Drucksache 16/2096 05. 03. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dorothea Schäfer (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Situation der Hochschulabsolventen in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1356 vom 6. Februar 2013 hat folgenden Wortlaut: Nach Mitteilung der Hans-Böckler-Stiftung (impuls 1/2013) findet jeder dritte Hochschulabsolvent als ersten Job nur eine befristete Stelle und muss beim Berufseinstieg Lohnabschläge akzeptieren. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Situation in Rheinland-Pfalz (ggf. nach Informationen aus Alumni-Befragung)? 2. In welchen Branchen sind solche befristeten Arbeitsverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Hochschulabsolventen nach Kenntnis der Landesregierung die Regel? 3. Welche Arbeitsbranchen sind davon überhaupt nicht oder selten betroffen? 4. Wie stellt sich die Situation an den Hochschulen und anderen Wissenseinrichtungen dar? 5. Gibt es bestimmte Studiengänge oder Fächerkombinationen, die nach dem Berufseinstieg überdurchschnittlich häufig von befristeten Beschäftigungsverhältnissen oder Teilzeitbeschäftigungen betroffen sind? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 5. März 2013 wie folgt beantwortet: Der Artikel „Im ersten Job häufig ohne Sicherheit“ in „Böckler Impuls“, Ausgabe 1/2013, beruht nach dortiger Aussage auf einer Auswertung der Daten von 4 300 Befragten; das sei nicht repräsentativ, liefere aber verlässliche „Orientierungsgrößen“. Im ersten Jahr des Berufseinstiegs seien 34 % befristet beschäftigt, nach drei Jahren 25 %. Die Zahlen streuen sehr stark über die Branchen: Am unteren Ende liegt der Fahrzeugbau mit 6 % befristeten Berufseinsteigern, am oberen Ende liegen Parteien und Verbände mit 52 %, Öffentliche Verwaltung, Sozialversicherung (54 %), Krankenhäuser (60 %), Erwachsenenbildung (72 %) und an der Spitze Hochschulen (81 %). Allerdings kann ebenfalls festgestellt werden: Zwei Drittel der akademischen Berufseinsteiger haben im 1. Jahr unbefristete Stellen, nach drei Jahren sind es dann sogar schon drei Viertel. Zu 1.: Eine der Hans-Böckler-Stiftung vergleichbare Auswertung für das Land Rheinland-Pfalz liegt nicht vor. Hinweise bieten die Ergebnisse der Absolventenstudie Rheinland-Pfalz, die als landesweite Absolventenbefragung für die Abschlussjahrgänge 2005 und 2006, sowie für Bachelor- und Masterabsolventinnen und -absolventen im Abschlusszeitraum Sommersemester 2007 bis Sommersemester 2008 vom Hochschulevaluierungsverbund Südwest veröffentlicht wurden. Nach der Absolventenstudie von 2005 waren im Jahr 2007 73 % der Studiumsabsolventinnen und -absolventen erwerbstätig, wovon sich 58 % in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befanden, knapp ein Drittel arbeitete 2007 in einem befristeten Arbeitsverhältnis und 6 % waren selbstständig oder freiberuflich tätig. Im Jahr 2008 waren 85 % der Absolventinnen und Absolventen des Abschlussjahrgangs 2006 erwerbstätig, davon 60 % in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis, 29 % arbeiteten in einem befristeten Arbeitsverhältnis und 7 % waren selbstständig oder frei beruflich tätig. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 22. März 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/2096 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Von den Bachelor- und Masterabsolventinnen und -absolventen im Abschlusszeitraum Sommersemester 2007 bis Sommersemester 2008 waren eineinhalb bis zwei Jahre später 82 % erwerbstätig, wobei sich 74 % in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis befanden. Keiner der drei genannten Studien sind Vergleiche in Bezug auf die Einkommenshöhe und sich ergebender Unterschiede zwischen unbefristeter und befristeter Beschäftigung zu entnehmen. Zudem ergab eine Sonderauswertung des Mikrozensus nach Angaben des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz, dass im Jahr 2011 rund 24 % der 25- bis 35-jährigen erwerbstätigen Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer mit Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluss in einem befristeten Arbeitsverhältnis standen. Die Ergebnisse der Befragung für Rheinland-Pfalz bzw. aus dem Mikrozensus sind von der Tendenz mit denen der Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung zu vergleichen. Aus Sicht der Landesregierung ist vor diesem Hintergrund grundsätzlich positiv festzustellen, dass in Rheinland-Pfalz knapp zwei Drittel der Hochschulabsolventinnen und -absolventen in einem Zeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren nach ihrem Abschluss eine unbefristete Beschäftigung haben. Der nicht unbeachtliche Anteil von befristeten Beschäftigungsverhältnissen ist demgegenüber kritisch zu betrachten. Die allgemeine und nicht nur auf den Bereich der Hochschulabsolventen zu konstatierende Entwicklung hin zu mehr befristeter Beschäftigung in Deutschland sieht die Landesregierung mit Sorge. Denn die damit einhergehende Unsicherheit hat nicht unerhebliche Auswirkungen auf die betroffenen Menschen, z. B. mit