Drucksache 16/2281 26. 04. 2013 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 21. Mai 2013 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Arnold Schmitt (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Artenschutz in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 1485 vom 3. April 2013 hat folgenden Wortlaut: Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern der Uni Trier kommt zu dem Schluss, dass die europäischen Richtlinien für den Artenschutz die falschen Tierarten schützen. Die Listen der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH) seien veraltet und schützten so wichtige vom Aussterben bedrohte Arten nicht, während sie Arten ohne Risiko schützten. Die Forscher gehen davon aus, dass die Rote Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN besser geeignet sei, Arten vor dem Aussterben zu bewahren. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Arten werden durch die FFH-Richtlinie geschützt, wie viele sind auf der Roten Liste, wie viele sind in beiden, nur in der einen, nur in der anderen erhalten? 2. Wie steht die Landesregierung zu der Aussage, dass die FFH-Richtlinie die falschen Arten schütze? 3. Wie ist der Umsetzung der FFH-Richtlinie in den letzten 20 Jahren in Rheinland-Pfalz vorangetrieben worden, wie ist der Stand? 4. Wie viele Projekte wie beispielsweise die Umsiedlung von Arten für Bauprojekte sind auf Grundlage der FFH-Richtlinie in den letzten fünf Jahren durchgeführt worden? 5. Wie viele Projekte davon hätten auf Grundlage der Roten Liste auch oder nicht durchgeführt werden müssen? 6. Wie hoch sind die Kosten, die durch die Umsetzung der FFH-Richtlinie in den letzten fünf Jahren entstanden sind inklusive der Einzelmaßnahmen wie beispielsweise der Umsiedlung von Arten für Bauprojekte? 7. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Kosten in den letzten fünf Jahren, die aufgewendet wurden für Projekte, die auf Grund- lage der Roten Liste nicht hätten durchgeführt werden müssen? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 25. April 2013 wie folgt beantwortet: Im Jahre 1992 wurde in Rio das Übereinkommen über die biologische Vielfalt von mehr als 150 Staaten, darunter Deutschland, und der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet. Die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) dient der Umsetzung dieser völkerrechtlichen Verpflichtungen in Europa. Die FFH-Richtlinie hat zum Ziel, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse und der Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten zu bewahren oder wiederherzustellen. Sie ist zentraler Bestandteil der am 3. Mai 2011 veröffentlichten EU-Biodiversitätsstrategie 2020. Zu Frage 1: Europaweit sind 231 Lebensraumtypen und mehr als 1 000 Tier- und Pflanzenarten in den Anhängen I, II, IV und V der FFH-Richtlinie aufgelistet. In Deutschland sind 91 Lebensraumtypen nach Anhang I, 139 Arten nach Anhang II, 134 Arten nach Anhang IV sowie 110 Arten nach Anhang V vorhanden. In Rheinland-Pfalz kommen 48 Lebensraumtypen nach Anhang I sowie 55 der in Anhang II und 71 der in Anhang IV gelisteten Arten der FFH-Richtlinie vor. Einige Arten sind gleichzeitig auf verschiedenen Anhängen gelistet. Drucksache 16/2281 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Artikel 19 der FFH-Richtlinie sieht die Anpassung der Anhänge an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt vor. Hierzu ist ein Beschluss des Rates notwendig. Die Roten Listen der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) für Europa enthalten ca. 6 000 Arten der Säugetiere, Amphibien, Reptilien, Schmetterlinge, Libellen, holzbewohnenden Käfer, Süßwasserfische, Weichtiere und Gefäßpflanzen. Zu Frage 2: Die Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie enthalten die Arten von