Drucksache 16/1847 03. 12. 2012 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Axel Wilke (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Unregelmäßigkeiten bei Gerichtsvollziehern Die Kleine Anfrage 1208 vom 13. November 2012 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Ermittlungs- und Strafverfahren gab es in den letzten fünf Jahren gegen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher wegen nicht ordnungsgemäßer Ausübung ihres Amtes? 2. Wie wurden diese Verfahren abgeschlossen? 3. Wie viele Verfahren sind noch anhängig? 4. Wie hoch war der finanzielle Schaden, der Beteiligten und/oder dem Land Rheinland-Pfalz durch die verfahrensgegenständli- chen Unregelmäßigkeiten entstanden ist? 5. In wie vielen Fällen und in welcher Höhe hat das Land Geschädigten Schadensersatz geleistet und welche Schadensersatzforde- rungen sind erhoben, aber noch nicht endgültig geklärt? 6. Welche Konsequenzen für die Dienstaufsicht über das Gerichtsvollzieherwesen hat das Land aus den Vorfällen gezogen? Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 30. November 2012 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Vorab ist anzumerken, dass Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Gerichtsvollzieher statistisch nicht gesondert erfasst werden. Die Staatsanwaltschaften des Landes haben für den Zeitraum ab 1. Januar 2007 sieben Verfahren gegen Gerichtsvollzieher im Zusammenhang mit nicht ordnungsgemäßer Ausübung ihres Amtes mitgeteilt. Die Tatvorwürfe beziehen sich auf Straftaten des Betrugs , der Untreue, der Gebührenüberhebung sowie zum Teil auch auf Urkundendelikte und Amtsanmaßung. Zu 2.: In drei Strafverfahren sind rechtskräftige Verurteilungen zu Freiheitsstrafen bzw. Gesamtfreiheitsstrafen zwischen acht und elf Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung ergangen. In einem Fall erfolgte eine Verurteilung zu einer Geldstrafe, gegen die Rechtsmittel eingelegt wurde, über das noch nicht entschieden ist. In zwei Fällen hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Ein Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung wegen Schuldunfähigkeit des Beschuldigten eingestellt . Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 22. Januar 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1847 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu 3.: Drei dieser Strafverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Auf die Antwort zu Frage 2 wird Bezug genommen. Zu 4.: Ausweislich der in den ergangenen Urteilen getroffenen Feststellungen und des Ermittlungsergebnisses der Staatsanwaltschaft in den noch nicht mit Urteil abgeschlossenen Strafverfahren ist von einem Gesamtschaden in Höhe von ca. 318 000 Euro auszugehen. Die Schadenshöhe in den einzelnen Fällen reicht von 1 230 Euro bis zu ca. 290 000 Euro. In dem nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellten Ermittlungsverfahren war die Staatsanwaltschaft von einer möglichen Schadenssumme von ca. 40 000 Euro ausgegangen. Zu 5.: a. Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz Für den Zeitraum ab 1. Januar 2007 wurde in zwei Fällen Schadensersatz von insgesamt 5 076,89 Euro geleistet. Einem Leistungsbescheid in Höhe von 2 726,89 Euro liegen nicht ordnungsgemäß verbuchte Zahlungen zugrunde. Ein weiterer Leistungsbescheid in Höhe von 2 350 Euro basiert auf Überlagerungskosten infolge einer Räumung. Die Haftpflichtversicherung des Beamten hat einen Teilbetrag in Höhe von 2 115 Euro erstattet. Der Restbetrag wird von dem Beamten a. D. im Rahmen einer bewilligten Ratenzahlung getilgt. Zurzeit sind noch Restzahlungen in Höhe von 961,89 Euro offen. Weiter Schadensersatzforderungen wurden bisher nicht erhoben. b. Bezirk des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken