Drucksache 16/1927 20. 12. 2012 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Stephanie Nabinger (büNDNIS 90/DIE GRüNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Geplante Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Cattenom Die Kleine Anfrage 1261 vom 6. Dezember 2012 hat folgenden Wortlaut: Ende Oktober 2012 kündigte die Électricité de France (EDF) an, in den kommenden Jahren das Atomkraftwerk (AKW) Cattenom auf den neuesten Stand der Technik bringen zu wollen. Insgesamt sollen zwischen 2016 und 2022 bis zu 4 Milliarden Euro in die Modernisierung des Atomkraftwerks fließen. Aufgrund dieser Investitionen geht die EDF von einer Laufzeitverlängerung für die vier Reaktoren in Cattenom von zwanzig Jahren – also von einer Lebensdauer der Reaktoren von sechzig Jahren – aus. Diese Laufzeitverlängerung ist nicht nur aus Sicht der Fragestellerin höchst bedenklich, da das AKW Cattenom äußert schlecht beim EU-Stress - test abgeschnitten hat. Es ist derzeit noch unklar, welchen grenzüberschreitenden Bekanntmachungen, Prüfungen und Beteiligungen eine Verlängerung der Lebensdauer der Reaktoren in Cattenom auf sechzig Jahre zu unterziehen ist. Hierfür wäre laut Bundesregierung beispielsweise zu klären, ob es sich nach französischer Rechtslage um einen Plan oder ein Programm im Sinne der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltwirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) oder des UN ECE-Protokolls vom 21. Mai 2003 über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (SEA-Protokoll) oder um eine nationale Politik handelt. Außerdem wäre zu klären, ob die Genehmigung des Atomkraftwerks Cattenom befristet war oder durch eine nachträgliche Änderung befristet wurde. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Handelt es sich nach Kenntnis der Landesregierung bei dem in der Vorbemerkung genannten Konzept nach französischer Rechts- lage um einen Plan oder ein Programm im Sinne der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltwirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) oder des UN ECE-Protokolls vom 21. Mai 2003 über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (SEA-Protokoll) oder um eine nationale Politik? 2. Welche Schritte hat die Landesregierung in diesem Jahr wann genau unternommen, um Informationen und Auskünfte im Zusammenhang mit der vorausgegangenen Frage von französischen Behörden zu erhalten oder, falls sie hierzu nicht in Kontakt mit französischen Behörden ist, warum nicht? 3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung darüber, ob die Genehmigung von Cattenom befristet war oder sie durch eine nachträgliche Änderung befristet wurde? 4. Welche schriftlichen Informationen wurden welchen Landesbehörden in diesem Jahr im Zusammenhang mit einer Laufzeitverlängerung des französischen AKW Cattenom wann genau vom Betreiber EDF oder den französischen Behörden übermittelt? 5. Ist die geplante Laufzeitverlängerung des französischen AKW Cattenom nach Kenntnis der Landesregierung ein umweltverträglichkeitsprüfungspflichtiges (UVP-pflichtig) Vorhaben? 6. Falls ja, ist dafür nach Kenntnis der Landesregierung auch eine grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen? 7. Ergibt sich nach Kenntnis der Landesregierung eine Beteiligung bzw. Beteiligungsmöglichkeit – z. B. in Form einer Stellung - nahme oder Anhörung – des Bundeslands Rheinland-Pfalz oder der deutschen Öffentlichkeit aus anderen Rechtsvorschriften? Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 23. Januar 2013 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/1927 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 18. Dezember 2012 wie folgt beantwortet: Die Fragen Nr. 1 bis 7 der vorgenannten Kleine Anfrage beantworte ich aufgrund der komplexen, ineinander greifenden Fragestellungen im Zusammenhang wie folgt: Für die vier Blöcke des AKW Cattenom erteilte das französische Industrieministerium drei zeitlich unbegrenzte Betriebsgenehmigungen (Blöcke 1 und 2 am 24. Juni 1982, Block 3 am 24. Juni 1982, Block 4 am 29. Februar 1984). Gemäß Artikel 29 des französischen Gesetzes Nr. 2006-686 vom 13. Juni 