Drucksache 16/2143 18. 03. 2013 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Nils Wiechmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t der Vertretung des Landes beim Bund und bei der Europäischen Union Ergebnisse des Europäischen Rates zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU Die Kleine Anfrage 1428 vom 8. März 2013 hat folgenden Wortlaut: Auf dem Europäischen Rat vom 7./8. Februar 2013 einigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs darauf, den EU-Haushaltsrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 um 3,4 % (34 Milliarden Euro) zu kürzen. Gespart wird vor allem bei Investitionen in Infrastruktur , Breitband, Forschung und Digitalisierung. Die Vorsitzenden der vier größten Fraktionen des Europäischen Parlaments (EVP, S&D, ALDE und Grüne/EFA) haben am 8. Februar 2013 in einer gemeinsamen Erklärung verdeutlicht, dass sie diesen Ergebnissen nicht zustimmen werden, da sie ein strukturelles Defizit zur Folge hätten. Diese Einigung schwäche die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und liege damit nicht im Interesse Europas. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Auswirkungen hätten die Beschlüsse des Europäischen Rates vom 7./8. Februar 2013 zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU in den Jahren 2014 bis 2020 auf Rheinland-Pfalz und insbesondere auf die Förderung durch europäische Strukturfonds? 2. Teilt die Landesregierung die Auffassung der vier größten Fraktionen des Europäischen Parlaments, dass der vom Europäischen Rat vorgelegte Entwurf eines Mehrjährigen Finanzrahmens die Europäische Union nicht mit ausreichenden Mitteln für ihre Auf - gaben ausstattet? 3. Welche Initiativen plant die Landesregierung, um ihre Position gegenüber der Bundes regie rung und der Europäischen Kommission zu stärken? 4. Wie sehen der weitere Zeitplan und das weitere Verfahren aus? Die Vertretung des Landes beim Bund und bei der Europäischen Union hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 15. März 2013 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Gipfelbeschlüsse sind wegen der ausstehenden Zustimmung des EP noch vorläufig. Deshalb können konkrete Auswirkungen für das Land derzeit nicht im Detail ermittelt werden. Aus überschlägigen Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums ergibt sich, dass die weiter entwickelten Regionen in Deutschland , zu denen auch Rheinland-Pfalz gehört, im Bereich der Strukturfonds im Vergleich mit der aktuellen Förderperiode mit einem Rückgang von etwa 25 Prozent rechnen müssen. Das Ziel Europäische Territoriale Zusammenarbeit (ETZ) wird in Deutschland wie bisher mit rund 0,9 Mrd. Euro ausgestattet, sodass sich keine bedeutenden Änderungen ergeben dürften. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. April 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/2143 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Im Bereich der Agrarpolitik ergäben sich nach noch unverbindlichen Berechnungen des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten für Rheinland-Pfalz im Vergleich zur Förderperiode 2007 bis 2013 folgende Kürzungen: – In der 1. Säule ist bei den Direktzahlungen insgesamt mit einem Minus von etwa 17 Prozent zu rechnen. Dies würde für Rheinland -Pfalz im Vergleich zur Periode 2007 bis 2013 eine Verringerung von rd. 30 Mio. Euro jährlich bedeuten, falls es nicht zu der u. a. von Rheinland-Pfalz angestrebten bundeseinheitlichen Direktzahlung pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche kommt. – In der 2. Säule käme es voraussichtlich zu einem Verlust von rd. 20 % der Mittel des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER). Absolut würde Rheinland-Pfalz dann für die gesamte Förderperiode insgesamt rd. 55 Mio. Euro ELER-Mittel weniger zur Verfügung haben, d. h. statt 275 Mio. Euro dann nur noch etwa 220 Mio. Euro. Bezogen auf das Jahr wären dies jährlich rd. 8 Mio. Euro ELER-Mittel weniger. Genauere Angaben werden erst