Drucksache 16/2041 14. 02. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Marlies Kohnle-Gros und Hedi Thelen (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Politische Partizipation von Menschen mit Behinderung Die Kleine Anfrage 1327 vom 17. Januar 2013 hat folgenden Wortlaut: Seit März 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland geltendes Recht. Sie setzt wichtige, verpflichtende Impulse für den Bereich auch der politischen Partizipation von Menschen mit Behinderung. Das betrifft auch das Recht zu wählen und gewählt zu werden (Artikel 29 BRK). Mehrere Verbände kritisieren die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung bei Wahlen. Wir fragen die Landesregierung: 1. Inwieweit sind Menschen mit Behinderung in Rheinland-Pfalz nach Erkenntnissen der Landesregierung bei der Ausübung des Wahl- rechts durch unzureichende oder für sie ungeeignete Informationen oder andere Barrieren benachteiligt? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Situation in Rheinland-Pfalz vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention? 3. Welche Maßnahmen hält die Landesregierung für angebracht, bestehende Benachteiligungen zu beheben? 4. Auf welcher Rechtsgrundlage können Menschen mit Behinderung von der Ausübung des Wahlrechts ausgeschlossen werden? 5. In welchem Umfang ist das nach Erkenntnissen der Landesregierung der Fall? 6. Wie ist die Situation in Rheinland-Pfalz vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention zu bewerten? 7. Welche Maßnahmen hält die Landesregierung für angebracht, um die bestehende Praxis zu ändern? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 13. Februar 2013 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Um das Wahlrecht dieser Menschen sicherzustellen, werden die Betroffenen durch folgende wahlrechtlichen Regelungen und Hilfsmaßnahmen unterstützt: Für das Landtagswahlrecht ist bestimmt, dass Wahlräume nach den örtlichen Verhältnissen so ausgewählt und eingerichtet werden, dass allen Stimmberechtigten, insbesondere behinderten und anderen Menschen mit Mobilitätsbeschränkungen, die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird (§ 38 Satz 3 Landeswahlordnung – LWO –). Ein Stimmberechtigter, der des Lesens unkundig oder wegen einer körperlichen Beeinträchtigung nicht in der Lage ist, den Stimmzettel zu kennzeichnen, zu falten, in den Umschlag zu legen, diesen dem Wahlvorsteher zu übergeben oder selbst in die Wahlurne zu werfen, kann sich der Hilfe einer anderen Person bedienen; ein blinder oder sehbehinderter Stimmberechtigter kann sich zur Kennzeichnung des Stimmzettels auch einer Stimmzettelschablone bedienen (vgl. § 19 Abs. 2 Landeswahlgesetz – LWahlG –). Entsprechende Bestimmungen gibt es im Kommunalwahlrecht (vgl. § 37 Satz 2 Kommunalwahlordnung – KWO –, § 32 Abs. 3 Kommunalwahlgesetz – KWG –). Über diese gesetzlichen Bestimmungen hinaus hat sich der Landeswahlleiter in Abstimmung mit dem Landesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen auf Informationen unter dem Thema „Wahlen in leichter Sprache“ für die Landtagswahlen im Jahr Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 18. März 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/2041 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 2011 verständigt. Diese Informationen wurden vom Landesbeauftragten und dem Förderverein Netzwerk Gleichstellung und Selbstbestimmung e. V., Rheinland-Pfalz herausgegeben. Darüber hinaus wurde ein Flyer mit den wichtigsten Inhalten hierzu erstellt. Ferner hat der Landeswahlleiter gemeinsam mit dem Landesbeauftragten ein Schreiben an die Kommunen gerichtet, in dem besonders auf die wahlrechtlichen Verpflichtungen zur Auswahl und Einrichtung von barrierefreien Wahlräumen nach § 38 Satz 3 LWO hingewiesen wurde. Schließlich wurden die für die Wahlorganisation Verantwortlichen gebeten, durch weitere Maßnahmen behinderten und anderen Menschen mit Mobilitätseinschränkungen bei der Ausübung der Landtagswahl, wie z. B. durch den Einsatz von Hilfspersonen, tatkräftig zu unterstützen. Bei den nächsten anstehenden Wahlen sollen entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden. Zu 2.: Die Landesregierung hält insbesondere vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention bestimmte in den Wahlgesetzen geregelte Wahlrechtsausschlussgründe für problematisch