Drucksache 16/2036 07. 02. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Ulrich Steinbach und Anne Spiegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Bekämpfung des drohenden Fachkräftemangels durch verbesserte Förderung für Berufsrückkehrerinnen in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1326 vom 18. Januar 2013 hat folgenden Wortlaut: Die Gestaltung des drohenden Fachkräftemangels gilt in verschiedenen Bereichen und Branchen als zentrale Herausforderung für die wirtschaftliche Entwicklung der Zukunft. Dabei muss das Potenzial von Frauen und hierbei von Berufsrückkehrerinnen besonders beachtet werden. Als Berufsrückkehrerinnen werden Frauen bezeichnet, die zu Gunsten der Betreuung oder Pflege aufsichtsbedürftiger Kinder oder pflegebedürftiger Familienangehöriger ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen haben und ihre Berufstätigkeit wieder aufnehmen wollen. Auf dem Arbeitsund Weiterbildungsmarkt ist die Situation von Berufsrückkehrerinnen nach einer Phase der Erwerbsunterbrechung häufig sehr schwierig. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gilt es daher, den Wiedereinstieg von Frauen zu fördern und zu erleichtern . Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie stellt sich die Situation von Berufsrückkehrerinnen in Rheinland-Pfalz dar und von wie vielen Frauen in dieser Situation geht die Landesregierung aus? 2. Welche Gründe beeinträchtigen nach Auffassung der Landesregierung den Wiedereinstieg von Frauen in die Erwerbstätigkeit? 3. Welche Beratungskonzepte und Qualifizierungsmaßnahmen für Berufsrückkehrerinnen bestehen in Rheinland-Pfalz? 4. Durch wen werden diese angeboten und/oder ausgeführt (bitte zwischen unterschiedlichen Qualifizierungsniveaus differenzie- ren)? 5. Wie bewertet die Landesregierung die angebotenen Maßnahmen im Bereich der beruflichen Weiterbildung für Berufsrückkeh- rerinnen? 6. In welcher Weise kooperiert die Landesregierung insbesondere mit der Bundesagentur für Arbeit und in welcher Weise unter- stützt sie die Förderung von Berufsrückkehrerinnen? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 7. Februar 2013 wie folgt beantwortet: Neueste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass 58 Prozent der nicht erwerbstätigen Mütter gerne wieder berufstätig wären.1) Zur Lebensplanung von Frauen gehören Berufstätigkeit und Familie. Sie wollen Kinder, in einem Beruf arbeiten, der ihren Vorstellungen entspricht, und möchten auf eine berufliche Weiterentwicklung nicht verzichten. Dieses Potenzial gilt es vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des zunehmenden Fachkräftebedarfs zu erschließen. Zu Frage 1: Die Landesregierung definiert die Zielgruppe der Berufsrückkehrerinnen bzw. Wiedereinsteigerinnen über die gesetzliche Bestimmungen des § 20 SGB III hinaus und bezieht alle Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit wegen Kindererziehung oder Betreuung pflege- Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 18. März 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode 1) IfD Allensbach (2012) „Monitor Familienleben 2012“. Drucksache 16/2036 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode bedürftiger Angehöriger unterbrochen haben und wieder in die Erwerbstätigkeit zurückkehren wollen, ein. Auf dieser Grundlage zählen derzeit nach Schätzungen des Statistischen Landesamtes in Rheinland-Pfalz rund 54 000 Frauen im Alter zwischen 25 und 65 Jahren zur sogenannten „Stillen Reserve mit Erwerbswunsch“ und sind damit potenziell Betroffene. 