Drucksache 16/2052 19. 02. 2013 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 7. März 2013 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Gerd Schreiner (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Barrierefreies Studium Die Kleine Anfrage 1333 vom 23. Januar 2013 hat folgenden Wortlaut: Für Studierende mit Behinderung bedarf es besonderer Angebote. Insbesondere behindertengerecht ausgebaute Studentenwohnheime tragen dazu bei, dass auch ihnen ein Hochschulzugang ermöglicht wird. Das Konrad-Biesalski-Haus in Marburg beispielsweise bietet insgesamt 77 Wohnheimplätze für Studierende mit und ohne Behinderung. Das ganze Haus und die Mehrzahl der Zimmer sind rollstuhlgerecht eingerichtet. Studierende mit Behinderung nutzen den Rundum-Pflegedienst. Ein 40-köpfiges Team, zu dem Pflegekräfte, Zivis und auch studentische Aushilfen gehören, stellt ihren Tagesablauf sicher. Die behindertengerechten Einzelzimmer und Appartements sind mit ihren Sanitäreinrichtungen und in der Möblierung so gestaltet, dass viele Tätigkeiten ohne fremde Hilfe möglich sind. Der hauseigene Fahrdienst mit rollstuhlgerecht ausgestatteten Kleinbussen übernimmt die Fahrten zur Uni, zu den Mensen und zu Veranstaltungen innerhalb des Stadtgebiets. Aktuell haben 8 % der Studierenden in Deutschland eine Behinderung oder chronische Erkrankung. Der Universitätsstandort Marburg muss Vorbild in Hessen und Deutschland sein. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Soweit erfasst: Wie viele Studierende mit Behinderungen sind an den Hochschulen in Rheinland-Pfalz immatrikuliert? 2. Um welche Arten von Behinderungen handelt es sich überwiegend? 3. Wie und vor allem durch welche Maßnahmen fördert das Land Rheinland-Pfalz das Konzept des barrierefreien Studiums (Wohnheime, behindertengerechte Software, Integrationshilfe, universitäres Umfeld etc.)? 4. Welche Wohnheime sind in Rheinland-Pfalz barrierefrei ausgestaltet? Durch welche Zusatzeinrichtungen, -angebote und -maßnah- men zeichnen sich diese aus? Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 19. Februar 2013 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Landesregierung misst den Belangen von Studierenden mit Behinderungen große Bedeutung bei. Ziel ist es, ihnen gleichberechtigt mit anderen Studierenden den Zugang zu den Hochschulen und die Teilhabe an der Hochschulbildung zu garantieren. Diese Grundüberzeugung findet sich auch im Hochschulgesetz des Landes Rheinland-Pfalz wieder, mit dem die Landesregierung den rechtlichen Rahmen für das Handeln der Hochschulen und auch der Studierendenwerke setzt. Es macht deutlich, dass es sich um eine elementare Aufgabe der Hochschulen und Studierendenwerke handelt, sich um die besonderen Bedürfnisse Studierender mit Behinderungen zu kümmern und dafür Sorge zu tragen, dass sie gleichberechtigt am Studium teilhaben und die Angebote der Hochschule möglichst selbstständig und barrierefrei in Anspruch nehmen können. So legt das Hochschulgesetz neben anderem fest, dass die Prüfungsordnungen der Hochschulen bzw. Fachbereiche die besonderen Belange behinderter Studierender zur Wahrung der Chancengleichheit berücksichtigen müssen. In der Praxis wird dies regelmäßig in der Form umgesetzt, dass den Studierenden je nach Art und Grad der Behinderung längere Bearbeitungszeiten für Prüfungen eingeräumt oder andere Prüfungsformen ausgewählt werden, die von den Studierenden nach ihren Möglichkeiten am besten umgesetzt werden können. Drucksache 16/2052 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Position der Studierenden mit Behinderung wurde auch dadurch weiter gestärkt, dass im Gesetz die an die Hochschulsenate gerichtete Pflicht verankerte wurde, eine Beauftragte oder einen Beauftragten für die Belange Studierender mit Behinderung zu bestellen. Sie oder er unterstützt die Hochschule bei ihrer Aufgabe, Studierende mit Behinderungen gleichberechtigt am Studium teilhaben zu lassen und die Angebote der Hochschule möglichst selbstständig und barrierefrei im Sinne des § 2 Abs. 3 des Landesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen nutzen zu können. Auch die Verfassten Studierendenschaften (AStA), die an jeder Hochschule bestehen, fördern die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung behinderter und nicht behinderter Menschen und setzen sich für die Beseitigung bestehender Benachteiligungen ein. Das Hochschulgesetz formuliert hier in § 108 Abs. 4 Nr. 7 einen expliziten Auftrag. Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass im Rahmen der Aufgaben der Studierendenwerke, welche primär auf die Bedürfnisse Studierender ausgerichtet sind, in § 112 a Abs. 1 HochSchG die Beratung und Unterstützung von Studierenden mit Behinderungen ausdrücklich genannt wird. Darüber hinaus existieren auch an den rheinland-pfälzischen Studierendenwerken jeweils Beauftragte für Behindertenfragen. Zu den Fragen 1 und 2: Hierüber liegen der Landesregierung keine Angaben vor, da eine Behinderung von Studierenden statistisch nicht erfasst wird. Zu Frage 3: Das Konzept des barrierefreien Studiums wird einerseits von den Hochschulen selbst, andererseits von den Studierendenwerken gefördert. Hilfsangebote für Studierende mit Behinderungen sind im Aktionsplan der Landesregierung über die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen als Maßnahme benannt, ebenso wie die entsprechenden Informationen der Studierendenwerke. Bei anstehenden Neu- und Umbauten werden regelmäßig die Grundsätze des barrierefreien Bauens beachtet sowie gezielt gefördert und die bestehenden Liegenschaften schrittweise barrierefrei ausgebaut. Darüber hinaus stehen an jeder Hochschule verschiedene Ansprechpartner vor Ort beratend und unterstützend zur Seite. Über deren Angebote werden Betroffene und Interessierte sowohl auf den Internetseiten der jeweiligen Hochschule wie auch in entsprechenden Publikationen systematisch informiert. Die rheinland-pfälzischen Hochschulen betonen, dass bei Bedarf immer auch individuelle Lösungen erarbeitet werden, und benennen hierfür zahlreiche Beispiele: An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bietet ein zentraler Service für behinderte und chronisch kranke Studierende Beratung und Unterstützung in den verschiedenen relevanten Bereichen (sozialrechtliche Fragen; Organisation und Finanzierung von Unterstützungsleistungen für das Studium und den Alltag; Antragstellung für technische Hilfsmittel und persönliche Hilfe; Umgang mit Ämtern und Institutionen; Bewältigung persönlicher Probleme und Krisensituationen; psychosoziale Fragen; zusätzliche Vereinbarungen für ein barrierefreies Studium) und stellt Hilfsmittel für unterschiedliche Behinderungsarten zur Verfügung, z. B. einen Blindenarbeitsplatz mit Braillezeile und Sprachausgabe oder Scanner. Neben anderem stehen zudem für behinderte und chronisch kranke Studierende, die einen ruhigen Arbeitsplatz benötigen, derzeit zwei PC-Ausstattungen zur Verfügung. An der Universität Koblenz-Landau steht aktuell eine Assistenzkraft für eine Studierende mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen zur Verfügung, die Maßnahmen der Hochschule in diesem Bereich umfassen zudem beispielsweise die Organisation von Fahrdiensten zu Außenstellen. In einem gemeinsamen „Leitfaden für Studierende mit Behinderung/chronischer Erkrankung“ der Universität Koblenz-Landau und Fachhochschule Koblenz können sich Interessierte über die zur Verfügung stehenden Unterstützungsleistungen informieren. Die TU Kaiserslautern hat mitgeteilt, dass sie plant, ihre Hörsäle für hörgeschädigte Studierende umzurüsten, sodass diese die verbal vorgetragenen Lehranteile von Dozenten verstehen und sich somit aktiv an den Vorlesungen beteiligen können. An der FH Bingen wurde für einen Schwerhörigen eine spezielle transportable Verstärkeranlage beschafft, die vom jeweiligen Dozenten genutzt werden kann und das Hörgerät des Betroffenen anspricht. An der FH Koblenz erhält zum Beispiel aktuell ein blinder Studierender Unterstützung durch behindertengerechte Software und Braillezeile für schriftliche Prüfungen sowie eine studentische Assistenz beispielsweise für Mitschriften, Anmeldungen oder Amtsgänge. Die Studierendenwerke halten bei der Errichtung von Wohnheimen regelmäßig auch behindertengerechte Wohneinheiten vor. Hierzu zählen z. B. rollstuhlgerechte Sanitäreinrichtungen sowie besondere Signaleinrichtungen für Hörgeschädigte. Weiterhin werden psychosoziale Beratungen angeboten, die aus den jeweiligen Sozialbeiträgen finanziert werden. Zudem wird punktuell eine Schwerstbehindertenbetreuung im Rahmen des freiwilligen sozialen Jahres und des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) sichergestellt. Bei den jeweils örtlichen Mensen wird der behindertengerechte Zugang durch den Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB) sichergestellt. Zu Frage 4: Barrierefreie Wohnheime sind solche, in denen auch behindertengerechte Appartements vorgehalten werden. Insoweit sind die Wohnheime in Koblenz, Remagen, Landau, Worms, Kaiserslautern und Pirmasens als solche zu bezeichnen. Für Mainz trifft dies auf sechs von zehn Wohnheimen zu, in Trier auf drei von fünf. Hinsichtlich der erfragten Zusatzeinrichtungen, -angebote und - maßnahmen verweise ich auf die Ausführungen zu Frage 3. In Vertretung: Vera Reiß Staatssekretärin