Drucksache 16/2017 31. 01. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Hedi Thelen (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Anteil der Niedriglohnempfänger an den Vollzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Rheinland-Pfalz und Deutschland Die Kleine Anfrage 1309 vom 8. Januar 2013 hat folgenden Wortlaut: Vor dem Hintergrund von Meldungen des DGB im Dezember 2012 frage ich die Landesregierung: 1. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Vollzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in den letzten fünf Jahren (jeweils zum 30. Juni und 31. Dezember) in Rheinland-Pfalz und den Bundesländern beschäftigt waren? 2. In welcher Höhe lagen in diesen Jahren jeweils die Grenzen zwischen Niedriglohn und Normalverdiener? 3. Wie hoch war in diesem Zeitraum der Anteil der Vollzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Niedriglohn an den insgesamt Vollzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Rheinland-Pfalz und den übrigen Bundesländern (bitte aufschlüsseln nach den Stichtagen 30. Juni und 31. Dezember in den letzten fünf Jahren)? 4. Wie hoch war die Anzahl der Niedriglohn beziehenden Vollzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bezogen auf jeweils 1 000 Einwohner in Rheinland-Pfalz und den übrigen Bundesländern zu den genannten Stichtagen in den letzen fünf Jahren? 5. Wie bewertet die Landesregierung die Situation in Rheinland-Pfalz grundsätzlich und im Vergleich zum übrigen Bundesgebiet? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 29. Januar 2013 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten ohne Auszubildende im Zeitraum vom 30. Juni 2006 bis 30. Juni 2011 (Quelle: Bundesagentur für Arbeit) ist der Anlage 1 zu entnehmen. Eine Datenauswertung für nachfolgende Zeiträume liegt der Landesregierung nicht vor. Vollzeit wird in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit mit 37,5 bis 40 Wochenstunden bei einer Fünftagewoche definiert. Alle Arbeitsverhältnisse, die mit einer geringeren Wochenstundenzahl gemeldet werden, werden als Teilzeit-Beschäftigungsverhältnisse erfasst. Die Zuordnung beruht auf der jeweiligen Meldung des Arbeitgebers. Zu 2.: Die Entwicklung der Niedriglohnschwelle in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1999 bis 2010 (jeweils zum Stichtag 31. Dezember) ist der Anlage 2 zu entnehmen. In Anlehnung an die Definition der OECD gilt bei Auswertungen der Statistik der Bundesagentur für Arbeit als Geringverdiener, wer als sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigter weniger als zwei Drittel des Medianentgelts aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten erzielt. Die Auswertungen über das Entgelt aus der Bestandsstatistik erfolgen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit nur für den Stichtag 31. Dezember, da dieser aufgrund der Jahresmeldungen methodisch sinnvoll und aussagekräftig ist. Nach den Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit belief sich die Niedriglohnschwelle in der Bundesrepublik Deutschland zum Stichtag 31. Dezember 2006 auf 1 708 Euro und zum Stichtag 31. Dezember 2010 auf 1 802 Euro. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 13. März 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/2017 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz ermittelte (ausschließlich für die Jahre 2006 und 2010) anhand der Verdienststrukturerhebung , wobei es sich um eine Stichprobenermittlung handelt, in die Beschäftigte der Land- und Forstwirtschaft, der Fischerei, Hauspersonal und Beschäftigte in Betrieben mit weniger als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht einbezogen werden, einen bundeseinheitlichen Grenzwert für das Jahr 2006 von 1 797 Euro und für das Jahr 2010 von 1 907 Euro. Der Unterschied zwischen der Statistik der Bundesagentur für Arbeit und der des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz bei den ermittelten Werten beruht auf der abweichenden Erhebungsweise. Während die Statistik des Statistischen Landesamtes auf einer Stichprobenermittlung beruht, legt die Bundesagentur für Arbeit für ihre Statistik alle seitens der Arbeitgeber gemeldeten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) in Vollzeit mit ihrem ortsüblichen Arbeitsentgelt zugrunde. Zu 3.: Der Anteil der in Vollzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Niedriglohn an den insgesamt in Vollzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Rheinland-Pfalz und dem Bundesgebiet ergibt sich aus Anlage 3 (Quelle: Bundesagentur für Arbeit). Auswertungen erfolgen seitens der Bundesagentur für Arbeit ebenfalls nur zum Stichtag 31. Dezember. Zu 4.: Der Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit hat zu dieser Frage keine Auswertung erstellt. Als Grund hierfür wird die begrenzte Aussagekraft der Gegenüberstellung von Gesamtbevölkerung und Niedriglohnempfängerinnen