möglich sein, wenn verlässliche Angaben der Kommission über die genaue Zuordnung der Mittel zu den verschiedenen Rubriken vorliegen, das Europäische Parlament seine Zustimmung erklärt hat und zudem bei den Strukturfonds die innerstaatliche Verteilung der Mittel geklärt ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verpflichtung auf Art. 117 Abs. 1 der Landesverfassung eine Verringerung der Budgets für Fördermaßnahmen durch die EU nicht einfach durch originäre Landesmittel aufgefangen werden kann. Sinnvolle Programme müssten gegebenenfalls – eventuell auf niedrigerem Niveau – weiterhin gefördert werden, eventuell auch durch entsprechende Umschichtungen. Zugleich wird es – auch aufgrund der Vorgabe der Kommission zur verstärkten Konzentration der Mittel auf wenige vorrangige Prioritäten – in einigen Handlungsbereichen zu einer Verringerung bisher bestehender Fördermöglichkeiten für viele Maßnahmen kommen. Zu Frage 2: Die Vorsitzenden der vier größten Fraktionen im Europäischen Parlament haben am 11. Februar 2013 in einer gemeinsamen Erklärung zum Europäischen Gipfel erklärt, dass das Europäische Parlament die erfolgte Einigung des Europäischen Rates nicht akzeptieren könne. Priorität des Europäischen Parlaments sei es, Wachstum und Investitionen in der EU zu fördern, und dadurch dazu beizutragen, dass die EU die Krise dauerhaft hinter sich lassen kann. Die im Europäischen Rat gefundene Einigung werde die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft nicht stärken, sondern schwächen. Sie liege damit nicht im Interesse der europäischen Bürger – so die Fraktionsvorsitzenden. Dieser Linie folgend hat das Europäische Parlament am 13. März 2013 den Kompromiss der Staats- und Regierungschefs für die EU-Finanzplanung bis zum Jahr 2020 abgelehnt. Die Abgeordneten verlangten neue Verhandlungen und Zugeständnisse der Regierungen in umstrittenen Punkten. Auch die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Europäische Union bei wachsender Aufgabenübertragung finanziell handlungsfähig bleiben und mit angemessenen Mitteln ausgestattet sein muss. Sie stimmt mit der großen Mehrheit im Europäischen Parlament überein, dass die vom Europäischen Rat gefassten Beschlüsse der Bedeutung des Unionshaushalts als Ausdruck und Instrument der fortgeschrittenen europäischen Integration und der europäischen Solidarität nicht voll gerecht werden. Allerdings muss auch die Europäische Union vor dem Hintergrund der nationalen Konsolidierungsanstrengungen einen Beitrag zur Entlastung der Haushalte der Mitgliedstaaten leisten. Aufgrund der vorgesehenen geringen Mittelausstattung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds würden Einschnitte für die Fördermöglichkeiten der EU-Staaten sowie ihrer Länder und Regionen erfolgen. Diese Fonds leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung wirtschaftlicher, sozialer, territorialer und ökologischer Ungleichgewichte in der EU und zur Umsetzung der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum und Beschäftigung. Bedauert wird auch die Absenkung der Mittel für Forschung, Bildung und Infrastruktur im Vergleich zum Vorschlag der Kommission vom 30. Juni 2011. Anstatt den EU-Haushaltsrahmen konsequent an den aktuellen Herausforderungen der EU zu orientieren und diese Bereiche zu stärken , wurde gerade hier deutlich gekürzt. Deshalb wird eine verbesserte Ausrichtung der Mittelausstattung an den Bedürfnissen und Notwendigkeiten in den weiteren Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament und Rat befürwortet. Zu Frage 3: Die Landesregierung hat bisher bereits im Bundesrat, in der Ministerpräsidentenkonferenz und in der Europaministerkonferenz Beschlüsse der Länder zum Mehrjährigen Finanzrahmen unterstützt. In diesen Beschlüssen wurden abgestimmte gemeinsame Positionen der Länder entwickelt, die der Bundesregierung und der Kommission übermittelt wurden. Auf dieser Grundlage wird die Landesregierung auch weiterhin ihre Interessen