2) Zunehmendes Selbstbewusstsein der Frauen im Hinblick auf ihre berufliche Kompetenzen, das sich ständig verbessernde Kinderbetreuungsangebot (Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, flächendeckende Angebote im Bereich der Ganztagsschule, Tagesmütterzentralen) sowie die zunehmende Bereitschaft der Unternehmen, flexible Arbeitszeitmodelle einzuführen, haben zur Folge, dass der Wiedereinstieg nach einer Familienphase inzwischen selbstverständlicher ist und sich die familienbedingten Unterbrechungszeiten verkürzen. Zu Frage 2: Wesentliche Gründe, die den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben erschweren können, sind: – ein sich schnell änderndes berufliches Fachwissen, – ein zu geringes Angebot an qualifizierten Teilzeitarbeitsplätzen, – Zurückstellen eigener beruflicher Interessen zu Gunsten der beruflichen Entwicklung des Partners, – die häufig in ländlichen Gebieten noch vorherrschende traditionelle Rollenverteilung ( männlicher Hauptverdiener, weibliche Zuverdienerin), – fehlendes Selbstbewusstsein nach langjähriger Erwerbsunterbrechung, – nicht ausreichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten in Rand- und Ferienzeiten, – mangelnde ÖPNV-Verbindungen in ländlichen Regionen, – z. T. geringe Entlohnung gerade in frauentypischen Berufen, – steuerliche Fehlanreize (Ehegattensplitting). Zu den Fragen 3 und 4: Zu dem Gesichtspunkt „Beratungskonzepte“: Erste Einstiegsinformationen bietet die Broschüre „Plan W – Wiedereinstieg hat Zukunft: Wegweiser für den beruflichen Wiedereinstieg “, die die Landesregierung gemeinsam mit der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit, herausgegeben hat. Um Berufsrückkehrerinnen gezielt zu unterstützen, fördert die Landesregierung vier Beratungsstellen „Frau und Beruf“ in Altenkirchen , Bad Neuenahr-Ahrweiler, Idar-Oberstein und Neustadt/Weinstraße. Deren Angebot umfasst eine individuelle, bedarfsund zielgruppengerechte, professionelle Beratung für Frauen. Sie sind in ihren Regionen fest verankert und engagieren sich in themenspezifischen Netzwerk- und Kooperationsstrukturen. Daneben werden folgende Angebote der Bundesagentur für Arbeit für Berufsrückkehrerinnen bereitgehalten: – In allen Agenturen für Arbeit gibt es die Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA), die sich speziell der Thematik „Wiedereinstieg in den Beruf“ widmen und Interessierten mit Rat und Tat zur Seite stehen. In den Veranstaltungsreihen der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt „BiZ & Donna“ werden kostenfreie Informationen zu Themen, die für den Wiedereinstieg von Bedeutung sein können, z. B. Informationen zu Bewerbung, Vorstellungsgespräch, Mini-/MidiJob , Existenzgründung und vieles mehr, angeboten. Im Jahr 2012 fanden in Rheinland-Pfalz insgesamt 88 Veranstaltungen in den Arbeitsagenturen statt. – Interessierte können über Internetabfragen wie z. B. der JOBBÖRSE täglich aktualisierte Stellenangebote – in Vollzeit oder in Teilzeit – über KURSNET Angebote zur Aus- und Weiterbildung und über BERUFENET Informationen zu betrieblichen Ausbildungen und beruflichen Alternativen abrufen. – Das Lotsenportal www.Perspektive-Wiedereinstieg.de informiert über eine Vielzahl von Beratungsangeboten. Über eine Landkarte lassen sich die nächst gelegenen Beratungsstellen aufrufen. – Die Broschüre „Erfolgreich wiedereinsteigen“ und die Infomappe für Wiedereinsteigerinnen geben einen ersten Überblick über das Dienstleistungsangebot der Arbeitsagenturen sowie Hinweise und Tipps zu Themen wie Erfolgreich bewerben, Wiedereinstieg nach der Familienphase, Arbeitszeitmodelle, Berufliche Weiterbildung, Informationen zu Mini-Jobs und Zeitarbeit sowie zur Existenzgründung. Zu dem Gesichtspunkt „Qualifizierungsmaßnahmen“: Wiedereinsteigerinnen sind keine homogene Gruppe. Vor diesem Hintergrund ist das Angebot vielfältig und breit gefächert. 2 2) Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Mikrozensus 2011. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2036 So wurden von der Landesregierung im Jahr 2012 insgesamt 81 arbeitsmarktpolitische Projekte, deren Hauptzielgruppe Berufsrückkehrerinnen sind, gefördert. 