Drucksache 16/2282 26. 04. 2013 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Michael Billen (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Aufhebung von Schonzeiten für Rot-, Dam- und Muffelwild außerhalb von Bewirtschaftungsbezirken Die Kleine Anfrage 1488 vom 4. April 2013 hat folgenden Wortlaut: Die Landesregierung beabsichtigt den Erlass einer neuen Landesjagdverordnung. Nach vorliegenden Informationen finden sich in dem Entwurf Regelungen, wonach bei der Bejagung von Rot-, Dam- und Muffelwild außerhalb von Bewirtschaftungsbezirken 1. weibliches Rot-, Dam- und Muffelwild sowie Kälber und Lämmer – vorbehaltlich der Regelungen zum Elterntierschutz – grundsätz- lich keine Schonzeit mehr genießen soll; 2. auch männliches Rot-, Dam- und Muffelwild keine Schonzeit mehr haben soll, wenn die berechtigten Ansprüche oder Belange nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Landesjagdgesetz gefährdet sind (gemäß der Stellungnahmen nach § 31 Abs. 6 Satz 2 und Abs. 7 Landesjagdgesetz ); 3. eine Jagdzeit nur dann durch die zuständige untere Jagdbehörde beschränkt werden kann, wenn Beeinträchtigungen der landund forstwirtschaftlichen Nutzung durch Wildschäden nicht vorliegen und der Schutz der Wildart vor Tierseuchen gewährleistet ist (§ 13 Abs. 2 sowie in § 42 Abs. 2). Den Regelungen liegt somit ausschließlich die Beurteilung der Frage einer möglichen oder tatsächlichen Beeinträchtigung der berechtigten Ansprüche oder Belange nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Landesjagdgesetz zugrunde. Diese wiederum wird aus der „waldbaulichen Stellungnahme“ abgeleitet. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Erfassungskriterien werden im Rahmen des Beurteilungsverfahrens herangezogen, um die möglicherweise unterschied- lichen Gefährdungsgrade durch verschiedene Schalenwildarten in den Jagdbezirken zu differenzieren? 2. Wie wird die Objektivität bei der Erfassung der Gefährdungsmerkmale bzw. deren Bewertung in den in Eigenregie bewirt- schafteten staatlichen und kommunalen Eigenjagdbezirken sichergestellt? 3. Welche Ergebnisse und welche Entwicklungen zeigen die „waldbaulichen Stellungnahmen“ in den Jagdbezirken innerhalb der Bewirtschaftungsbezirke für Rot-, Dam- und Muffelwild? Bestehen hier signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Waldbesitzarten? 4. Welche Ergebnisse und welche Entwicklungen zeigen die „waldbaulichen Stellungnahmen“ in den an die Bewirtschaftungsbezirke für Rot-, Dam- und Muffelwild angrenzenden Jagdbezirken hinsichtlich einer Gefährdung durch speziell diese genannten Wildarten? 5. Bestehen innerhalb und außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke signifikante Unterschiede in den Gefährdungsgraden zwischen den verschiedenen Waldbesitzarten? 6. Wie viele Waldbesitzer haben Schadensersatz durch von Rot-, Dam- und Muffelwild verursachten Wildschaden außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke geltend gemacht? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 24. April 2013 wie folgt beantwortet: Die Landesregierung erarbeitet derzeit eine Novellierung der Landesjagdverordnung. Im Zuge dieser Novellierung soll von der Ermächtigungsgrundlage des Landesjagdgesetzes (LJG) u. a. insofern Gebrauch gemacht werden, dass Näheres über Bewirtschaftungsbezirke und Hegegemeinschaften bestimmt wird (siehe § 51 Abs. 1 Nr. 2 LJG). Insbesondere sollen Vorgaben zur Hege und Bejagung der zu bewirtschaftenden Wildart außerhalb der Bewirtschaftungsbezirke unter Einbezug der Schonzeiten gemacht werden. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 27. Mai 2013 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/2282 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Der Entwurf zur Novellierung der Landesjagdverordnung befindet sich derzeit in der Anhörung gemäß § 29 GGO. Insgesamt wurden 25 vom Jagdrecht berührte Interessenvertretungen und Institutionen um ihre Stellungnahme gebeten; 20 von ihnen haben bis heute von der Möglichkeit der Stellungnahme Gebrauch gemacht. Die Argumente, die im Einzelnen vorgebracht worden sind, werden zurzeit geprüft und in der Zusammenschau abgewogen und in gebotener Weise durch Änderung des Verordnungsentwurfs berücksichtigt. Anschließend wird der Verordnungsentwurf dem für die Angelegenheiten der Rechtspflege zuständigem Ministerium