und hat deshalb Maßnahmen auf den Weg gebracht, die insoweit Abhilfe schaffen sollen (vgl. die Antwort zu den Fragen 3 und 4 b). Zu 3. und 4.: a) Geltende Rechtslage Die geltende Rechtslage im Hinblick auf Wahlrechtsausschlussgründe, die Menschen mit Behinderungen betreffen können, stellt sich wie folgt dar: Entsprechend § 13 Nr. 2 Bundeswahlgesetz ist nach den Wahlgesetzen des Landes Rheinland-Pfalz (§ 3 Nr. 2 LWahlG, § 2 Nr. 2 KWG) eine Person vom Wahlrecht ausgeschlossen, für die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten nicht erfasst. Ferner ist vom Wahlrecht ausgeschlossen, wer sich aufgrund einer Anordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet (§ 3 Nr. 3 LWahlG, § 2 Nr. 3 KWG). Nach § 63 StGB ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat und die Gesamtwürdigung der Täterin oder des Täters und der Tat ergibt , dass von ihr oder ihm infolge ihres oder seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und sie oder er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. b) Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen bei Wahlen Um die Situation von Menschen mit Behinderungen bei Wahlen weiter zu verbessern, sind folgende Maßnahmen von der Landesregierung initiiert worden: Im Rahmen der aktuellen Änderung des Kommunalwahlgesetzes soll der Ausschluss vom aktiven Wahlrecht in Bezug auf Menschen, die sich aufgrund einer Anordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden, gemäß § 2 Nr. 3 KWG gestrichen werden. Ein solcher Wahlrechtsausschluss wird als nicht angemessen angesehen, da kriminelle Gefährlichkeit oder begangene Straftaten für sich genommen keine ausreichenden Kriterien für den Entzug des Wahlrechts sind. Der Entwurf eines Landesgesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes soll im März 2013 in den Landtag eingebracht werden. Eine entsprechende Streichung des Wahlrechtsausschlussgrundes im Landeswahlgesetz ist bei der nächsten anstehenden Gesetzesänderung vorgesehen. Schließlich soll der Wahlrechtsausschluss von Menschen überprüft werden, für die zur Besorgung aller Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist (§ 3 Nr. 2 LWahlG, § 2 Nr. 2 KWG). Um eine bundeseinheitliche Änderung des Wahlrechts zu erreichen, ist ein Antrag für eine Entschließung des Bundesrates zur Verbesserung des Wahlrechts von Menschen mit Behinderungen auf den Weg gebracht worden. Mit der vorgeschlagenen Entschließung soll insbesondere der Bundesrat zunächst feststellen, dass dieser Wahlrechtsausschlussgrund dringend einer politischen Neubewertung bedarf. Ferner soll die Bundesregierung aufgefordert werden, unverzüglich die in ihrem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beschlossene Studie zur aktiven und passiven Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an Wahlen zum Abschluss zu bringen und die von ihr angekündigten Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Partizipation vorzulegen. Schließlich soll die Bundesregierung gebeten werden, spätestens bis Mitte 2013 über das Veranlasste zu berichten. Neben der Überprüfung und Änderung der Wahlrechtsausschlussgründe soll darüber hinaus in der Kommunalwahlordnung die Stimmabgabe behinderter Wählerinnen und Wähler (§ 47 KWO – neu –) in Anlehnung an die entsprechende Bestimmung der Landeswahlordnung konkretisiert werden. Schließlich soll die Benachrichtigung der Wahlberechtigten um einen Hinweis ergänzt 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2041 werden, sofern der Wahlraum barrierefrei ist (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 KWO – neu –). Damit soll den Wahlberechtigten die Entscheidung erleichtert werden, ob sie an der Urnenwahl oder Briefwahl teilnehmen wollen. Es ist beabsichtigt, die Landesverordnung im Juli oder August 2013 – zeitnah nach dem Inkrafttreten des Landeswahlgesetzes – zu erlassen. Zu 5.: In Rheinland-Pfalz sind derzeit rund 210 Personen vom Wahlrechtsausschlussgrund gemäß § 2 Nr. 3 KWG und § 3 Nr. 3 LWahlG betroffen. Informationen zu der Anzahl von Personen, die vom Wahlrechtsausschlussgrund gemäß § 2 Nr. 2 KWG und § 3 Nr. 2 LWahlG erfasst werden, liegen dem Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur nicht vor. Zu 6.: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Zu 7.: Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Alexander Schweitzer Staatsminister 3