Im gleichen Zeitraum wurden wegen strafrechtlich relevanter Amtspflichtverletzungen von zwei Gerichtsvollziehern in 27 Fällen Schadensersatzforderungen gegen das Land Rheinland-Pfalz (Landesjustizverwaltung) anerkannt. Insgesamt wurde ein Schadensersatzbetrag in Höhe von 70 448,80 Euro geleistet. Derzeit liegt ein weiteres Schadensersatzbegehren über 2 135,51 Euro vor, über das noch nicht abschließend entschieden ist. Die Vorgänge, in denen Schadensersatz geleistet worden ist, sind bereits überwiegend zur gerichtlichen Geltendmachung von Regressforderungen dem Generalstaatsanwalt in Zweibrücken vorgelegt worden. Bisher wurden wegen Regressforderungen in Höhe von 65 029,10 Euro Vollstreckungsbescheide erlassen; wegen zwei Forderungen in Höhe von 2 518,05 Euro ist das gerichtliche Mahnverfahren noch anhängig. Nach Erlass der Vollstreckungsbescheide wurde zunächst im gesetzlich zulässigen Umfang die Aufrechnung gegen die Gehaltsforderung des betroffenen Beamten erklärt. Im Rahmen dieser Aufrechnung sind seither 2 709,34 Euro auf die Regressforderungen überwiesen. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das bewegliche Vermögen blieben bislang ohne Erfolg. Allerdings wurden wegen Regressforderungen in Höhe von 63 189,23 Euro zuzüglich Zinsen im Wege der Zwangsvollstreckung Sicherungshypotheken an dem Grundbesitz des Beamten eingetragen. Es ist beabsichtigt, wegen weiterer Regressforderungen in gleicher Weise zu verfahren. Zu 6.: Als Folge der festgestellten Unregelmäßigkeiten hat das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf Anregung der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichtsbezirke Koblenz und Zweibrücken eine landesweite Arbeitsgruppe zur Erarbeitung bzw. Verbesserung landeseinheitlicher Standards bei der Prüfung der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher eingereicht . Diese Arbeitsgruppe wurde im Februar 2011 gegründet und hat sich am 5. April 2011 zu einer ersten Besprechung getroffen. Als Ziel wurde dabei insbesondere formuliert, eine interne Checkliste für Prüfungsbeamtinnen und Prüfungsbeamte zu erarbeiten, in der konkrete Prüfungsansätze definiert werden. Ferner hat sich die Arbeitsgruppe zur Aufgabe gemacht, Manipulationsmöglichkeiten aufzuzeigen und für etwaige Warnsignale auch außerhalb der standardisierten Geschäftsprüfung zu sensibilisieren. Sie befasst sich darüber hinaus mit weiteren grundsätzlichen Fragen, die die Arbeit der Prüfungsbeamtinnen und- beamten nachhaltig beeinflussen . Es werden die dem Strafverfahren zugrunde liegenden Verfehlungen erörtert und Maßnahmen geprüft, die ein derartiges Fehlverhalten im Vorhinein verhindern können. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1847 Die Arbeitsgruppe hat sich regelmäßig zu weiteren Sitzungen getroffen und am 10. Oktober 2011 einen Zwischenbericht erstellt. Mit der Vorlage des Abschlussberichts ist in absehbarer Zeit zu rechnen. Manipulationsmöglichkeiten hat die Arbeitsgruppe vor allem im Zahlungsverkehr und bei der Buchung von Zahlungsvorgängen aufgelistet, aber auch in anderen Bereichen erkannt, wie z. B. Gebührenübererhebung. Sie hat verschiedene Vorschläge gemacht, deren Umsetzung derzeit geprüft wird. Zwischenzeitlich wurden durch das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bereits einige Anregungen der Arbeitsgruppe aufgegriffen, insbesondere soweit sie angestrebte Regelungen zur Geschäftsführung der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher betreffen. So wurde beispielsweise der Entwurf einer Verwaltungsvorschrift über die Einrichtung eines Dienstkontos der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher bei einem Kreditinstitut (§ 73 Gerichtsvollzieherordnung) erarbeitet. Jochen Hartloff Staatsminister 3