zur Prüfung in rechtlicher und gesetzestechnischer Hinsicht zugeleitet werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Billen (CDU) namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Erfassungskriterien sind im Wesentlichen die Verbiss- und Schälschäden. Differenzierte Ausführungen dazu finden sich in der Erhebungsanleitung vom Februar 2011 (Grundsätze zur Erhebung von Verbiss - und Schälschäden als Grundlage einer forstbehördlichen Stellungnahme zum Einfluss des Schalenwildes auf das waldbauliche Betriebsziel [Stellungnahme gemäß § 31 Abs. 7 LJG] ). Soweit sonstige Schäden vorliegen (z. B. Fegeschäden, sonstige biotische oder abiotische Schäden), wird Zutreffendes erfasst und die betroffenen Baumarten genannt sowie die Schäden beschrieben. Zu Frage 2: Die Objektivität wird sichergestellt durch: Stichprobenraster: Über die Forstgrundkarte (oder die TKV 10 im Privatwald) wird ein 500x500m-Raster gelegt. Das den Rasterpunkt umgebende 500x500m-Quadrat stellt eine Rasterfläche dar. Erhebungsfläche ist die dem Rasterpunkt nächstgelegene verbissoder schälgefährdete Verjüngungsfläche, die innerhalb der Rasterfläche liegt. Sie ist somit eindeutig definiert und eine Verteilung der Erhebungsflächen wird gewährleistet. Eine subjektive Auswahl der Erhebungsflächen wird somit ausgeschlossen. Die Erhebungsflächen werden kartographisch und damit nachprüfbar erfasst. Festlegung der zu erfassenden Baumarten: Es werden nur Baumarten aufgenommen, die für die Erreichung des Verjüngungsziels relevant sind (= Zielbaumarten), d. h., die als Waldentwicklungsziel/Leitbaumart in der mittelfristigen Forstbetriebsplanung (Forst - einrichtungswerk) definiert wurden. Verbiss an sonstigen Baumarten, starker eindeutiger Sommerverbiss oder Fegeschäden werden quantitativ nicht erfasst. Auf diese Schäden wird unter „Bemerkungen/Sonstige Schäden“ hingewiesen. Taxationslinie: Auf der verbissgefährdeten Fläche wird per Schrittmaß (ggf. Kompass) eine Aufnahmegerade von i. d. R. 75m (wenn nicht möglich, dann 30m) festgelegt, deren Richtung durch die längste mögliche Entfernung bestimmt ist (in der Regel diagonal). Damit sind die Richtung der Aufnahmelinie und der Abstand der Aufnahmepunkte nachprüfbar vorgegeben. Markierungen: Jeweils die erste beurteilte Pflanze an jedem Aufnahmepunkt wird mit verwitterungsfähigem Band oder ähnlichem markiert. Damit kann die Erhebung bei Bedarf nachvollzogen werden. Aufnahmepersonen: In der Regel wird die Aufnahme unmittelbar von Forstbeamten durchgeführt. Beamte sind zur objektiven Amtsführung verpflichtet. Gefährdungsrahmen: Der Gefährdungsrahmen ist definiert und wird vorgegeben. Gefährdungsrahmen für Verbissschäden (Verbissprozentanteile an der Gesamtzahl aufgenommener Pflanzen): 2 Gefährdungsgrad Nadelbaumarten Laubbaumarten (außer Tanne) und Tanne nicht gefährdet 0 – 20 % 0 – 15 % gefährdet > 20 – 40 % > 15 – 25 % erheblich gefährdet > 40 % > 25 % Gefährdungsrahmen für Schälschäden (Prozentanteile an der Gesamtzahl aufgenommener Bäume): Gutachter: Die Bewertung erfolgt durch fachbehördliche Stellungnahme. Die Stellungnahme wird durch den Forstamtsleiter erstellt . Er beurteilt, ob und inwieweit die Waldentwicklungsziele im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit schalenwildbedingt inner- Gefährdungsgrad Laub- und Nadelbaumarten nicht gefährdet bis zu 2 % gefährdet > 2 – 3 % erheblich gefährdet > 3 % Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/2282 halb des Jagdbezirkes gefährdet sind. Die Beurteilung darf sich nur auf Feststellungen stützen, die zweifelsfrei auf den Einfluss des Schalenwildes zurückgehen. Der Forstamtsleiter hat ein umfassendes Bild von der Situation vor Ort und beurteilt die Wald-/Wildsituation objektiv. In seinem Tun und Handeln unterliegt er der Fachaufsicht durch die vorgesetzte Dienststelle. Transparenz: Alle relevanten Unterlagen werden den Beteiligten zugeleitet. Den Jagdausübungsberechtigten wird angeboten, sich vor Ort ein Bild über die Schadenssituation zu machen bzw. bei der Durchführung der Erhebung anwesend zu sein. Zu Frage 3: Im Ergebnis der Erhebungen 2008 (letzte Vollerhebung) lässt sich konstatieren, dass sich nach der leichten Entspannung 2004 die Gefährdungssituation über alle Jagdbezirksarten hinweg durch den Einfluss von Rotwild wieder verschlechtert hat. Hier sind auf 46 % der repräsentierten Waldfläche die waldbaulichen Betriebsziele „gefährdet“ (22 %) oder „erheblich gefährdet“ (24 %). In acht von 13 Rotwildbewirtschaftungsbezirken ist gegenüber dem Erhebungsjahr 2004 eine Verschlechterung der Gefährdungssituation eingetreten. Die Schälprozente sind angestiegen, was vor allem auf die Ausweitung der Schälereignisse an Buche und Douglasie zurückzuführen ist. Seit Beginn der Erhebungen zum waldbaulichen Gutachten, mithin über einen Zeitraum von 16 Jahren, ist damit im Durchschnitt keine Verbesserung des Zielerreichungsgrades eingetreten. Vielmehr repräsentieren die Ergebnisse in etwa das Niveau der Schäden aus den 1990er Jahren. Mit Blick auf die unterschiedlichen Jagdbezirksarten ergibt sich jedoch ein etwas differenzierteres Bild: Als weiterhin besorgniserregend müssen die gemeinschaftlichen Jagdbezirke und kommunalen Eigenjagdbezirke gelten, die auf 54 % der repräsentierten Waldfläche eine „Gefährdung“ oder „erhebliche Gefährdung“ des waldbaulichen Betriebszieles durch Rotwildschäle aufweisen und über ihre hohe Repräsentanz einen maßgeblichen Einfluss auf das Gesamtergebnis ausüben. Deutlich unterdurchschnittlich sind hingegen die Gefährdungsgrade in den nicht verpachteten staatlichen Eigenjagdbezirken. Hier sind die waldbaulichen Betriebsziele durch Rotwild auf 31 % der repräsentierten Waldfläche „gefährdet“ oder „erheblich gefährdet“. Insbesondere mit Blick auf das Rotwild bedeutet dies, dass die sehr erfreuliche Entwicklung der Vergangenheit in den nicht verpachteten staatlichen Eigenjagdbezirken keine Fortsetzung findet, wenngleich im Vergleich zum Landesdurchschnitt nicht von einem Rückfall in die 1990er Jahre gesprochen werden kann. Beim Muffelwild hat sich die Gefährdungssituation leicht verbessert. Die „erhebliche Gefährdung“ waldbaulicher Betriebsziele ist von 15 % auf 11 % der Jagdbezirksfläche zurückgegangen. Auf 65 % der Jagdbezirksfläche liegt „keine Gefährdung“ durch Muffelwild mehr vor. Beim Damwild wurde nach wie vor „keine Gefährdung“ waldbaulicher Betriebsziele festgestellt. Die Erhebungen wurden ehemals in einem regelmäßigen Turnus von drei Jahren durchgeführt. Die Ergebnisse des Erhebungsjahres 2011 lassen sich jedoch noch nicht heranziehen, da diese sich aufgrund des neu festgelegten Erhebungsturnus ausschließlich auf die vormals „erheblich gefährdeten“ Jagdbezirke konzentrieren und damit ein einseitiges Bild wiedergeben würden. Die Erfassung der Schäden in den als „gefährdet“ oder „nicht gefährdet“ eingestuften Jagdbezirken erfolgten erst im Jahr 2012 bzw. 2013. Daher lassen sich umfassende Aussagen erst nach dem Erhebungsjahr 2013 treffen, wenn auch die Ergebnisse der vormals „gefährdeten“ und „nicht gefährdeten“ Jagdbezirke vorliegen. Zu den Fragen 4 und 5: Die Erstellung von forstbehördlichen Stellungnahmen auch außerhalb von Bewirtschaftungsbezirken von Rot-, Dam- und Muffelwild ist für diese Wildarten erst seit dem Jahr 2011 vorgeschrieben. Insofern erfolgt die Erhebung von Schälschäden in Jagdbezirken , in denen Rot-, Dam- oder Muffelwild vorkommt (zumindest auf Teilflächen und zeitweise) außerhalb von Bewirtschaftungsbezirken erst seit diesem Zeitpunkt. Für Jagdbezirke in denen bis dato noch keine Stellungnahme erstellt wurde, erfolgten erstmals Schadenerhebungen im Jahr 2012 und eine Erstellung der forstfachlichen Stellungnahmen bis zum 1. Februar 2013. Eine landesweite Auswertung der Ergebnisse bezüglich der Schäden durch Rot-, Dam- und Muffelwild für Jagdbezirke außerhalb von Bewirtschaftungsbezirken liegt demzufolge noch nicht vor. Zu Frage 6: Es werden keine Daten zum Ersatz von Schäden durch Rot-, Dam- und Muffelwild erhoben, insofern können hierzu keine statis - tischen Aussagen gemacht werden. Daten können nicht erhoben werden, weil überwiegend die Verpflichtung zum Wildschadensersatz von der Jagdgenossenschaft oder den Eigentümerinnen oder Eigentümern von Eigenjagdbezirken auf die pachtenden Personen übertragen wird (pachtvertragliche Reglung), der Schadensausgleich in der Mehrheit der Fälle unmittelbar zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt wird, ohne dass ein Wildschaden angemeldet worden ist (Regelverfahren) oder Schäden durch vertraglich vereinbarte Wildschadenspauschalen abgegolten sind/werden (pachtvertragliche Regelung). Ulrike Höfken Staatsministerin 3