Blick auf die finanzielle Absicherung oder mögliche Familienplanung. Dies ist auch ein Grund dafür, dass sich die Landesregierung schon seit längerem für die Absicherung atypischer und die Eindämmung prekärer Beschäftigung stark macht. Der Wunsch der Unternehmen an der Erhöhung ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch Flexibilisierung darf nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen werden. Flexibilisierungsinstrumente sind für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wichtig, allerdings ist ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitsvertragsparteien unerlässlich. Atypische Beschäftigungsformen haben ihre Berechtigung, jedoch sind sie auf ihre ursprüngliche Funktion zurückführen. Daher hat sich das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie unter anderem für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung eingesetzt. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz steht für sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze. In diesem Zusammenhang gilt es auch, der Arbeitgeberseite die betriebswirtschaftlichen Vorteile von „Guter Arbeit“ zu vermitteln und sich gemeinsam zum Wohle unserer Gesellschaft hierfür einzusetzen. Zu 2. und 3.: Der Landesregierung liegen keine Kenntnisse darüber vor, in welchen Branchen in Rheinland-Pfalz befristete Arbeitsverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Hochschulabsolventinnen und -absolventen die Regel sind. Die genannten Studien enthalten dazu keine Angaben und auch die Nachfrage nach entsprechenden Auswertungen bei der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit und dem Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz blieb ohne Ergebnis. Zu 4.: Laut Amtlicher Hochschulstatistik waren 2011 64,7 % des hauptberuflichen wissenschaftlichen und des künstlerischen Personals (71,5 % an Universitäten und 40,1 % an Fachhochschulen) befristet beschäftigt. Diese Zahlen sind mit denen des o. a. Artikels jedoch nicht vergleichbar, da die amtliche Statistik keine Differenzierung nach der Dauer der Berufserfahrung zulässt. Der bundesweit festzustellende hohe Anteil des befristet beschäftigten wissenschaftlichen und künstlerischen Personals rührt von mehreren Faktoren her: – An den Universitäten findet in großem Umfang die Qualifizierung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses statt (Promotionen, Habilitationen, Juniorprofessuren). Soweit dies in Beschäftigungsverhältnissen geschieht, sind diese aus system - immanenten Gründen befristet. – Ein weiterer Bereich ist die Drittmittelforschung insbesondere an Universitäten. Der Bund stellt mit seinen Forschungsprogrammen und mit den zwischen Bund und Ländern vereinbarten Programmen, z. B. der Exzellenzinitiative, – aus verfassungsrechtlichen Gründen – zeitlich befristet erhebliche Mittel zur Verfügung. Ähnliches gilt für Forschungsförderorganisationen, wie z. B. die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Bei der Durchführung dieser befristeten Projekte müssen die Hochschulen daher auf befristetes Personal zurückgreifen. – Ähnliches gilt für Universitäten und Fachhochschulen gleichermaßen bei Programmen außerhalb der Grundlagenforschung, wie z. B. bei dem Bund-Länder-Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre. Auch der von Bund und Ländern vereinbarte Hochschulpakt 2020 bringt erhebliche finanzielle Ressourcen seitens des Bundes, dies jedoch nur auf Zeit. Ein nennenswerter Rückgang des Anteils der befristeten Beschäftigungsverhältnisse beim hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal an Hochschulen kann erst dann erreicht werden, wenn dauerhaft Bund-Länder-Programme verstetigt werden. Dies kann durch höhere Steueranteile für die Länder oder durch eine entsprechende Föderalismusreform bei der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern geschehen, indem zum Beispiel eine Entfristung des Hochschulpaktes ermöglicht wird. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2096 Zu 5.: Aussagen zu Studiengängen oder Fächerkombinationen, die nach dem Berufseinstieg überdurchschnittlich häufig von Befristungen betroffen sind, sind aufgrund fehlender Datenbasis nicht möglich. Im Jahr 2007 gingen in Rheinland-Pfalz 82 % der Studiumsabsolventinnen und -absolventen einer Vollzeitbeschäftigung nach. Im darauffolgenden Jahr waren es 81 %. Konkrete Angaben zum Anteil der Teilzeitbeschäftigten sind in den in der Antwort zu Frage 1 genannten Studien nicht enthalten, ebenso wenig wie zu der Verteilung nach Branchen. Von den rheinland-pfälzischen Bachelor- und Masterabsolventinnen und -absolventen im Abschlusszeitraum Sommersemester 2007 bis Sommersemester 2008 waren entsprechend der in der Antwort zu Frage 1 genannten Studie etwa neun Prozent beider Gruppen in Teilzeit mit mehr als 19 Wochenstunden beschäftigt. Weniger als 19 Wochenstunden beschäftigt sind 8 % der Bachelor- und unter 2 % der Masterabsolventinnen und -absolventen. Angaben zur Verteilung nach Branchen liegen nicht vor. Alexander Schweitzer Staatsminister 3