vertreten. Darüber hinaus hat die Landesregierung die notwendige Diskussion in Brüssel am Beispiel der für das Land wichtigen Programme geführt und wird dies weiter tun. Hierfür wurde u. a. die Plattform des Ausschusses der Regionen genutzt. Der Bundesrat berät zurzeit eine kritische Stellungnahme zu den Beschlüssen des Europäischen Rates und seine Konsequenzen für die Länder, die Rheinland-Pfalz unterstützt. Darin werden die Prioritäten aus Sicht der Länder benannt und mit Blick auf die Ver- 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2143 handlungen zwischen Ratspräsidentschaft und Europäischem Parlament zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 konkretisiert . Zu Frage 4: Für die Beschlussfassung über den Mehrjährigen Finanzrahmen gibt der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Artikel 212 AEUV) keine Fristen vor. Zur technischen Umsetzung der Vereinbarungen des Europäischen Rates sind mehrere Rechtsakte erforderlich: – eine Verordnung zur Festlegung des Mehrjährigen Finanzrahmens, hierzu gilt ein besonderes Gesetzgebungsverfahren, bei dem der Rat einstimmig nach Zustimmung des Europäischen Parlaments beschließt; – ein Eigenmittelbeschluss, der insbesondere die Eigenmittelkategorien des EU-Haushalts und die Eigenmittelobergrenze festlegt, hierbei muss das Europäische Parlament lediglich angehört werden; – eine interinstitutionelle Vereinbarung über die Zusammenarbeit der EU-Institutionen im Haushaltsbereich, der die am Haushaltsverfahren beteiligten Institutionen zustimmen müssen; – rund 70 Legislativakte, die die Umsetzung der einzelnen Politiken, z. B. im Bereich der Kohäsionspolitik und der Agrarpolitik, während des nächsten Finanzrahmens im Detail regeln. Diese Legislativakte werden im Mitentscheidungsverfahren verabschiedet , bei dem Rat und Europäisches Parlament gleichberechtigt zusammenwirken. Die Kommission wird in den nächsten Wochen einen Verordnungsvorschlag vorlegen, der die politische Einigung des Gipfels zum Mehrjährigen Finanzrahmen umsetzt. Sie hat in diesem Zusammenhang auch angekündigt, kurzfristig einen „Break-down“ vorzulegen , der die Finanzausstattung der einzelnen Haushaltsrubriken im Detail darlegt. Erst dann wird man – vorbehaltlich der notwendigen Zustimmung des EP – verlässliche Aussagen über die den Mitgliedstaaten – in Deutschland auch den Ländern – zur Verfügung stehenden Mittel treffen können. Für den Fortgang des Verfahrens ist es von wesentlicher Bedeutung, dass das Europäische Parlament zur Verordnung zum Mehrjährigen Finanzrahmen dieser Verordnung seine Zustimmung geben muss. Aufgrund seines Vetorechts, von dem es am 13. März Gebrauch machte, hat das Europäische Parlament im Verfahren eine starke Stellung. Die Abgeordneten kritisieren insbesondere die große Diskrepanz zwischen Verpflichtungs- und Zahlungsermächtigungen sowie die Kürzung der Mittelausstattung, vor allem auch für die Zukunftsaufgaben der EU. Das EP setzt sich außerdem für eine größere Flexibilität des Mehrjährigen Finanzrahmens zwischen den Rubriken und Haushaltsjahren ein, für die Einführung einer Klausel, die in einigen Jahren eine Überprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens gewährleistet, sowie neue „echte“ Eigenmittel. Die Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten und dem EP könnten sich sehr schwierig gestalten und einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, da es keine Fristen gibt, die einzuhalten wären. Sollte eine Einigung nicht gelingen, so würden die Obergrenzen und die sonstigen Bestimmungen des letzten Jahres des vorangegangenen Finanzrahmens bis zum Erlass des Rechtsaktes über den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen fortgeschrieben (Art. 312, Ziffer 4 AEUV). Eine derartige Regelung hat jedoch den Nachteil, dass sie höchst unflexibel ist und auf neue Entwicklungen – etwa auf den für den 1. Juli 2013 vorgesehenen Beitritt Kroatiens – nicht reagieren kann. Margit Conrad Staatsministerin 3