % und liegt damit im Bundestrend. Die Landesregierung hat bei ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage 2460 *) zur steigenden Zahl der Inobhutnahmen darauf hingewiesen , dass die Ursachen für den Anstieg vielfältig sind. Im 3. Landesbericht wird darauf verwiesen, dass die Zunahme bei den Inobhutnahmen und auch den Sorgerechtsentzügen eindeutige Indikatoren für eine veränderte Kinderschutzarbeit sind. § 42 SGB VIII regelt unter anderem, dass das Jugendamt berechtigt und verpflichtet ist, ein Kind vorübergehend in Obhut zu nehmen, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder Jugendlichen besteht Die Bundesregierung weist in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage zur Entwicklung der Inobhutnahme durch die Jugendämter (Drucksache 16/13803) darüber hinaus darauf hin, dass steigende Zahlen möglicherweise auf eine gesunkene Schwelle zur Einschätzung einer dringenden Gefahr verweisen können. 2 Jugendamt Inobhutnahmen (§ 42 SGB VIII): Inobhutnahmen (§ 42 SGB VIII): laufende und beendete Hilfen laufende und beendete Hilfen im Jahr 2005, gesamt im Jahr 2008, gesamt Westerwaldkreis (LK) 33 62 Trier (St) 17 22 Bernkastel-Wittlich (LK) 8 5 Eifelkreis Bitburg-Prüm (LK) 10 24 Vulkaneifel (LK) 5 4 Trier-Saarburg (LK) 12 16 Frankenthal (St) 3 14 Kaiserslautern (St) 21 37 Landau (St) 5 22 Ludwigshafen (St) 18 39 Mainz (St) 26 33 Neustadt an der Weinstraße (St) 0 10 Pirmasens (St) 21 36 Speyer (St) 4 10 Worms (St) 25 27 Zweibrücken (St) 3 4 Alzey-Worms (LK) 1 25 Bad Dürkheim (LK) 15 11 Donnersbergkreis (LK) 20 12 Germersheim (LK) 19 33 Kaiserslautern (LK) 47 97 Kusel (LK) 20 44 Südliche Weinstraße (LK) 22 25 Rhein-Pfalz-Kreis (LK) 19 56 Mainz-Bingen (LK) 20 32 Südwestpfalz (LK) 2 12 Mayen (KAS) 0 10 Andernach (KAS) 3 1 Bad Kreuznach (KAS) 15 25 Neuwied (KAS) 13 11 Idar-Oberstein (KAS) 7 14 RLP 666 1 075 kreisfreie Städte 195 315 Landkreise 433 699 kreisangehörige Städte 38 61 Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Entwicklung im Jahr 2005 im Jahr 2006 im Jahr 2007 im Jahr 2008 im Jahr 2009 im Jahr 2010 der Fallzahlen von 2009 bis 2010 in % RLP 666 788 839 1 075 1 077 1 170 8,64 *) Hinweis der Landtagsverwaltung: Vgl. Drucksache 15/3894. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/183 Die Zahl der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge wird nicht in der Bundes- und Landesstatistik ausgewiesen. Es liegen jedoch über die Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Trier die Zahlen der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge vor. Da die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge in der Regel vom Stadtjugendamt in Trier in Obhut genommen werden, geht die Landesregierung von einer hohen Übereinstimmung der Zahlen aus. Die Zahl der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge hat sich zwischen 2008 und 2010 in Rheinland-Pfalz wie folgt verändert: 2008 wurden 38 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Obhut genommen, 2009 waren es 48 und 2010 lag die Zahl bei 108. Zur Frage 2: Die gesetzliche Grundlage der Inobhutnahme von Minderjährigen ist § 42 SGB VIII (Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen). Die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungs- und Finanzverantwortung (§ 79 SGB VIII) für die Aufgabenerfüllung liegt bei den örtlichen Jugendämtern. Bei der Inobhutnahme der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge trägt das örtlich zuständige Jugendamt die Kosten der Unterbringung , die ihm vom überörtlichen