Drucksache 16/1999 22. 01. 2013 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 25. Februar 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Ulrich Steinbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Umlagesätze und Einnahmen der Landkreise in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1303 vom 21. Dezember 2012 hat folgenden Wortlaut: Die schlechte Finanzsituation der kommunalen Gebietskörperschaften in Rheinland-Pfalz trifft auch die Gebietskörperschaftsgruppe der Landkreise. Die Landkreise finanzieren sich überwiegend durch Umlagen, die sie von den kreisangehörigen Städten und Gemeinden erheben (Kreisumlage). Die Festsetzung der Umlage-Hebesätze liegt im pflichtgemäßen Ermessen der umlageerhebenden Körperschaft. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie haben sich die Sätze der Kreisumlage in den einzelnen Landkreisen seit 2001 entwickelt (bitte nach Landkreis getrennt jähr- lich darstellen)? 2. Wie haben sich die Einnahmen in Euro durch die Kreisumlage in den Landkreisen in Rheinland-Pfalz in den Jahren seit 2001 entwickelt (bitte nach Landkreis getrennt und summarisch für Rheinland-Pfalz jährlich darstellen)? 3. Wie hat sich der Anteil der Einnahmen aus der Kreisumlage an den gesamten Einnahmen seit 2001 entwickelt (bitte nach Land- kreis getrennt und summarisch für Rheinland-Pfalz jährlich darstellen)? 4. Wie bewertet die Landesregierung die progressive Ausgestaltung der Kreisumlage? 5. Welche Erhöhungen der Kreisumlage haben die Landkreise nach Kenntnis des Ministeriums vorgenommen oder haben diese ge- plant oder angekündigt, um am Kommunalen Entschuldungsfonds in Rheinland-Pfalz teilzunehmen (bitte nach teilnehmenden Landkreisen differenziert darstellen)? 6. Wie bewertet die Landesregierung die Höhe der Umlagesätze angesichts der Verschuldungssituation der Kreisebene und der kreisangehörigen Städte und Gemeinden? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 22. Januar 2013 wie folgt beantwortet: Zu den Fragen 1 und 2: Die Angaben finden sich in den Anlagen 1 und 2. Zu Frage 3: Die Angaben finden sich in der Anlage 3. Zusätzlich ist auf Folgendes hinzuweisen: Es wurde auf die Einnahmeentwicklung entsprechend der statistischen gesamtwirtschaftlichen Darstellungsweise zurückgegriffen. Die Bruttoeinnahmen der laufenden Rechnung bilden die Summe aus Steuern, steuerähnlichen Einnahmen, Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit, Zinseinnahmen, laufende Zuweisungen und Zuschüsse, Schuldendiensthilfen sowie sonstige laufende Einnahmen wie beispielsweise Gebühren und Entgelte. Die Kapitalrechnung und besondere Finanzierungsvorgänge bleiben im Rahmen dieser Betrachtung außen vor. Drucksache 16/1999 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 4: Mit dem Fünften Landesgesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vom 8. Juni 1993 (GVBl. S. 311) wurde in RheinlandPfalz in § 25 Abs. 2 Nr. 2 Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) die Möglichkeit der Gestaltung von progressiven Kreisumlagesätzen geschaffen. Seinerzeit war die Finanzsituation in einigen Landkreisen negativ in der Art geprägt, dass eine hohe Steuerkraft der steuerstarken kreisangehörigen Gemeinden bei der Berechnung des Finanzbedarfs der Landkreise im Rahmen der Schlüsselzuweisungen berücksichtigt wurde, eine entsprechende Abschöpfung über die Kreisumlage jedoch nicht erfolgen konnte (Stichwort: Überkompensation). Für die über dem Landesdurchschnitt der kreisangehörigen Gemeinden liegende Steuerkraftmesszahl können die Umlagesätze progressiv festgesetzt werden, wobei der Eingangsumlagesatz für je begonnene 10 v. H. der über dem Landesdurchschnitt der kreisangehörigen Gemeinden liegenden Steuerkraftmesszahl um bis zu 10 v. H. erhöht werden kann. Gleichzeitig darf der Umlagesatz in der höchsten Progressionsstufe 150 v. H. des Eingangsumlagesatzes nicht übersteigen. Das LFAG ermöglicht mit dem Instrument der Erhebung von progressiven Kreisumlagesätzen eine anteilige Abschöpfung der überdurchschnittlichen Steuerkraft einzelner Gemeinden zu Gunsten von finanzschwächeren Gemeinden. Damit wird auch der Aspekt der Ausgleichsfunktion (redistributive Funktion) der Kreisumlage gestärkt, wonach Finanzkraftunterschiede zwischen den einzelnen kreisangehörigen Gemeinden abgemildert werden und generell finanzstarke Gemeinden in höherem Umfang als finanzschwache Gemeinden zur Finanzierung der Kreisaufgaben beitragen. Die Landesregierung begrüßt die Gestaltung von progressiven Kreisumlagesätzen. Deren Zulässigkeit wurde durch mehrere obergerichtliche Entscheidungen bestätigt, beispielsweise VGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Januar 1998 – VGH N 2/97 – oder zuletzt OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. April 2011 – 2 A 11423/10.OVG –. Zu Frage 5: Die Angaben finden sich in der Anlage 4. Zu Frage 6: § 58 Abs. 4 Landkreisordnung (LKO) gibt vor, dass nach den näheren Bestimmungen des LFAG jährlich eine Kreisumlage zu erheben ist, soweit Finanzmittel nach § 58 Abs. 2 LKO und sonstige Finanzmittel den Finanzbedarf nicht decken. Regelungen zu der Berechnung der Kreisumlage selbst enthält § 25 LFAG, die Kreisumlage ist damit ein aktives und flexibles Element des kommunalen Finanzausgleichs. Die Landkreise