Drucksache 16/2042 14. 02. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Anne Spiegel und Dr. Dr. Rahim Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Natürliche Geburten in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1328 vom 17. Januar 2013 hat folgenden Wortlaut: Die Zahl der spontanen Entbindungen geht in Deutschland kontinuierlich zurück. Im Jahr 2010 sind rund 32 Prozent der Kinder durch einen Kaiserschnitt zur Welt gekommen. Es steht außer Frage, dass ein Kaiserschnitt bei entsprechender medizinischer Indikation für Mutter und Kind(er) eine lebensrettende Operation sein kann. Es gibt sicher viele unterschiedliche Gründe dafür, dass die Kaiserschnittrate hierzulande in den letzten zwanzig Jahren bedeutend gestiegen ist – 1991 lag sie noch bei 15 Prozent. Aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die zunehmende Häufigkeit von Kaiserschnitten medizinisch und ethisch nicht gerechtfertigt. Gefährlich ist dies vor allem für Mutter und Kind, denn ein Kaiserschnitt ohne strenge medizinische Indikation ist mit höheren Risiken verbunden als eine natürliche Geburt und kann zu kurzund langfristigen physischen und/oder psychischen Folgen für Mutter und Kind führen. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele Geburten sind in den vergangenen fünf Jahren in Rheinland-Pfalz registriert worden? 2. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Kinder in der Klinik und wie viele in außerklinischen Institutionen geboren wurden (aufgeschlüsselt u. a. nach Geburtshäusern und Hausgeburten)? 3. Wie viele Kinder kamen in rheinland-pfälzischen Krankenhäusern durch einen Kaiserschnitt zur Welt und mit welcher Indikation? 4. Wie hoch ist der prozentuale Anteil der Kaiserschnitte an den Geburten insgesamt in Rheinland-Pfalz und in welcher Relation steht nach Kenntnis der Landesregierung dieser Anteil zum Bundesvergleich? 5. Wie bewertet die Landesregierung die Kaiserschnittrate? Ist sie der Auffassung, dass Handlungsbedarf besteht? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 13. Februar 2013 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Zahl der Entbindungen in rheinland-pfälzischen Krankenhäusern in den letzten fünf Jahren ergibt sich aus der nachstehenden Tabelle: Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 20. März 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Jahr Entbindungen in rheinland- Lebendgeborene pfälzischen Krankenhäusern 2011 30 056 30 513 2010 30 627 31 067 2009 30 089 30 445 2008 31 431 31 875 2007 31 208 31 689 Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz /Krankenhausstatistik. Drucksache 16/2042 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 2 Die Daten für das Jahr 2012 liegen noch nicht vor. Die Zahl der Neugeborenen ist größer als die Zahl der Entbindungen, weil Mehrlingsgeburten als eine Entbindung gezählt werden. Zu 2. : Angaben über die Zahl der Geburten in außerklinischen Institutionen liegen der Landesregierung nicht vor. Bekannt ist für die Jahre 2007 bis 2011 die Anzahl der geborenen Kinder, deren Mütter in Rheinland-Pfalz gemeldet sind: Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 Kinder 32 536 32 223 30 881 31 574 31 081 Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz/Statistik der Geburten. Zu 3.: Die Zahl der Entbindungen durch Kaiserschnitt in rheinland-pfälzischen Krankenhäusern in den Jahren 2007 bis 2011 stellt sich wie folgt dar: Jahr Entbindungen in darunter rheinland-pfälzischen Kaiserschnitte Krankenhäusern Anzahl 2011 30 056 10 748 2010 30 627 10 646 2009 30 089 9 812 2008 31 431 9 831 2007 31 208 9 346 Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz/Krankenhausstatistik. Die einzelnen Indikationen, die zu einer Entbindung durch Kaiserschnitt führten, sind der Landesregierung nicht bekannt. Zu 4.: Der prozentuale Anteil der Kaiserschnitte an den Entbindungen und die Relation zu den bundesweit durchgeführten