Drucksache 16/2104 06. 03. 2013 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dr. Fred Konrad, Andreas Hartenfels und Dietmar Johnen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Klärschlammtrocknung und Verbrennung Die Kleine Anfrage 1360 vom 7. Februar 2013 hat folgenden Wortlaut: Nach Presseberichten ist geplant, neben der Müllverbrennungsanlage Pirmasens eine Klärschlammtrocknungsanlage zu errichten, die mit Wärme aus der Verbrennungsanlage betrieben wird. In der Anlage soll Schlamm aus Kläranlagen im Umkreis von bis zu 80 km verarbeitet werden. Der getrocknete Klärschlamm soll als Granulat der Müllverbrennung zugeführt werden. Es werden auch dezentrale Verfahren zur energetischen Nutzung von Klärschlamm in Form von Trocknung, Pelletierung, Vergasung und anschließender energetischer Nutzung des Pyrolysegases beschrieben. Hierzu bitten wir die Landesregierung um die Beantwortung folgender Fragen: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit, Klärschlamm energetisch zu verwerten? 2. Wie ist die Energiebilanz, wenn dem Wärmeertrag der Verbrennung der Energieeinsatz für Transport und Trocknung gegen- übergestellt werden? 3. Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hintergrund dieser Energiebilanz und unter umfassenden Umweltgesichtspunkten (Bodenschutz, natürlicher Dünger versus Mineraldünger, Schadstoffe, Transportwege usw.) die energetische Verwertung im Vergleich zum Einsatz von Klärschlamm als Düngemittel? 4. Wie sind die Geruchs- und Schadstoffemissionen der in Pirmasens geplanten Trocknungsanlage zu beurteilen? 5. Wie beurteilt die Landesregierung dezentrale Verfahren im Vergleich zu der zentralen Nutzung in der Müllverbrennung? 6. In welcher Weise sind mikrobiologische Belastungen der entweichenden Trocknungsdämpfe z. B. in Form von Bakterien oder Pilzsporen bei den verschiedenen Verfahren zu erwarten? 7. Können solche mikrobiologischen Belastungen zur Gefährdung z. B. von Anwohnerinnen und Anwohnern mit eingeschränk- ter Immunabwehr führen? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 6. März 2013 wie folgt beantwortet: Klärschlämme aus kommunalen Kläranlagen enthalten viele wertvolle Pflanzennährstoffe, insbesondere Stickstoff und Phosphat sowie organische Substanz. Sie enthalten allerdings auch Schadstoffe, die im Verlauf der Abwasserreinigung dem Wasser entzogen werden und sich im Klärschlamm anreichern. Deshalb ist der Einsatz von Klärschlamm als Düngemittel in der Landwirtschaft nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Klärschlämme, die aufgrund ihrer Schadstoffbelastung für eine landwirtschaftliche Verwertung ungeeignet sind, sollen einer geeigneten Verbrennungsanlage zugeführt werden. Das rheinland-pfälzische Klärschlammaufkommen 2011 lag bei über 90 000 Tonnen Trockensubstanz, von denen rund 30 000 Tonnen thermisch behandelt und ca. 60 000 Tonnen landwirtschaftlich verwertet wurden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die energetische Verwertung von Klärschlamm ist eine geeignete Möglichkeit, das Schadstoffpotenzial zu beseitigen und den Energiegehalt nach vorheriger Konditionierung zu nutzen. Klärschlammnutzungskonzepte sind energetisch dann vorteilhaft, wenn Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 20. März 2013 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/2104 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode sie zu einer Einsparung von fossiler Primärenergie führen. Unter Ressourcenschutzaspekten ist eine Phosphorrückgewinnung anzustreben, da die natürlichen Vorkommen begrenzt sind und das Phosphatrecycling für die Versorgungssicherheit zunehmend an Bedeutung gewinnt. Zu Frage 2: Die Energiebilanz einer Klärschlammverwertung kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung konkreter Projektdaten ermittelt werden. Nach Angaben der zuständigen Genehmigungsbehörde liegt ein Genehmigungsantrag, aus dem Einzelheiten über das geplante Vorhaben ersichtlich sind, bisher nicht vor. Zu Frage 3: Klärschlamm ist in seiner Zusammensetzung sehr inhomogen und stellt eine Schadstoffsenke für unerwünschte Abwasserinhaltsstoffe dar. Neben einer Reihe von organischen, hormonell wirksamen Verbindungen und diversen Krankheitserregern finden sich dort auch Schwermetalle und Rückstände von Arzneimitteln, die bei einer direkten landwirtschaftlichen Verwertung in den natürlichen Kreislauf gelangen können. Der Einsatz von Klärschlamm als Düngemittel in der Landwirtschaft