Drucksache 16/1920 19. 12. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Arnold Schmitt und Michael Billen (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Wildschweinplage Die Kleine Anfrage 1241 vom 29. November 2012 hat folgenden Wortlaut: Die Winzer und Landwirte haben in den letzten Jahren immer häufiger mit Wildschäden durch die hohen Populationen an Rotund Schwarzwild zu kämpfen. Ganze Weinberge werden durch Fraß zerstört und Felder und Wirtschaftswege umgepflügt. Als Maßnahme zur Verringerung der Bestände kann die übliche Jagd, aber auch die behördlich angeordnete Verringerung nach § 38 Landesjagdgesetz eingesetzt werden. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die derzeitige Situation? 2. Welche Maßnahmen schlägt die Landesregierung zur Verringerung der Wildschäden vor? 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Anwendung des § 38 LJG in der Praxis? 4. Wie häufig wurde mit welchen Erfolgen der § 38 LJG in Rheinland-Pfalz in den letzten zwei Jahren bereits eingesetzt? 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Regelung des § 38 LJG in Bezug auf dessen Durchsetzbarkeit? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 18. Dezember 2012 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die durchschnittliche jährliche Jagdstrecke1) des Rotwilds betrug in Rheinland-Pfalz in den Jahren von 1964 bis 1992 3 825 Stück (Minimalwert: 3 248 Stück im Jagdjahr2) 1982/1983 – Maximalwert: 4 415 Stück im Jagdjahr 1988/1989). Vom Frühjahr 1993 an wurden die Waldwildschäden als wesentliches Kriterium für die behördliche Abschussfestsetzung herangezogen . Mit Einführung dieses durch die Forstverwaltung erstellten Gutachtens zum Einfluss des Schalenwilds auf das waldbauliche Betriebsziel (Waldbauliches Gutachten) stiegen die Abschusszahlen zunächst auf über 5 000 Stück an und erreichten im Jagdjahr 2008/2009 den bisherigen Höchstwert von 8 760 Stück. Die durchschnittliche jährliche Jagdstrecke des Schwarzwilds betrug in Rheinland-Pfalz in den Jahren von 1954 bis 1982 6 145 Stück (Minimalwert: 2 477 Stück im Jagdjahr 1982/1983 – Maximalwert: 10 701 Stück im Jagdjahr 1973/1974). Ab dem Jagdjahr 1983 stiegen die Abschusszahlen des Schwarzwilds – zwar mit großen Schwankungen – kontinuierlich an und erreichten im Jagdjahr 2008/2009 ihren bisherigen Höchstwert von 80 175 Stück. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 29. Januar 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode 1) Anzahl des als erlegt gemeldeten Wildes. 2) Vom 1. April bis 31. März. Drucksache 16/1920 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Auch wenn diese Abschusszahlen nicht zwingend auf die tatsächliche Populationshöhe schließen lassen, so zeigen sie jedoch den deutlichen Trend an. Anderseits spiegeln sie das große Engagement der Jägerschaft wider, das Rot- und Schwarzwild auf eine den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepasste Bestandsdichte zu bringen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage 1241 der Abgeordneten Arnold Schmitt und Michael Billen (CDU) namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Aus vielen Regionen des Landes mehrten sich insbesondere ab Sommer 2012 die Hinweise auf eine stark angestiegene Schwarzwildpopulation und dadurch bedingte Wildschäden im landwirtschaftlichen Bereich, im Weinbau und auch in Hausgärten. Mit der Ernte der Maisfelder ist dem Schwarzwild auf den landwirtschaftlichen Flächen weitestgehend die Nahrungsgrundlage entzogen . Auf seiner Nahrungssuche legt das Schwarzwild oft weite Wege zurück und quert dabei auch Straßen und Eisenbahnkörper . Im Gegensatz zum letzten Jahr ist im laufenden Jahr weitestgehend keine Waldmast vorhanden, d. h. dem Wild steht im Wald so gut wie keine Nahrung in Form von Bucheckern und Eicheln zur Verfügung. In unmittelbarer zeitlichen Folge zur Ernte der Maisfelder bieten allerdings reifende Trauben eine weitere willkommene Nahrungsquelle. Die Wildschweine sind daher entlang der großen Flusstäler vermehrt in die Weinbergslagen gezogen, die zudem neben der entsprechenden Nahrungsgrundlage in den Drieschen 3) optimale Tageseinstände bieten. Hinsichtlich des Rotwilds ist festzustellen, dass in verschiedenen Regionen des Landes nach wie vor deutlich zu hohe Bestände vorhanden sind, die nicht nur erhebliche Schäden im Wald, sondern auch auf den landwirtschaftlichen Produktionsflächen, insbesondere im Raps, verursachen. Zu Frage 2: Da die seit Jahrzehnten praktizierte behördliche Abschussfestsetzung einen deutlichen Anstieg der Schalenwildbestände nicht verhindern konnte, hat der Landesgesetzgeber mit der Novellierung des Landesjagdgesetzes (LJG) im Jahr 2010 die gesetzlichen Vorschriften zur Abschussfestsetzung grundlegend geändert. Zur Stärkung des Verantwortungsbewusstseins der Jagdrechtsinhaber und ihrer jagdausübungsberechtigten Personen wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass jede Verpächterin oder jeder Verpächter von Jagdbezirken mit der pachtenden Person eine individuelle Abschussregelung unter Einbeziehung der örtlichen Besonderheiten des jeweiligen Jagdbezirks zu vereinbaren hat. Die behördliche Abschussfestsetzung ist nunmehr auf die Fälle beschränkt, in denen eine Abschussvereinbarung nicht zustande kommt oder zu beanstanden ist und dieser Beanstandung nicht abgeholfen wird. Darüber hinaus setzt die Behörde von sich aus einen mindestens zu erfüllenden Abschussplan fest, wenn die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden oder Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege und der Bekämpfung von Tierseuchen erheblich beeinträchtigt sind. Erstmalig im Bundesgebiet wird das Schwarzwild in die gesetzliche Abschussregelung gemäß LJG mit einbezogen, d. h. die Abschussvereinbarungen sollen auch Regelungen über den Abschuss von Schwarzwild enthalten. Die Landesregierung hat zudem mit dem Landesjagdverband Rheinland-Pfalz e. V., den beiden Bauern- und Winzerverbänden und dem Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz gemeinsame Bejagungsempfehlungen für Schwarzwild erarbeitet und herausgegeben . Ziel des aktuellen „Handlungsprogramms zur Reduzierung überhöhter Schwarzwildbestände und zur Absenkung des Risikos einer Ausbreitung von Tierseuchen für die Jagdjahre 2012/2013 und 2013/2014“ ist es, die Schwarzwildbestände auf eine den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepasste Bestandsdichte zu bringen, um insbesondere – Schwarzwildschäden in der Landwirtschaft und im Weinbau zu verringern, – das Risiko einer möglichen Ausbreitung von infektiösen Tierseuchen abzusenken sowie – Gefahren durch Verkehrsunfälle mit Schwarzwildbeteiligung zu mindern. Die Umsetzung liegt jedoch in der Verantwortung der vor Ort zuständigen Akteure. Insbesondere sind die Jägerschaft und die Verpächterinnen und Verpächter von Jagdbezirken aufgefordert, ihre Handlungsweisen an diesen Bejagungsempfehlungen auszurichten . Ohne deren engagierte Mithilfe und Umsetzung in allen Jagdbezirken mit Schwarzwildvorkommen sind alle noch so guten Denkanstöße oder rechtlichen Vorgaben zum Scheitern verurteilt. 