Kaiserschnitten in den Jahren 2007 bis 2011 ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle: Jahr Kaiserschnitte Anzahl Anteil an Entbindungen 2011 Rheinland-Pfalz 10 748 35,8 % Deutschland 206 012 32,1 % 2010 Rheinland-Pfalz 10 646 34,8 % Deutschland 209 441 31,9 % 2009 Rheinland-Pfalz 9 812 32,6 % Deutschland 201 480 31,3 % 2008 Rheinland-Pfalz 9 831 31,3 % Deutschland 200 452 30,2 % 2007 Rheinland-Pfalz 9 346 29,9 % Deutschland 194 526 29,3 % Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz/Krankenhausstatistik. Die Zahl der Kaiserschnitte in Rheinland-Pfalz liegt über dem Bundesdurchschnitt. Der prozentuale Anteil ist schneller gestiegen als im Bundesvergleich. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2042 Zu 5.: Es gibt viele verschiedene Gründe für den Anstieg der Kaiserschnittrate. Für die Wahl der Geburtsmethode – Spontangeburt oder Kaiserschnitt – sind sowohl persönliche als auch medizinische Gründe zu nennen. Medizinische Gründe sind nach der Definition der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. auf absolute oder relative Indikationen zurückzuführen (Leitlinien, Empfehlungen, Stellungnahmen, August 2010). Bei einer absoluten Indikation liegen zwingende medizinische Gründe vor, zum Beispiel Querlage, absolutes Missverhältnis zwischen kindlichem Kopf und mütterlichem Becken, Fehllage der Plazenta oder Mehrlingsschwangerschaften. Bei Vorliegen dieser Indikationen ist ein Kaiserschnitt zur Rettung von Leben und Gesundheit von Mutter und Kind geboten. Der Anteil dieser Fälle an allen Kaiserschnitten liegt bei circa zehn Prozent. Zudem gibt es Kaiserschnitte, zu denen man sich vor der Geburt entschieden hat und Kaiserschnitte (sekundäre), zu denen man sich nach Einsetzen der Wehen oder des Blasensprungs entschieden hat. Der Anteil der Schwangerschaften mit reproduktionsmedizinischer Unterstützung liegt bei Kaiserschnittgeburten doppelt so hoch wie bei Spontangeburten. Der nach wie vor ansteigende Einsatz der Reproduktionsmedizin ist somit ebenfalls ursächlich für die ansteigende Kaiserschnittrate. 90 Prozent aller Kaiserschnittentbindungen beruhen auf einer relativen Indikation. Hier führt eine zuvor erfolgte Abwägung der geburtsmedizinischen Risiken für Mutter und Kind zum Kaiserschnitt, wie beispielsweise Beckenendlagen oder Mehrlingsschwangerschaften sowie ein vorangegangener Kaiserschnitt. Als weiterer Grund kann die Tendenz zur Risikovermeidung der Geburtshelfer (auch aus haftungsrechtlichen Gründen) genannt werden. Ebenso werden von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe Klinikorganisation und Personalbesetzung (Entbindung durch erfahrenes Personal in der Kernarbeitszeit) als Gründe für die Empfehlung für einen Kaiserschnitt genannt. Als persönlicher Grund wird oft die Geburt zum Wunschtermin vermutet. Wesentlicher ist eine gestiegene Sorge um die Sicherheit für das Kind, die Angst vor den Wehenschmerzen oder den körperlichen Folgen einer Spontangeburt. Grundsätzlich sollte bei einer Bewertung der Entwicklung die kindliche und mütterliche Morbidität und Mortalität im Vordergrund stehen. Sowohl bei Spontangeburten als auch bei Kaiserschnitten bestehen Risiken für Mutter und Kind. Nach neueren Erkenntnissen scheint sich das mütterliche Sterblichkeitsrisiko des geplanten Kaiserschnitts dem der vaginalen Entbindung anzunähern (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V., AG Medizinrecht; Leitlinien, Empfehlungen, Stellungnahmen August 2010). Vor der Entbindung sollte in jedem Fall eine ausführliche Beratung der Schwangeren über die verschiedenen Entbindungsmethoden , deren Abläufe und ihre Risiken erfolgen. Diese Information soll die Frauen dabei unterstützen, die für sie passende Entscheidung zu treffen. Insofern besteht hier ein wichtiger und dauernder Handlungsbedarf jeglicher Berufsgruppen, die schwangere Frauen beraten. Alexander Schweitzer Staatsminister 3