3) Die Maßnahmen werden von beruflichen Weiterbildungsträgern angeboten und durchgeführt. Exemplarisch seien genannt „TOP – Training – Orientierung – Planung“ in Neuwied, „MachMIT“ in Alzey, „Aktivwerkstatt“ in den Landkreisen Zweibrücken und Pirmasens. Landesweit wurden 16 Maßnahmen ausschließlich für die Zielgruppe Alleinerziehende gefördert. Einzelne Arbeitsagenturen bieten ebenfalls Qualifizierungsmaßnahmen, die im Kontext Wiedereinstieg in den Beruf stehen, an. Exemplarisch seien das „Coaching für Berufsrückkehrer/-innen“ in Mainz, die Weiterbildung zur „Management-Assistentin/zum Management-Assistent“ in Kaiserslautern und Pirmasens sowie „Einzelcoaching“ in Trier genannt. Zu Frage 5: Wie die Ausführungen zu den Fragen 3 und 4 zeigen, gibt es in Rheinland-Pfalz sehr differenzierte Angebote für Berufsrückkehrerinnen , die je nach individueller Situation der Frauen Hilfestellungen geben und Impulse setzen, um den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern. Zu Frage 6: Die Landesregierung kooperiert schon seit vielen Jahren sehr erfolgreich mit der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit sowie den örtlichen Arbeitsagenturen. Dies spiegelt sich u. a. in gemeinsamen Projekten wider: – Die Internetseite www.frauennetz-aktiv.de bietet insbesondere Frauen, die nach einer Familienphase zurück in den Beruf wollen, umfassende Informationen rund um das Thema „Frau und Beruf“ an. – Die Kampagne „Plan W – Wiedereinstieg hat Zukunft“: Diese mit weiteren Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern 4) in der Vergangenheit durchgeführte Kampagne hat gebündelt und öffentlichkeitswirksam aufgezeigt, welche vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten es von verschiedenen Seiten in Rheinland-Pfalz für den Wiedereinstieg in den Beruf gibt. Darüber hinaus wurden Unternehmen für das Thema „Berufsrückkehr“ sensibilisiert. Mit 338 Veranstaltungen konnten im Zeitraum zwischen November 2009 und Dezember 2010 über 8 600 Personen erreicht werden. In der Fortführung der Kampagne werden weiterhin regionale Veranstaltungen, Workshop- und Seminarreihen zum Thema Wiedereinstieg gemeinsam mit der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit finanziell unterstützt. – „Perspektive Wiedereinstieg“: Ziel des vom Europäischen Sozialfonds seit 2008 finanzierten Modellprogramms ist es, potenziellen Berufsrückkehrerinnen und Berufsrückkehrern nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung von mindestens drei Jahren beim beruflichen Wiedereinstieg zu unterstützen. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf einem intensiven und umfassenden Coaching. In Rheinland-Pfalz wird das gemeinsam vom Bund, der Bundesagentur für Arbeit und den Bundesländern kofinanzierte Programm „Perspektive Wiedereinstieg“ von der SPAZ gGmbH und dem Christlichen Jugenddorfwerk – CJD am Modellstandort in Mainz und im Landkreis Mainz-Bingen umgesetzt. Seit dem Start haben rund 500 Frauen und Männer teilgenommen, etwa 70 Prozent konnten adäquat in den Arbeitsmarkt vermittelt werden. Neben kostenlosem Einzelcoaching, Kursen für Wiedereinsteigerinnen mit EDV-Qualifizierung, Workshops „Fit für den Job“ in Kleingruppen, ist auch die Kontaktpflege zu Unternehmen ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Die erfolgreichen Module dieses Modellprogramms werden von Seiten der Bundesagentur für Arbeit in enger Kooperation mit den Bundesländern ab dem Jahr 2013 verstetigt und Wiedereinsteigerinnen künftig von Beginn an, also bereits vor der Arbeitssuchendmeldung , unterstützt. Als erstes – bundesweit bisher einziges – Projekt startete im Januar 2013 mit Unterstützung der Landesregierungen von RheinlandPfalz und Baden-Württemberg die länderübergreifende, in der Region Ludwigshafen/Mannheim angesiedelte Maßnahme „Beruf und Familie“ des Vereins zur Förderung der beruflichen Bildung e. V. – VFBB. Die Beratungsstelle „Frau & Beruf“ in Neustadt/Weinstraße ist Kooperationspartnerin und trägt mit ihrer Erfahrung dazu bei, Frauen aus der sogenannten „Stillen Reserve “ in die Maßnahme zu vermitteln. Irene Alt Staatsministerin 3 3) Eine Auswertung der angebotenen Maßnahmen nach Qualifikationsniveaus erfolgt nicht. 4) Arbeitsgemeinschaften der Industrie- und Handwerkskammern Rheinland-Pfalz, Arbeitsgemeinschaft der LandFrauenverbände, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agenturen für Arbeit, Beratungsstellen „Frau & Beruf“, Deutscher Gewerkschaftsbund, Kommunale Gleichstellungsbeauftragte, Landesfrauenbeirat, Landesfrauenrat, Landesvereinigung der Unternehmerverbände, Verband deutscher Unternehmerinnen – Region Pfalz-Rheinhessen, Volkshochschulen.