2 3) Nicht mehr bewirtschaftete verwilderte Weinbergsflächen. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1920 Die deutliche Verringerung der Rot- und Schwarzwildbestände bleibt als Daueraufgabe für die Jägerschaft bestehen. Durch eine entsprechende Gestaltung der Jagdzeiten wird diese Aufgabe der Jägerschaft befördert. Welche speziellen Maßnahmen darüber hinaus zur Wildschadensverringerung in den einzelnen Jagdbezirken anwendbar sind bzw. zum Tragen kommen können, muss individuell unter Beteiligung aller Betroffenen (Jägerschaft, Grundstückseigentümer, Landwirte , Winzer, Forstverwaltung) entschieden werden. Dies kann z. B. sein die – Anbringung von zulässigen Schutzvorrichtungen (Zäunen); – Instandhaltung vorhandener Schutzvorrichtungen; – Anlage von Schuss- oder Bejagungsschneisen in landwirtschaftlichen Produktionsflächen (Mais/Raps) oder in Weinbergsdrie- schen; – Anlage von attraktiven Daueräsungsflächen mit einer mindestens zweijährigen Nutzungsdauer; – Zurückdrängung von Mais in der Fruchtfolge. Zielführend erscheint hierzu die gemeinsame Erarbeitung eines abgestimmten Konzepts durch die Akteure für die betroffene Region . Hierzu zählen auch die Planung und Durchführung großräumiger, revierübergreifender Bewegungsjagden, die als besonders effektive Form der Rot- und Schwarzwildbejagung gelten und vermehrt durchgeführt werden sollten. Zu Frage 3: Die Anwendung des § 38 LJG durch die unteren Jagdbehörden erfolgt je nach den örtlichen Erfordernissen nicht nur zur Verringerung von Schalenwildbeständen, sondern auch z. B. für Ringeltauben und Wildgänse. Zum Teil wurden anderweitige Maßnahmen ergriffen, wie z. B. die Zulassung von künstlichen Lichtquellen für die Schwarzwildbejagung. Zudem führen einzelne untere Jagdbehörden jährliche Besprechungen mit den Pächterinnen und Pächtern von Jagdbezirken sowie mit betroffenen Landwirten durch. Zu Frage 4: Nach den eingeholten Meldungen der unteren Jagdbehörden wurde in den letzten beiden Jahren § 38 LJG, bezogen auf Rot- und Schwarzwild, in drei Fällen angewandt. Auf Grund dieser Anordnung wurden vermehrt Drückjagden und Ansitzjagden mit guten Resultaten durchgeführt. Zu Frage 5: Die Vorschrift des § 38 LJG stellt im Jagdrecht keine grundsätzlich neue Regelung dar. Sie ist vielmehr eine weitgehende Übernahme der seit Jahren bewährten Bestimmung des § 27 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG). Die bisherige Anwendung des § 27 BJagdG kam jedoch erst bei einer notstandsähnlichen Lage in Betracht, die mit normalen und zumutbaren Möglichkeiten nicht mehr zu meistern war und zur Abhilfe außerordentliche Maßnahmen verlangte. Demgegenüber wurde, um den berechtigten Anliegen der Landwirtschaft zum Schutz vor Wildschäden durch überhöhte Schwarzwildbestände gerecht zu werden, in der amtlichen Gesetzesbegründung zur Anwendung des § 38 LJG klargestellt, dass die Voraussetzungen für eine Anordnung nach dieser Vorschrift bereits dann vorliegen, wenn die zuständige Landwirtschaftsbehörde ein auf den Jagdbezirk bezogenes überdurchschnittliches Schadensausmaß durch Schwarzwild feststellt. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber für das vom Weinbau geprägte Land Rheinland-Pfalz in § 38 Abs. 1 Satz 2 LJG zusätzlich geregelt , dass die zuständige Jagdbehörde die besondere Sensibilität des Weinbaus angemessen zu berücksichtigen hat. Ulrike Höfken Staatsministerin 3