Kostenträger (Landesjugendamt) erstattet werden (§ 89 d SGB VIII). Durch einen vom Bundesverwaltungsamt festgelegten Verteilungsschlüssel wird bei der Kostenerstattung eine gleichmäßige Belastung aller Bundesländer bewirkt . Zur Frage 3: Die exakte Dauer der Inobhutnahmen wird im Rahmen des Berichtswesen für die Hilfen zur Erziehung nicht erhoben. Auch die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik weist dies nicht aus. Sie unterscheidet nur nach einer Dauer von ein bis vier und über fünf Tagen. Das ergibt für das Jahr 2010 für Rheinland-Pfalz folgende Werte: Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik weist im Vergleich zu den Daten aus dem Berichtswesen für das Jahr 2010 eine geringe Zahl von Inobhutnahmen aus. Die Landesregierung arbeitet – soweit möglich – mit den Daten des Berichtswesens, da diese eine deutlich höhere Verlässlichkeit aufweisen. Zur Frage 4: Die Aufgaben der Jugendämter sind über § 42 SGB VIII geregelt. Das Jugendamt ist befugt, im Rahmen einer Inobhutnahme das Kind oder den Jugendlichen bei einer geeigneten Personen, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform unterzubringen . Das Jugendamt muss während der Inobhutnahme zusammen mit dem Kind oder Jugendlichen klären, wie es zur Inobhutnahme gekommen ist und welche Hilfen und Unterstützungen möglich sind. Die Personensorge- und Erziehungsberechtigten sind unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten. Gemeinsam ist das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- und Erziehungsberechtigen der Inobhutnahme, dann muss das Jugendamt – sofern nach Einschätzung der Behörde eine Gefährdung des Kindeswohls besteht – das Familiengericht anrufen. Besteht keine Gefährdung des Kindeswohls und sind die Eltern bereit und in der Lage die Gefährdung abzuwenden, dann kann das Kind bzw. der Jugendliche in die Familie zurückkehren. Zur Inobhutnahme der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge: In Rheinland-Pfalz werden alle minderjährigen Kinder und Jugendlichen, die unbegleitet nach Deutschland eingereist sind, in der Regel vom Jugendamt der Stadt Trier in Obhut genommen. Dabei wird nach den folgenden Gruppen unterschieden: Unbegleitete minderjährige weibliche Flüchtlinge: Seit den frühen 1990er Jahren wird dieser Personenkreis in Heimen der Jugendhilfe, zuletzt ausschließlich in der Kinder-, Jugendund Familienhilfe der kreuznacher diakonie in Niederwörresbach, in Obhut genommen. Unbegleitete minderjährige männliche Flüchtlinge: Die unter 16 Jahre alten männlichen Flüchtlinge werden ebenfalls seit den frühen 1990er Jahren in Heimen der Jugendhilfe in Obhut genommen, zuletzt fast ausschließlich im Jugendhilfezentrum Don Bosco Helenenberg in Welschbillig bei Trier sowie die jüngeren Kinder in der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe der kreuznacher diakonie in Niederwörresbach. Die 16- und 17-jährigen männlichen Jugendlichen werden seit 2008 in der organisatorisch mit der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende verbundenen Inobhutnahmeeinrichtung für 16- und 17-jährige männliche unbegleitete Flüchtlinge (in Trägerschaft des Landes) aufgenommen. Es ist jedoch beabsichtigt, zum Herbst dieses Jahres eine eigenständige Inobhutnahme- und Clearinggruppe für 16- und 17-jährige männliche Jugendliche in Trier aufzubauen. In Vertretung: Margit Gottstein Staatssekretärin 3 Dauer der Maßnahmen in Tagen Anzahl Prozent ein Tag 165 16,6 zwei Tage 78 7,8 drei Tage 79 7,9 vier Tage 62 6,2 Fünf und mehr Tage 610 61,4