gemeinschaftlichem Interesse. Das sind solche, die bezogen auf das Gebiet aller Mitgliedstaaten bedroht, potenziell bedroht, selten oder endemisch sind. Die Situation von Artvorkommen nur in einem Mitgliedstaat oder einem Land ist demgegenüber für die Aufnahme in die Anhänge nicht entscheidend. Insofern kann eine Art in einer Region oder einem Mitgliedsland weniger gefährdet sein, entscheidend ist die Gesamtbetrachtung im europäischen Kontext . Die gelisteten Arten dienen außerdem als Schirmarten, sodass Verfahren und Maßnahmen für diese Arten auch anderen Tierund Pflanzenarten zugutekommen. Aus Rechts-, Verwaltungs- und auch Naturschutzgründen ist es außerdem zweckmäßig, dass diese Anhänge über größere Zeiträume Bestand haben. Während für die in die FFH-Richtlinie aufgenommenen Arten ein günstiger Erhaltungszustand angestrebt wird, richten die Roten Listen der IUCN für Europa das Augenmerk ausschließlich auf das jeweilige Aussterbensrisiko. Die Einstufung als gefährdet erfolgt nur dann, wenn eine Population in den letzten zehn Jahren oder über drei Generationen mindestens 10 % abgenommen hat. Demgegenüber betrachtet die FFH-Richtlinie bspw. auch geringere Abnahmen von Arten, deren Bestände insgesamt auf einem niedrigen Niveau liegen. Die Roten Listen stellen damit keine umfassende Grundlage für die Erreichung eines günstigen Erhaltungszustandes der Arten von gemeinschaftlichem Interesse dar, sie enthalten jedoch zusätzliche nützliche Informationen zum Vollzug des europäischen Artenschutzrechtes. Zu Frage 3: Die FFH-Richtlinie sieht die Errichtung eines kohärenten europäischen ökologischen Netzes besonderer Schutzgebiete (Natura 2000) und die notwendigen Maßnahmen zum Artenschutz vor. Die rechtliche Umsetzung im Bundesnaturschutzgesetz ist im Mai 1998 durch den Bund erfolgt. Im Dezember 2007 wurden aufgrund eines gegen Deutschland ergangenen Urteils des europäischen Gerichtshofs die artenschutzrechtlichen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes im Wege der sog. Kleinen Novelle des Bundes an die europäischen Anforderungen angepasst. Für die verwaltungsmäßige Umsetzung, d. h. die Meldung und Ausweisung von FFH-Gebieten, sind die Länder zuständig. Die Länder haben ihre Meldungen über den Bund an die EU-Kommission in den Jahren 2001 und 2004 abgegeben. Nach bilateralen Gesprächen Deutschlands mit der Kommission verbliebene Defizite wurden durch Ergänzungen der Länder beseitigt. Für RheinlandPfalz wurde das Meldeverfahren durch eine ergänzende Meldung im Februar 2006 abgeschlossen. Rheinland-Pfalz hat 120 FFH-Gebiete, die rd. 257 000 ha der Landesfläche einnehmen und zusammen mit den 57 Vogelschutzgebie - ten das Netz Natura 2000 bilden. Die Ausweisung der Gebiete ist im Landesnaturschutzgesetz erfolgt. Zurzeit werden Bewirtschaftungspläne für die Natura-2000-Gebiete erstellt. Zu den Fragen 4 und 6: Nach § 34 Bundesnaturschutzgesetz ist für Projekte, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten ein Natura-2000- Gebiet erheblich beeinträchtigen können, eine Prüfung der Verträglichkeit mit den festgelegten Erhaltungszielen des betreffenden Gebietes durchzuführen. Die Prüfungen erfolgen im Rahmen der jeweiligen Genehmigungsverfahren. Ist ein Projekt unverträglich, kommt eine Ausnahmeentscheidung nach § 34 Abs. 3 Bundesnaturschutzgesetz in Betracht. In diesem Fall ist eine Kompensation erforderlich. § 36 Bundesnaturschutzgesetz sieht eine entsprechende Prüfung für Pläne vor. Die europäischen Anforderungen an den Artenschutz ergeben sich aus §§ 44 ff. Bundesnaturschutzgesetz. Eine Übersicht über alle Verfahren nach den genannten Vor - schrif ten gibt es nicht. Zu den Fragen 5 und 7: Die Vollzugsbehörden sind an das geltende Recht gebunden. Insofern sind die Fragen rein hypothetisch. Ulrike Höfken Staatsministerin