entscheiden über die Höhe der Kreisumlagensätze im Rahmen des ihnen innerhalb der kommunalen Selbstverwaltung zustehenden Gestaltungsspielraums. Bei der Festsetzung des Kreisumlagensatzes ist in Ausübung des Satzungsermessens allerdings neben dem Haushaltsausgleichsgebot auch das von Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG, Art. 49 Abs. 1 und 3 LV geschützte Selbstverwaltungsrecht der umlagepflichtigen Gemeinden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Dezember 1998, AS 27, 279, 292) bzw. das Gebot kommunaler Rücksichtnahme (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Dezember 1978, AS 15, 157, 160 und Urteil vom 25. September 1985, DVBl. 1986, 249, 253) zu beachten. Die Vertretbarkeit der Höhe eines Kreisumlagensatzes ist nur in Abhängigkeit von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls und der Betrachtung der jeweils zu erfüllenden Aufgabenstellungen der Landkreise beurteilbar. Eine allgemeine „Schmerzgrenze “ lässt sich diesbezüglich nicht bestimmen. In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob die Umlagenausschöpfung angemessen und vertretbar ist. Eine Umlagenquote ist nur dann unvertretbar, wenn sie jedes vernünftige und vertretbare Maß übersteigt, der Kreis willkürlich verfährt und die Kreisumlage objektiv geeignet ist, eine unzumutbare Belastung der Finanzkraft der Gemeinde zu bewirken, sodass sie die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Betätigung im Wesentlichen verliert (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Dezember 1998 – Az. 7 C 11935/97.OVG –). Das Recht auf kommunale Selbstverwaltung ist dann nicht mehr gewahrt, wenn die Gemeinden durch Abgaben und Umlagen derart ihrer Mittel beraubt werden, dass kein finanzieller Spielraum mehr für die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben besteht (VG Trier, Urteil vom 16. November 2010 – 1 K 100/10.TR –). Jedenfalls die in der Anlage 1 aufgeführten Kreisumlagesätze indizieren die vorgenannten Voraussetzungen nicht. Die Landkreise verfügen nicht über ins Gewicht fallende eigene Steuereinnahmen, sodass neben der Kreisumlage die Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich Haupteinnahmequelle der Kreise sind. Anlage 3 zeigt, dass der Anteil des Umlageaufkommens an den Gesamteinnahmen der Landkreise im Beobachtungszeitraum abgenommen hat. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1999 Darüber hinaus möchte ich noch auf Folgendes hinweisen: Ungeachtet der Entwicklung der Kreisumlagensätze bzw. der Einnahmen aus der Kreisumlage mehren sich in jüngster Zeit gerade vor dem Hintergrund knapper Finanzmittel auf allen staatlichen Ebenen und des Anstiegs der Liquiditätskreditbelastungen der kommunalen Gebietskörperschaften von unterschiedlichen Institutionen verstärkt die Forderungen nach weitaus größerer kommunaler Haushaltsdisziplin und Haushaltskonsolidierung, als dies in der Vergangenheit der Fall war: – Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat in seiner Entscheidung vom 14. Februar 2012, VGH N 3/11, auf bestehende Konsolidierungsspielräume hingewiesen (vgl. Umdruck S. 33, Buchstabe ee): „Das Land kann im Gegenzug für seinen Beitrag zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise verlangen, dass auch die Kommunen ihre Kräfte größtmöglich anspannen. Die über Jahrzehnte gewachsene kommunale Finanzkrise erfordert von Verfassung wegen ein entschlossenes und zeitnahes Zusammenwirken aller Ebenen. Insbesondere haben die Kommunen ihre eigenen Einnahmequellen angemessen auszuschöpfen und Einsparpotenziale bei der Aufgabenwahrnehmung zu verwirklichen. Spielräume hierfür bestehen nach wie vor…“ – Der Rechnungshof Rheinland-Pfalz trifft in der zusammenfassenden Darstellung zum Kommunalbericht 2012 folgende Aussage: „Ungeachtet dessen müssen Gemeinden und Gemeindeverbände weitere erhebliche Anstrengungen zum Haushaltsausgleich unternehmen. Dabei darf es keine Denkverbote geben. Die Ausschöpfung des Konsolidierungspotentials darf auch nicht unter Hinweis auf die sog. ‚Vergeblichkeitsfalle‘, wonach eigene Sparbemühungen vor dem Hintergrund nicht beeinflussbarer Ausgaben ohne Nutzen seien, unterbleiben.“ – Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (sog. fünf Wirtschaftsweisen) hat in seinem am 7. November 2012 vorgestellten Jahresgutachten 2012/2013 auf Folgendes hingewiesen: „Außerdem dürfen die betroffenen Gemeinden bei der Sanierung der Haushalte nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Die Landesregierungen sollten als Bedingung für die Teilnahme an Entschuldungsprogrammen auf weitere Kürzungen auf der Ausgabenseite drängen. Die Einsicht auf der kommunalen Ebene muss wachsen, dass deutlich unterkapazitär genutzte Einrichtungen (beispielsweise Schwimmbäder, Sportanlagen, Bürgerhäuser, kulturelle Einrichtungen) geschlossen werden müssen.“ Roger Lewentz Staatsminister 3 Drucksache 16/1999 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 4 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1999 5 Drucksache 16/1999 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 6 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1999 7 Drucksache 16/1999 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 8 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/1999 9