ist im Dünge- und im Abfallrecht des Bundes, insbesondere in der Klärschlammverordnung, geregelt und unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig. Unter Vorsorgeaspekten wird jedoch der verstärkte Einsatz von thermischen Klärschlammbehandlungsverfahren befürwortet . Klärschlamm stellt eine Phosphor- und Nährstoffquelle zur Düngung dar und enthält einen hohen Anteil an humusbildender Organik. Im Fall eines Verzichts auf die bodenbezogene Klärschlammverwertung sind geeignete Maßnahmen zur Rückgewinnung des im Klärschlamm enthaltenen Phosphors und ggf. anderer Nährstoffe zu ergreifen. Neben der direkten Nährstoffrückgewinnung aus dem Abwasser oder dem Klärschlamm kommen insbesondere thermische Verfahren in Frage, bei denen eine Nutzung der Verbrennungsasche zu Düngezwecken möglich ist. Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen bieten solche Möglichkeiten. Steht Klärschlamm als Humusbildner nicht mehr zur Verfügung, sind geeignete Ersatzmaßnahmen zu ergreifen, die der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft entsprechen. Humusbewirtschaftung über Fruchtfolgengestaltung und der Ausbau der Bioabfallsammlung und -verwertung können dazu beitragen, entstehende Lücken zu schließen. Die energetische Verwertung von Klärschlamm kann durch Mitverbrennung in Müllheizkraftwerken, Kohlekraftwerken und Zementwerken oder in Monoverbrennungs- und zum Beispiel in Klärschlammvergasungsanlagen erfolgen. Bei der Mitverbrennung können fossile Brennstoffe eingespart werden. Phosphor ist hierbei allerdings so stark in den Verbrennungsrückständen verteilt, dass er nicht mehr zur Verfügung steht. Deshalb sollte die Monoverbrennung mit einer nachgeschalteten Phosphorrückgewinnung der Mitverbrennung vorgezogen werden. Falls dies aus wirtschaftlichen oder logistischen Gründen nicht möglich ist, kommen Verfahren in Betracht, die eine Phosphorrückgewinnung nicht aus der Klärschlammasche, sondern direkt aus dem Abwasser oder Klärschlamm ermöglichen. Der hierbei entstehende phosphorarme Klärschlamm kann anschließend in Mitverbrennungsanlagen verwertet werden. Zu den Fragen 4, 6 und 7: Nach Angaben der zuständigen Genehmigungsbehörde liegt für das geplante Vorhaben in Pirmasens noch kein Genehmigungsantrag vor. Daher können keine anlagenbezogenen Aussagen zu den Geruchs- und Schadstoffemissionen getroffen werden. Anlagen zum Trocknen von Abfällen sind genehmigungsbedürftige Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Die Frage der Umweltverträglichkeit wird im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens geprüft. Die Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen ergeben sich aus der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) sowie der Geruchs-Immissionsrichtlinie (GIRL). Diese sehen Immissionswerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit sowie zum Schutz vor erheblichen Belästigungen vor, die nicht überschritten werden dürfen. Darüber hinaus enthält die TA Luft Vorsorgeanforderungen gegen schädliche Umwelteinwirkungen. Neben der Einhaltung von Mindestabständen zur nächsten Wohnbebauung sind bauliche und betriebliche Maßnahmen zur Vermeidung und Verminderung der Emissionen vorgeschrieben, z. B. die geschlossene Errichtung der Räume mit Schleusen und Unterdruck und die Vorhaltung von Abgasreinigungseinrichtungen. Darüber hinaus sind die Emissionen für die Luftschadstoffe Gesamtstaub, Ammoniak, gasförmige anorganische Chlorverbindungen und organische Stoffe sowie für geruchsintensive Stoffe zu begrenzen. Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben zur Vermeidung und Verminderung insbesondere der staub- und gasförmigen organischen Luftschadstoffe, die Hauptträger für Bioaerosole sind, ist eine Beeinträchtigung der Umgebung durch Bioaerosole als gering einzuschätzen. Das geplante Vorhaben ist nur dann genehmigungsfähig, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass eine Gesundheitsgefährdung der Anwohner zu besorgen ist. Zu Frage 5: Dezentrale Behandlungsanlagen wirken sich vorteilhaft auf Transportentfernungen aus. Örtliche Rahmenbedingungen können auch dazu führen, dass eine zentrale Lösung, etwa die Mitverbrennung in einem Müllheizkraftwerk, die vorzugswürdigere Variante darstellt. Die Rückgewinnung von Phosphor vor oder nach der thermischen Behandlung ist aus Gründen des Ressourcenschutzes und der Sicherstellung der langfristigen Verfügbarkeit jedoch anzustreben. Eveline Lemke Staatsministerin