und -empfängern genannt. Da der Anteil von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Niedriglohnsektor an der Gesamtbevölkerung in hohem Maße von der Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung im jeweiligen Gebiet abhängig ist, ist die Anzahl der Niedriglohn-empfängerinnen und empfänger an der Bevölkerung in Regionen mit hoher Beschäftigungsquote ebenfalls regelmäßig höher. Vor diesem Hintergrund rät die Bundesagentur für Arbeit auch davon ab, eine entsprechende Kennzahl zu bilden und verweist stattdessen auf den aus ihrer Sicht aussagekräftigeren Vergleich zwischen der Anzahl unterhalb der Niedriglohnschwelle soziaversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten zu der Gesamtzahl der in Vollzeit Beschäftigten, wie in Anlage 3 dargestellt. Auch das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz hat keine entsprechenden Zahlen, da die dort vorliegenden Auswertungen der Verdienststrukturerhebung nicht „die Zahl der Niedriglohn beziehenden Vollzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten“ beinhaltet, auf deren Basis die erbetene Relation aufgezeigt werden könnte. Zu 5.: In Rheinland-Pfalz liegt der Anteil derjenigen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die ein Entgelt unter der bundeseinheitlichen Niedriglohnschwelle erhalten, seit dem Jahr 2006 bei rund 20 Prozent. Nachdem zum Stichtag 31. Dezember 2009 ein geringfügiger Rückgang des Anteils zu verzeichnen war und damit eine leichte Unterbrechung des ansonsten stetig steigenden Trends, lag der Anteil zum Stichtag 31. Dezember 2010 bei 20,9 Prozent. Somit waren knapp 183 000 Beschäftigte in RheinlandPfalz von einem Niedriglohn betroffen. Im Bundesvergleich nimmt Rheinland-Pfalz damit einen mittleren Platz ein. Zieht man den Vergleich zu den sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten, die ein Entgelt unterhalb der westdeutschen Niedriglohnschelle erhielten, so ist der Trend vergleichbar. Allerdings liegt der Anteil dann zwischen rund 22 Prozent zum Stichtag 31. Dezember 2006 und rund 23 Prozent zum 31. Dezember 2010. Zudem erhöht sich die absolute Zahl der Betroffenen auf rund 202 000 Beschäftigte und Rheinland-Pfalz findet sich im Vergleich der westdeutschen Länder unter den drei Bundesländern mit dem höchsten Anteil an Vollzeitbeschäftigten, die ein Entgelt unterhalb der Niedriglohnschwelle erhalten. Ebenso wie in Rheinland-Pfalz ist auch bei allen anderen Bundesländern im Vergleich 2006 zu 2010 ein Anstieg der unterhalb der Niedriglohnschwelle sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten festzustellen, welcher bis zu 2,3 Prozentpunkte (Brandenburg ) beträgt. Hierzu scheint der Zuwachs in Rheinland-Pfalz mit 0,7 Prozentpunkten vergleichsweise moderat. Gleichwohl ist der vorliegenden Auswertung (Anlage 3) eine Verfestigung des Anteils der Menschen zu entnehmen, die unterhalb der Niedriglohnschwelle beschäftigt sind. Diese Entwicklung ist aus Sicht der Landesregierung besorgniserregend und darf nicht ignoriert werden. Gerade ein sich verstetigender Niedriglohnsektor begünstigt eine soziale Spaltung unserer Gesellschaft durch eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und einem schleichenden Exklusionsprozess von einzelnen Beschäftigungsgruppen. Zudem führen Niedriglöhne häufig für die davon betroffenen Menschen dazu, dass eine Existenzsicherung nicht erreicht werden kann und aufstockende Sozialleistungen in vielen Fällen trotz Vollzeitbeschäftigung in Anspruch genommen werden müssen. Dadurch werden die Beschäftigten nicht nur in ihrer Lebensführung massiv eingeschränkt, sondern auch die öffentlichen Kassen belastet. Darüber hinaus führen Niedriglöhne in vielen Fällen dazu, dass die Betroffenen von den erworbenen Rentenansprüchen nicht leben können und im Alter auf zusätzliche Hilfen angewiesen sind. Auch damit gehen erhebliche Auswirkungen für staatliche Leistungen 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2017 3 und Sozialversicherungssysteme einher. Die Landesregierung fordert daher bereits seit Jahren nachdrücklich die Einführung eines allgemeinen, gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland, um die Ausbreitung von Niedriglöhnen zu verhindern und weiteren Druck auf das Lohngefüge abzuwehren. Auch hält sie eine kritische Begleitung und Auseinandersetzung mit den Entwicklungen am Arbeitsmarkt für eine der wesentlichen Herausforderungen in unserem Land. Faire und sichere Arbeitsbedingungen, die Sicherung gut entlohnter Arbeit sowie der Einsatz gegen unfaire Löhne durch Niedriglohn und Lohndumping sind dabei Leitmotive der Landesregierung. Alexander Schweitzer Staatsminister Drucksache 16/2017 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 4 Anlage 1 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2017 5 Anlage 2 Drucksache 16/2017 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 6 Anlage 3