2006 über die Transparenz und die kerntechnische Sicherheit (Gesetz „TSN“) ist eine neue Betriebsgenehmigung notwendig, wenn wesentliche Änderungen an der Anlage stattfinden sollen. In einem solchen Fall wäre gemäß der Verordnung Nr. 2007-1557 vom 2. November 2007 über Kernanlagen auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung in Frankreich notwendig, deren Umfang sich nach der Art der Anlage und der zu erwartenden Auswirkungen auf die Umwelt richten würde. Die zuständigen französischen Behörden würden in diesem Fall auch darüber entscheiden , ob eine grenzüberschreitende strategische Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen wäre. Darüber hinaus sieht das Gesetz TSN periodische Sicherheitsüberprüfungen für jeden Kraftwerksblock vor, deren Bestehen die Voraussetzung für einen Weiterbetrieb bis zur nächsten periodischen Sicherheitsüberprüfung ist. Diese Sicherheitsüberprüfungen finden für französische Atomkraftwerke alle zehn Jahre statt. Hierzu muss der Betreiber der Atomaufsichtsbehörde Prüfunterlagen vorlegen. In dem betroffenen Reaktorblock finden zusätzlich entsprechende Prüfungen durch die Atomaufsichtsbehörde vor Ort statt. Bei einem positiven Prüfergebnis spricht sich die Atomaufsichtsbehörde gegenüber dem zuständigen Ministerium für einen Weiterbetrieb des Kraftwerkblocks für die nächsten zehn Jahre aus. Die Erlaubnis für diesen Weiterbetrieb erteilt das zuständige Ministerium. Um eine Erlaubnis für eine Betriebsdauer von mehr als 40 Jahren zu erhalten, muss der entsprechende Reaktorblock die vierte periodische Sicherheitsüberprüfung bestehen, er kann dann für das Laufzeitintervall von 40 bis 50 Jahren betrieben werden. Für die Laufzeitperiode von 50 bis 60 Jahren gilt die gleiche Verfahrensweise. Diese vierte Sicherheitsüberprüfung ist im AKW Cattenom für den Block Nr. 1 im Jahr 2026 vorgesehen. Die Électricité de France (EDF) hatte in den letzten Jahren gegenüber der Presse verlautbaren lassen, dass sie ihre Atomkraftwerke über die von ihr ursprünglich vorgesehenen 40 Jahre hinaus bis zu 60 Jahre betreiben möchte. Die Regierung unter Präsident Sarkozy unterstützte eine Verlängerung der Betriebsdauer über 40 Jahre hinaus. Die Regierung unter Präsident Hollande hat sich für eine Senkung des Anteils der nuklearen Stromerzeugung von 75 auf 50 Prozent bis zum Jahr 2025 ausgesprochen. Eine politische Absichtsbekundung der jetzigen französischen Regierung zu einer Verlängerung der Betriebsdauer für den verbleibenden Kraftwerkspark ist der Landesregierung nicht bekannt. Nach mündlicher Mitteilung der französischen Atomaufsichtsbehörde bei der Sitzung der deutsch-französischen Kommission für die Fragen der Sicherheit kerntechnischer Anlagen am 23. Mai 2012 hat die EDF bislang keine konkreten Pläne für eine Laufzeitverlängerung vorgelegt. Dieser Sachstand wurde auf Anfrage der Landesregierung durch die französische Atomaufsichtsbehörde am 12. Dezember 2012 erneut bestätigt. Es liegen somit aktuell keine Angaben vor, ob überhaupt und wenn ja, in welchem Umfang technische Änderungen am AKW Cattenom notwendig wären. Eine Bewertung, ob etwaige Änderungen so wesentlich wären, dass sie eine Erneuerung der Betriebsgenehmigung oder eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen würden, kann daher nicht durchgeführt werden. Aus diesem Grund können auch die weitergehenden Fragen der Kleinen Anfrage bezüglich der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltwirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie), des UN ECE-Protokolls vom 21. Mai 2003 über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (SEA-Protokoll) sowie zur grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligung derzeit nicht beantwortet werden. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt ein entsprechendes Beteiligungsverfahren eröffnet werden, wird sich die Landesregierung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln nachdrücklich für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz einsetzen und sich entschieden gegen eine Laufzeitverlängerung für das AKW Cattenom aussprechen. Eveline Lemke Staatsministerin